Trend in der Bundesliga Junge Trainer auf dem Vormarsch
Vier Trainer sind noch unter 40, viele nicht viel älter: In der Bundesliga zeichnet sich ein Trend zu jüngeren Fußball-Lehrern ab. Was sind die Ursachen?
Seit Vincent Kompany beim FC Bayern das Traineramt übernommen hat, weht an der Säbener Straße nicht nur ein neuer Wind. Auch die Akustik ist auf dem Trainingsplatz eine andere: Da wird schon mal das Aufwärmen nach den Klängen von Rapper Eminem absolviert.
Ein Zeichen für die jugendliche Frische, die beim Rekordmeister durch den Trainerwechsel Einzug gehalten hat. Obwohl der Belgier gewiss nicht erste Wahl war, überschlagen sich die Bosse in ihren Lobeshymnen auf ihren erst 38 Jahre alten Kommunikator. Von einem "Glücksfall" ist die Rede, von einer "positiven Kultur", von einem "Menschenfänger", von "Spaßfußball".
Sogar Vergleiche mit Legenden wie Pep Guardiola oder Jupp Heynckes werden gezogen. Kompany denkt vor dem Topspiel gegen den VfB Stuttgart (Samstag 18.30 Uhr) nicht daran, an seinem riskanten Offensivstil etwas zu ändern. Alles umzuändern, "wäre blöd, nur weil es mit dem Ergebnis mal nicht geklappt hat".
Vincent Kompany begeistert den FC Bayern
Präsident Herbert Hainer ist trotz der jüngsten Delle mit drei Pflichtspielen ohne Sieg immer noch begeistert: "Wir sind unglaublich glücklich mit Vincent Kompany. Angefangen bei Max Eberl, über den Vorstand, bis hin zu Uli und Karl-Heinz, weil wir einen extrem attraktiven Fußball erleben."
Es scheint, als habe es die vielen Absagen von Ralf Rangnick bis hin zu Hansi Flick gebraucht, um in der Not auf einen unverbrauchten Fußballlehrer zurückzugreifen, der einen anderen Ansatz verfolgt. Aber hat es Bayer Leverkusen nicht vorgemacht? Im Herbst 2022 den als Chefcoach unerfahrenen Xabi Alonso zu holen, war der Meilenstein zur ersten Meisterschaft der Geschichte.
Xabi Alonso wirkt schon wie ein alter Hase
Der Spanier wirkt inzwischen schon wie ein "alter Hase", aber ist ja auch erst 42 Jahre alt. Seine Spielerkarriere liegt - analog zu Kompany - nicht so lange zurück. Da spricht ein Trainer die Sprache der Spieler. Übrigens auch ein Erfolgsgeheimnis von Dino Toppmöller, der in seiner zweiten Saison bei Eintracht Frankfurt auf einmal die Liga rockt – und jetzt im Verfolgerduell in Leverkusen antritt (Samstag 15.30 Uhr).
Der Sohn von Klaus Toppmöller arbeitet ebenfalls erstmals als Cheftrainer in der Bundesliga. Bewusst von Markus Krösche ausgesucht, weil der Sportvorstand in dem früheren Assistenten von Julian Nagelsmann beim FC Bayern und bei RB Leipzig ein Trainertalent sah, das vielleicht noch ein bisschen Hilfestellung benötigte, aber derzeit mit den Hessen einen Höhenflug orchestriert.
Toppmöller hat die Marschroute verändert, setzt auf weniger Ballbesitz und schnelleres Umschalten, ist in der Ansprache klarer und im Umgang konsequenter geworden, ohne sich zu verstellen. Der 43-Jährige trifft den richtigen Ton - und kann dank seiner Sprachkenntnisse mit fast allen Nationalitäten seines internationalen Kaders direkt reden.
Begegnen sich am siebten Spieltag: Dino Toppmöller und Xabi Alonso
Nuri Sahin ist mit 35 der jüngste Coach der Liga
Auch Nuri Sahin wird ein direkter Draht zu seiner Mannschaft nachgesagt, was bei seinem Alter wenig verwundert: Mit 35 ist er der jüngste Coach der Liga. Dahinter kommt Ole Werner (36) von Werder Bremen, der Sahin eines voraus hat: Er arbeitet schon viel länger in seinem Metier, begann bereits vor einem Jahrzehnt als Jugendtrainer in seinem Ausbildungsverein Holstein Kiel.
Mit Kompany, Sahin, Werner und Julian Schuster (39) vom SC Freiburg arbeiten gleich vier Trainer im Oberhaus, die unter 40 sind. So jung wie jetzt waren die Trainerbänke noch nie besetzt: 45,9 Jahre beträgt aktuell das Durchschnittsalter – im vergangenen Jahrzehnt lag dieser Wert meist immer bei 47 und mehr.
Vor seinem 75. Bundesligaspiel als Verantwortlicher des SV Werder beim VfL Wolfsburg (Sonntag 17.30 Uhr) sagt Werner gegenüber der Sportschau: "Ich weiß nicht, ob das ein genereller Trend ist. Ich wage es zu bezweifeln, dass Trainer aufgrund ihres Geburtsdatums vom Verein ausgesucht werden, sondern eher wie sie Fußball spielen lassen und wie sie eine Mannschaft führen." Es gebe wie bei den Spielern nur "gute und erfolgreiche und zeitweise nicht so erfolgreiche Trainer".
Fakt ist aber: 2019/2020 betrug das durchschnittliche Alter sogar 49,4 Jahre, als Lucien Favre und Friedhelm Funkel mit über 60 in der Liga einen Job hatten. Jetzt ist Peter Zeidler vom VfL Bochum mit 62 der einzige aus dieser Altersklasse.
Für viele Routiniers wie Bruno Labbadia (58) hat die Bundesliga derzeit keine Beschäftigung. Das kann sich natürlich ändern: Die durchschnittliche Verweildauer eines Bundesliga-Trainers beträgt nur 13 Monate. Pro Saison muss fast jeder zweite Coach seinen Platz wieder räumen.
Voller Einsatz in seiner ersten Saison als Cheftrainer des SC Freiburg: Julian Schuster
Die Anforderungen sind immer komplexer geworden
Aber der Trend zu einer jüngeren Generation wird vermutlich beibehalten: Die immer komplexeren Anforderungen, vor allem der Umgang mit dem erhöhten Medieninteresse, einem viel größeren Mitarbeiterstab und einer zunehmenden Digitalisierung in der Alltagsarbeit bei Analyse und Auswertung verlangen nach einem veränderten Profil.
Der für die DFB-Trainerausbildung zuständige Daniel Niedzkowski geht darauf ein, wenn der Lehrgang für die Pro-Lizenz durchgeführt wird, der 13 Monate dauert und 700 Lerneinheiten vorsieht. Im Frühjahr bestritten 16 Teilnehmer den höchsten Trainerlehrgang erfolgreich, die meisten Männer wie der frühere Hansi-Flick-Assistent Danny Röhl (35) sind um die 30. Marie-Louise Eta (33) war die einzige Frau.
Augenfällig ist, dass immer mehr Kandidaten sich ganz bewusst früh für den Trainerjob entscheiden. Einen solchen Werdegang hat bekanntlich auch Bundestrainer Nagelsmann (37) hinter sich, der mit seinen Assistenten Benjamin Glück (38) und Sandro Wagner (36) ebenfalls für die Verjüngungskur steht. Der Faktor Erfahrung zählt allerdings immer noch: Gerade Nagelsmann will auf Sportdirektor Rudi Völler (64) als Ansprechpartner nicht verzichten. "Rudi ist wie eine Papa-Figur, auch für mich als jungen Trainer, der mir die nötige Ruhe gibt."