Deutsch lernen in Australien Wenn "Kleinherne" und "Nüsken" zu Zungenbrechern werden
Die sportbegeisterte Jessika Rabe arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Deutschlehrerin in Melbourne. Dass die Fußball-WM nun in Australien stattfindet, freut sie sehr. Für die gebürtige Niedersächsin eine klare Sache: Das deutsche Nationalteam ist auch Unterrichtsthema.
"Sophia Klien-hörne" - "Kleinherne, fantastisch, wunderbar." Und: "Sjo-key Nuss-ken" - "Nüsken, fantastisch - well done." Diese Deutschstunde an der Mentone Grammar School in Melbourne ist etwas besonderes. Für die Siebt- und Achtklässler steht die Fußball-WM der Frauen in Down Under auf dem Stundenplan. Und Lehrerin Jessika Rabe lobt ihre Schülerinnen und Schüler.
Das Goethe-Institut Australien hat extra Unterrichtsmaterialien online bereitgestellt, in denen es um die deutsche Nationalmannschaft geht. Inklusive Namen, die für die normalerweise ja nur Englisch sprechenden Zwölf- bis 14-Jährige gar nicht so einfach auszusprechen sind.
Ist Deutsch "supa" oder doch eher "kompliziert"?
Jessika Rabe kommt aus Niedersachsen, aufgewachsen ist sie in Nienhagen in der Nähe der Stadt Celle. Sport hat die Lehrerin schon immer begeistert. Als sie Ende der 1990er-Jahre für eine längere Zeit in Australien war, lernte sie ihren heutigen Mann Adam kennen. Nach der Jahrtausendwende zog sie zu ihm nach Melbourne. Heute hat das Paar drei Kinder, die zweisprachig aufwachsen.
Fußball spielt hier keine große Rolle, wenn es um sportliche Aktivitäten geht. Aber Melbourne ist total sportbegeistert.
An der Mentone Grammar School ist Deutsch für viele Kinder die erste Fremdsprache. Das Urteil fällt gemischt aus: "Ick finde Deutsch supa", sagt Holly und lacht. "Ich finde Deutsch kompliziert", sagt Lukas. Luca kann mit Abstand am besten Deutsch. "Mein Papa ist deutsch, er hat es mir beigebracht", erklärt der Junge. Alternative zum Deutschunterricht ist vor allem Chinesisch, das an der Privatschule auch im Präsenzunterricht angeboten wird. Spanisch oder Französisch gibt es als E-Learningkurse.
Größte deutsche Gemeinde in Melbourne
So lernen auch die 15-jährige Lilly und ihr kleiner Bruder Jonty die Sprache ihrer Mutter - allerdings zu Hause. Denn an ihrer Schule gibt es keinen Deutschunterricht. Jessika will aber keinen Druck ausüben, weil sie weiß, dass ihre Kinder mit dem normalen Schulunterricht meist schon genug ausgelastet sind. Lilly war für ein paar Wochen in Deutschland an einer Schule. Ihre vier Jahre ältere Schwester Yani hat bereits ihr Abitur gemacht und an einem Schüleraustausch teilgenommen. "Wir sind deutsch, aber das ist bei uns kein riesiges Ding", sagt Yani. "Unsere Freunde würden nur auch gerne eine andere Sprache so gut sprechen können."
In Australien leben über 100.000 Deutsche. Rund ein Fünftel davon in Melbourne - die Stadt hat damit die größte deutsche Gemeinde des Landes. Melbourne ist multikulturell - auch viele Griechen, Italiener oder Schotten hat es im 20. Jahrhundert hierher verschlagen. "Genau das mag ich an meiner Heimatstadt", sagt Vater Adam, der als Professor für Unternehmertum und Innovationen arbeitet.
Das Spiel der DFB-Elf gegen Marokko in Melbourne schaute sich Jessika Rabe mit ihrer Familie im Stadion an.
Beim 6:0 mitgefeiert - Hoffnung auf den Gruppensieg
Bei ihm stehen eigentlich Australian Football, Cricket, Rugby, Golf, Tennis und auch Leichtathletik vor dem europäischen Soccer, den eigentlich nur Jessika und Jonty interessiert verfolgen. Beim ersten deutschen Spiel in Melbourne war dann aber doch die ganze Familie im Stadion - und nach dem 6:0-Erfolg gegen Marokko begeistert.
Die DFB-Frauen müssen sich ein Beispiel an Australien nehmen, alles ist möglich. Sie müssen es genauso machen wie Australien gegen Kanada. Wir haben wie verrückt gejubelt.
Und auch die zweite Chance auf ein deutsches Spiel haben sie sich nicht entgehen lassen: Sie haben Karten für das Achtelfinale am 8. August. Nach der 1:2-Niederlage gegen Kolumbien sieht es aber eher danach aus, dass die DFB-Frauen - wenn überhaupt - in der Runde der besten 16 in Adelaide antreten müssen. "Wenn wir schon nicht Deutschland zu sehen bekommen, dann zumindest Kolumbien mit Linda Caicedo. Sie wird der nächste Superstar", ist Jessika überzeugt.
So ganz hat sie sich vom Gedanken, beim deutschen Achtelfinale dabei zu sein, allerdings noch nicht verabschiedet. "Die DFB-Frauen müssen sich ein Beispiel an Australien nehmen, alles ist möglich. Sie müssen es genauso machen wie Australien gegen Kanada", hofft die 51-Jährige, die den 4:0-Erfolg der "Matildas" zusammen mit der ganzen Familie vor dem Fernseher verfolgt hat. "Wir haben wie verrückt gejubelt."
DFB arbeitet mit Goethe-Institut zusammen
In Melbourne wird trotzdem weiter Deutsch gelernt. "Hört genau zu: Wie heißt die Spielerin und was ist ihr Spitzname", fragt Lehrerin Jessika Rabe ihre Schülerinnen und Schüler. Das Goethe-Institut hat Video-Interviews mit Jule Brand, Nicole Anyomi, Nüsken, Kleinherne und Maximiliane Rall, die es nicht in den WM-Kader geschafft hat, geführt.
Auf Fragebögen sollen die richtigen Antworten angekreuzt werden. "Ich glaube, sie hat 2000 gesagt", vermutet Anish bei der Frage nach dem Geburtsdatum von Anyomi. Außerdem geht es um Hobbys, Musik oder auch das Lieblingsessen.
Jessika Rabe ist sehr zufrieden mit den WM-Unterrichtsstunden. "Die sind sehr gut angekommen. Natürlich lernen die Schülerinnen und Schüler viel lieber so etwas über die deutsche Kultur als Verben zu konjugieren oder sich mit dem Präteritum zu beschäftigen", sagt sie lachend.