
Champions League weit entfernt Größerer Umbruch? Der BVB findet nicht in die Spur
Bei Borussia Dortmund wird nach dem nächsten Rückschlag in der Bundesliga gegen Augsburg die Angst vor einer verlorenen Saison größer. Trainer Niko Kovac geht auf Distanz zu den Spielern, Sportdirektor Sebastian Kehl deutet einen größeren Umbruch im Team an.
Auch dem sonst streng aufs Sportliche konzentrierten "kicker" war es ein Anliegen, im Bericht zu Dortmunds 0:1-Niederlage gegen den FC Augsburg näher auf die Stimmungslage bei den Dortmunder Fans einzugehen. Zur Halbzeit hatte der "kicker"-Reporter noch ein "kleines Pfeifkonzert" von den Rängen registriert, dies steigerte sich dann nach dem Schlusspfiff zum berühmten "gellenden Pfeifkozert". Die TV-Kameras fingen außerdem noch allerhand eindeutige Gesten und Verwünschungen ein, die sich die Spieler beim Gang zur Südtribüne vom schwarz-gelben Anhang abholten.
Emre Can hatte Verständnis dafür, " dass die Fans so durchdrehen". Ihnen sei nichts vorzuwerfen, so der BVB-Routinier, "nur uns, und den Spielern auf dem Platz". Auch Nationalspieler Nico Schlotterbeck bekannte am Sportschau-Mikrofon, das Team sei zurecht ausgepfiffen worden. Die Leistung wollte er lieber nicht bewerten: "Ich muss mich erstmal sammeln."
Geduld der BVB-Fans am Ende
Erst vor vier Wochen hingen die BVB-Ultras tobend auf dem Zaun, nach der desillusionierenden Niederlage beim Tabellenletzten aus Bochum. Es folgten in der Bundesliga überlegenene Siege gegen Union Berlin und St. Pauli, die Dortmunder wähnten sich auf dem Weg zu mehr Stabilität. Doch das ernüchternde 1:1 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Lille, bei dem der BVB in der zweiten Hälfte einbrach, warf schon wieder neue Fragezeichen auf. Spätestens mit der Heimniederlage gegen Augsburg ist der BVB wieder im Krisenmodus, wie gefühlt eigentlich seit Jahren.
Die Geduld der Fans, auch jene mit weniger kurzer Zündschnur, scheint endgültig aufgebraucht. Schon die Vorsaison verlief wechselvoll und strapaziös, das unverhoffte Erreichen des Champions-League-Endspiels überdeckte viele Probleme. Die erneute Qualifikation für die "Königsklasse" schaffte der BVB als Fünfter der Abschlusstabelle nur deshalb, weil die Bundesliga nach der UEFA-Wertung, die das internationale Abschneiden der Klubs eines Landes misst, einen zusätzlichen Startplatz zugesprochen bekam.
Champions-League-Qualifikation für Dortmund in Gefahr
Auf ein ähnliches Happy-End sollten die Dortmunder in dieser Saison lieber nicht hoffen. Zum einen wird es in der aktuellen Spielzeit nach dem jetzigen Stand im UEFA-Ranking wohl keinen fünften Startplatz in der "Königsklasse" für Deutschland geben. Es sei denn, ein deutscher Klub gewinnt die Champions League. Neben dem BVB sind dort noch FC Bayern und Bayer Leverkusen im Rennen. Doch an einen überraschenden Dortmunder Run wie in der Vorsaison bis ins Finale der Champions League glauben derzeit wohl selbst die größten Optimisten in Schwarz-Gelb nicht.
In der Liga ist der BVB auf Platz zehn abgerutscht. Der Rückstand auf die Champions-League-Ränge erscheint mit sieben beziehungsweise neun Punkten bei neun ausstehenden Spielen durchaus noch aufholbar. Doch die Aussagen nach dem Augsburg-Spiel verrieten wenig Zuversicht: "Wir sind keine Top-Mannschaft", sagte Dortmunds Kapitän Can. "Ich weiß nicht, ob wir es verdient haben, unter die ersten Vier zu kommen, geschweige denn unter die ersten Sechs. Wenn wir so weitermachen, wird es eine ganz, ganz schlimme Saison für uns."
Niko Kovac, Ende Januar als Nachfolger des Trainer-Hoffnungsträgers Nuri Sahin gekommen, droht der nächste Dortmunder Trainer zu werden, der den offenbar tiefsitzenden Wankelmut des Teams nicht beseitigt bekommt. Ein tragfähiges Konzept, wie der BVB das herausfordernde Wechselspiel zwischen internationalen Highlights und nationalem Liga-Alltag bewältigen kann, mit unbequemen Gegnern wie Augsburg, ist auch unter Kovac nicht zu erkennen. Die Augsburger zermürbten den BVB mit ihrer bekannt humorlosen Defensivtaktik. Dortmund strahlte trotz klarer Überlegenheit offensiv kaum ernste Gefahr aus, auch nicht mit Serhou Guirassy im Sturmzentrum, dem besten Torschützen der Champions League.
BVB-Coach Kovac merklich auf Distanz zu den Profis
Kovac hatte es nach zwei Liga-Niederlagen zum Amtsantritt noch mit viel Verständnis für die Spieler versucht. An der Einstellung und Mentalität, ein seit Jahren wiederkehrender Vorwurf, fehle es nicht, hatte Kovac beteuert.
Inzwischen nimmt sich aber auch der Coach nicht mehr zurück. Nach dem Augsburg-Spiel bescheinigte er dem Team im Sportschau-Interview "eine wirklich sehr schlechte Leistung". Die Mannschaft, so Kovac, habe das bekommen, was sie gezeigt hätte, "nämlich nichts".
Sportdirektor Kehl deutet größeren Umbruch an: "Müssen uns Gedanken machen"
Mag sein, dass der erfahrene Trainer auch deshalb auf Distanz zu den Spielern geht, weil er den wachsenden Unmut der Verantwortlichen im Klub spürt. Sportdirektor Sebastian Kehl wurde bei seiner Kritik grundsätzlich: "Es geht nicht um die Champions League und irgendwelche Tabellenplätze. Mich beschäftigt unsere Situation." Kehls Worte gingen klar an die Adresse der Spieler: "Mir hat das Feuer gefehlt". Es sei "von allen zu wenig" gewesen, sagte Kehl und räumte ein, dass es an der Zeit sei, konkreter über einen echten Umbruch im Kader nachzudenken werde. "Natürlich müssen wir uns diese Gedanken machen", antwortete er auf die entsprechende Frage, "wenn sich Dinge immer wiederholen."
Gegen Augsburg lief der BVB übrigens im neongelben Sondertrikot auf - eine Reminiszenz an die Meistersaison 1994/1995, die zugleich die Erfolgs-Ära der Dortmunder in den folgenden Jahren, inklusive Champions-League-Sieg einleitete. Die glorreiche Vergangenheit allein wird dem BVB aber nicht aus der Krise helfen.