Borussia Dortmunds Gegner Newcastle Trainer Howe: Spielerverbesserer und Meister der kleinen Gemeinheiten
Eddie Howe hat Newcastle United vom Abstiegskandidaten zur Spitzenmannschaft gemacht. Er ist bekannt dafür, aus seinen Spielern das Maximum herauszuholen – politische Fragen zu seinem Engagement beim Saudi-Klub blockt er ab. Heute spielt Newcastle United gegen Borussia Dortmund (Ab 21 Uhr live in der Radio-Reportage und im Live-Ticker bei der Sportschau) .
Neulich hat Eddie Howe eine Ausnahme gemacht. Der Trainer von Newcastle United hat ein Statement zu einem Thema abgegeben, das den Norden Englands bewegte – und nichts mit Sport zu tun hatte. "Ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll. Ich bin einfach nur enttäuscht, dass eine Tat etwas so Schönes zerstören kann, etwas, an dem sich jeder erfreuen konnte. Sehr traurig!", sagte Howe Ende September über die illegale Fällung eines jahrhundertealten Berg-Ahorns am Hadrianswall, der bekannt war als Robin-Hood-Baum aus dem Film mit Kevin Costner von 1991.
Die Aussage hatte Seltenheitswert, wie Spöttern im Internet umgehend auffiel, weil Howe normalerweise eisern darauf besteht, nur Fußball-Fragen zu beantworten. Er sei schließlich Fußball-Trainer, zu anderen Themen fehle ihm die nötige Expertise. So antwortet Howe stets, wenn ihm Fragen nach der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien oder zu Sportswashing gestellt werden, also der Image-Politur eines Regimes durch Investitionen im Sport.
Gesicht eines der umstrittensten Projekte im Fußball
Dass sich Howe mit solchen Themen konfrontiert sieht, liegt daran, dass er den Job als Trainer von Newcastle United angenommen hat, kurz nachdem der Verein vor zwei Jahren von einem Konsortium unter der Führung des saudi-arabischen Staatsfonds PIF übernommen worden war. Howe trat damit die Rolle als Gesicht und Stimme eines der umstrittensten Projekte im internationalen Fußball an.
Wobei man dazu sagen muss: Kritik daran, dass die traditionsreichen "Magpies" (Elstern) seit Oktober 2021 praktisch dem Staat Saudi-Arabien gehören, gab und gibt es fast ausschließlich von außerhalb. In Newcastle selbst sind Fans, Medien, Politik und Vereinslegenden wie Alan Shearer voller Euphorie über die neuen Besitzer.
Kantersieg gegen Paris Saint-Germain
Deutlich schneller als erwartet ist Newcastle vom Abstiegskandidaten zur Spitzenmannschaft geworden. Und zwar zu einer, die im Stande ist, Paris Saint-Germain 4:1 aus dem Stadion zu schießen – so geschehen vor drei Wochen, beim ersten Champions-League-Heimspiel für den Klub seit 20 Jahren. An diesem Mittwoch soll gegen Borussia Dortmund eine ähnliche Gala im St. James' Park stattfinden.
Architekt des Aufschwungs ist ein Mann, der eigentlich nur zweite Wahl war. Nach der Übernahme wollten die Eigentümer aus Saudi-Arabien den Spanier Unai Emery als Trainer installieren, doch dieser lehnte ab. Stattdessen übernahm Howe, der sich zuvor beim AFC Bournemouth den Ruf eines exzellenten Spielerverbesserers erarbeitet hatte. Zwischenzeitlich galt er sogar als Kandidat auf die Nachfolge von Englands Nationaltrainer Gareth Southgate.
Klub setzt bei Transfers nicht auf große Namen
Howe, 45, ist eine Figur ohne großen Glanz. Damit passt er zum bodenständigen, teilweise rauen englischen Nordosten und zur Strategie zum Umbau von Newcastle United. Anders als andere staatlich finanzierte Projekte im Fußball wie das in katarischem Besitz befindliche Paris Saint-Germain oder Manchester City in der Anfangszeit unter Scheich Mansour aus Abu Dhabi setzt der Klub bei Transfers nicht auf große Namen.
Die aktuelle Newcastle-Mannschaft wurde mit Umsicht zusammengestellt. Zugänge wie Torwart Nick Pope (kam vom FC Burnley), der aus der Region stammende Linksverteidiger Dan Burn (zuletzt bei Brighton & Hove Albion), Flügeldribbler Anthony Gordon (kam vom FC Everton) oder Stürmer Alexander Isak (einst bei Borussia Dortmund gescheitert) sind keine natürlichen Kandidaten für einen Klub, der sich in der internationalen Spitze etablieren will.
Rechtsverteidiger Kieran Trippier (kam von Atlético Madrid) und Mittelfeldmann Bruno Guimarães (kam von Olympique Lyon) wurden zu Schlüsselspielern. Schon länger in Newcastle angestellte Profis wie Innenverteidiger Fabian Schär oder der ehemalige Hoffenheimer Joelinton haben unter Howe einen enormen Sprung gemacht.
Aus einem passiven Team ein Kollektiv gemacht
Rund 440 Millionen Euro hat der Verein seit der Übernahme durch den PIF ausgegeben, mehr als Liga-Konkurrenten wie Dauermeister und Triple-Sieger Manchester City oder der FC Arsenal im gleichen Zeitraum. Doch Newcastle hat das Geld schlau investiert – und Howe gelingt es, durch "emotional intelligente Spielerführung und hochklassiges Coaching" ("Guardian") das Maximum aus seiner Mannschaft herauszuholen.
Innerhalb kurzer Zeit hat er Newcastles Stil transformiert. Aus einem passiven Team hat er ein Kollektiv gemacht, das überdurchschnittlich viel Ballbesitz hat, aggressiv presst und sich durch große Intensität auszeichnet.
Auch Howe selbst hat sich entwickelt. Anders als in der Vergangenheit in Bournemouth ist es ihm in Newcastle gelungen, eine stabile Defensive zu formieren. In der vergangenen Saison ließ in der Premier League keine Mannschaft weniger Tore zu. Auch der Angriff ist eine Waffe. 24 Treffer hat Newcastle in den ersten neun Ligaspielen der laufenden Kampagne geschossen – Höchstwert.
Vor seinem Engagement im St. James’ Park hatte Howe ein Sabbatical gemacht und die Zeit unter anderem genutzt, um das Training von Diego Simeone bei Atlético Madrid zu studieren. Es ist deshalb kein Wunder, dass Newcastle meisterhaft jene Fähigkeiten beherrscht, die in England als "shithousery" bezeichnet werden: Zeitschinderei, taktische Fouls, kleine Gemeinheiten auf und neben dem Platz, um den Gegner mürbe zu machen.
Dass das nicht überall gut ankommt, ist Howe egal: "Wir sind nicht hier, um beliebt zu sein. Wir wollen konkurrenzfähig sein", sagt er. Genau das scheint auch seine Haltung zu den politischen Fragen zu sein, die seinen Verein umgeben.