Bayern gegen Dortmund Tuchels Werk und Kobels Beitrag
Mit einer dominanten Vorstellung erobert der FC Bayern gegen Dortmund die Tabellenführung zurück. Gregor Kobels Fehler vor dem 1:0 veränderte das Spiel - und möglicherweise den Meisterkampf.
Gregor Kobel wollte schon gar nicht mehr hinschauen. Gerade war der BVB-Keeper aus seinem Tor geeilt und hatte bei seinem Klärungsversuch nur die Luft getroffen. Nun schlug er die Hände über dem Kopf zusammen, während der Ball in Richtung Torlinie trudelte und Leroy Sané ihm auf diesem Weg Geleit gab.
Es war das 1:0 im Spitzenspiel zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund, das mit 4:2 endete. Dem Trainerdebüt von Thomas Tuchel, das gleichzeitig eine Vorentscheidung in der Meisterschaft sein könnte. Es war dieser Moment, der dem Spiel und vielleicht der Saison eine neue Richtung gab.
Dortmund in der Anfangsphase aktiver
13 Minuten lang war der BVB die bessere Mannschaft. 13 Minuten lang sah man in der Münchner Arena das Dortmund, das seit der Winterpause von Sieg zu Sieg geeilt war. Das Dortmund, das sich mit Entschlossenheit, taktischem und mannschaftlichem Zusammenhalt an die Spitze der Bundesliga gekämpft hatte und das dadurch mit dem Selbstvertrauen eines Tabellenführers nach München reiste. Das Dortmund, das mitverantwortlich war, dass nun auf der gegnerischen Trainerbank nicht Julian Nagelsmann, sondern Thomas Tuchel saß.
Tuchels Startelf: 47 Jahre Bayern-Erfahrung
Der neue Bayerntrainer ging in dieses entscheidende Duell, obwohl er an diesem Tag einigen seiner Spieler erst zum zweiten Mal in seiner neuen Funktion als Cheftrainer begegnete. Sein Rezept lautete: Altbewährtes. Knapp 47 Jahre FC-Bayern-Erfahrung standen in der ersten Bayern-Startelf von Thomas Tuchel. Kein Sadio Mané, kein Joao Cancelo, keine Dreierkette, keine Revolution, keine Experimente.
Und so überraschte es auch nicht, dass diese Bayern-Mannschaft, die sich zuletzt in der Bundesliga so schwergetan hatte, sich auch in der Anfangsphase gegen Dortmund abmühte. Der BVB dominierte. Egal ob Emre Can, der Nationalmannschafts-Kapitän Joshua Kimmich beherzt umsenste, oder Marco Reus, der mit seinen Dribblings in den Bayern-Strafraum eindrang und dort zweimal das Tor in Gefahr brachte.
Kobels Patzer beschwört den alten FC Bayern
13 Minuten lang wirkte es, als könnte der BVB in München gewinnen. Dann schlug Dayot Upamecano einen langen Ball - und Gregor Kobel leistete sich einen verheerenden Patzer. Nach diesem 1:0 in der Münchner Arena war es, als hätte sich wieder etwas zurechtgeruckelt. Als wäre die Fußballwelt wieder in altbekannte Bahnen gelenkt worden.
Die Bayern thronten in der Blitztabelle wieder an ihrem Stammplatz an der Spitze und auch auf dem Feld erinnerte auf einmal wieder alles an beste Bayern-Zeiten: Kingsley Coman schlug seine Haken, Joshua Kimmich dirigierte das Spiel und Thomas Müller stand eben genau da, wo ein Thomas Müller steht, um seine Instinkt-gelenkten Storchenbeine dorthin zu halten, wo ausschließlich er den Ball erwartet - und so stand es zehn Minuten nach dem Führungstreffer 3:0.
Tuchels Werk oder Kobels Beitrag?
Das 4:0 durch Coman nach der Pause ließ auch die letzte Dortmunder Hoffnung verpuffen. Der Rest des Spiels war eine Machtdemonstration der Münchner und Dortmund konnte froh sein, dass die Gastgeber mit ihrer Vielzahl an Chancen so schludrig umgingen, dass nicht noch ein fünftes, sechstes oder siebtes Gegentor fiel. Die beiden Dortmunder Treffer in der Schussphase gerieten zur Nebensache.
Ob nun es tatsächlich der Plan Tuchels war, tiefer zu stehen und so den Druck von der zuletzt fehleranfälligen Innenverteidigung zu nehmen, oder es ein Resultat der frühen Führung war? Ob Terzic sich mit dem Verzicht auf seine schnellen Außenstürmer verpokert hatte oder der Plan, mit Brandt und Reus auf das Zentrum zu setzen, ohne Kobels Fehler weiter aufgegangen wäre?
Tuchel über Bayern-Spiel: Hektisch, nervös, schlampig
Ob Dortmund tatsächlich Bayern geschlagen hätte, ist schwer zu sagen, doch sicher ist: Der Kobel-Patzer brachte sein Team ins Wanken, die plötzlich beschwingten Bayern nutzten das für den 10-Minuten-Knockout. Tuchel hat den Bayern noch nicht seinen Stempel aufgedrückt. Wie auch, nach der kurzen Vorbereitung? Und auch der Trainer selbst sagte, das 1:0 sei "sehr wichtig gewesen, um ruhiger zu werden. Dann wurde es besser." Er sah das Spiel seiner Mannschaft als "hektisch", "nervös" und "schlampig" und nahm jede Menge Hausaufgaben mit.
Unterdessen warf sich Dortmund-Coach Edin Terzic nach dem Spiel schützend vor seinen Keeper: "Er ist der Grund, warum wir hier heute als Tabellenführer antreten konnten", sagte er. Der Grund für eine verpasste Meisterschaft ist Kobel sicher nicht. Nicht nur weil "das kein Endspiel um die deutsche Meisterschaft war", wie Tuchel sagte. Nur zwei Punkte liegen zwischen dem FC Bayern und dem BVB.
Terzic: "Die Enttäuschung ist groß"
Und doch wirkten die BVB-Spieler nach dem Spiel so niedergeschlagen, als hätten sie ein solches Endspiel verloren. "Die Enttäuschung ist sehr groß", sagte Terzic. Es ist nun seine Aufgabe, dass die Spieler den Blick wieder nach vorne richten.
Wenn die Dortmunder Spieler aus diesem Spiel etwas Positives mitnehmen können, ist es, dass es im Fußball manchmal nur eine Sekunde braucht, damit sich alles ändert.