Niederländische Nationalmannschaft Volle Kontrolle - Gakpo wird zum Gesicht der Elftal
Mit einem Tor und einer Vorlage schoss Cody Gakpo die Niederlande ins Viertelfinale. Es ist kein Zufall, dass der 25-Jährige im System von Koeman voll aufgeht. Der Bondscoach sieht den Flügelspieler als seinen "wichtigsten Spieler".
Eigentlich wollte Cody Gakpo längst nicht mehr auf dem Platz stehen, als er es am Dienstag (02.07.2024) in die Hand nahm, das Achtelfinale endgültig zu entscheiden. Immer wieder hatte er in den Minuten vor dem Treffer zum 2:0 der Niederlande in Richtung Trainerbank signalisiert, er wolle ausgewechselt werden und bei jeder Spielunterbrechung prüfend in Richtung Ronald Koeman geschaut, wann sein Arbeitstag denn nun endlich beendet sein würde.
Koeman über Gakpo: "Er ist der wichtigste Spieler"
"Er war ziemlich müde", erklärte der Bondscoach nach dem Spiel mit einem Lachen und dürfte froh sein, dass er dem Wunsch seines Spielers nicht schon früher stattgegeben hat. Denn als endlich Wout Weghorst an der Seitenlinie bereitstand, flog noch einmal ein Ball in Richtung Gakpo. Der schlaksige Stürmer wand sich im Strafraum um Radu Dragusin herum, widerstand dem kräftigen Körpereinsatz des rumänischen Verteidigers und als dieser dachte, der Ball sei geklärt, kratzte Gakpo ihn von der Linie und bediente den frei stehenden Donyell Malen - 2:0.
"Er ist der wichtigste Spieler unserer Mannschaft. Ich hoffe, dass die anderen auf sein Level kommen", sagte Bondscoach Koeman nach dem Spiel. "Er muss ins Eins-gegen-eins gehen. Er ist so gefährlich, wenn er von außen kommt. Das ist seine große Stärke", sagte der 61-Jährige und wehrte sich vehement gegen den Vorschlag eines Journalisten, den 25-Jährigen wie beim FC Liverpool auch ab und an als Mittelstürmer auflaufen zu lassen. Gakpo sei ein Flügelspieler, insistierte Koeman.
Mit einem Tor und einer Vorlage war Gakpo der entscheidende Spieler in diesem Achtelfinale zwischen den Niederlanden und Rumänien. Der Stürmer war nun an vier der sieben Treffer seiner Mannschaft direkt beteiligt. In allen drei Spielen, in denen die Niederlande getroffen haben, hat Gakpo das erste Tor seiner Mannschaft geschossen.
Gakpo: Auf der Suche nach einer Unachtsamkeit
Richtig elegant wirkt es nicht, wie dieser spindeldürre Mann, der 193 Zentimeter in die Höhe ragt, sich über das Spielfeld bewegt. Ein wenig staksig sind seine großen Schritte, doch sobald er den Ball berührt, merkt man, wie eng er ihn führt, wie er seine Gegner mit einfachen Finten stehen lässt. So auffällig Gakpos Spiel mit dem Ball ist, so unauffällig wird er, wenn sich das Spiel nicht in seine Richtung bewegt. Dann schreitet er mit gesenktem Haupt an der Seitenlinie entlang, genau dorthin, wo ihn Coach Ronald Koeman am liebsten stehen hat. Er wirkt dabei trotz seiner Größe oft so unscheinbar, dass ihn seine Gegenspieler irgendwann aus den Augen verlieren. Es sind genau diese Momente, in denen Gakpo plötzlich aufwacht, die Arme in die Höhe streckt und nur darauf wartet, dass er durch einen Pass in Szene gesetzt wird.
So wie in der 20. Minute, als Andrei Ratiu ihm an der Außenlinie ein bisschen zu viel Platz ließ: Ein genaues Zuspiel von Xavi Simons und schon war Gakpo auf dem Weg. Keine Schnörkel, keine Übersteiger, mit drei kurzen Tippern legte er sich Ratiu und Ball zurecht, um den Verteidiger mit einem leichten Chip zu umspielen und sich selbst den Ball optimal vorzulegen. Aus zwölf Metern knallte er den Ball mit 121 km/h in die Maschen.
Gakpo - ein Sinnbild der Elftal
Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel beschrieb er seinen Treffer dann eher nüchtern: "Guter Ball von Xavi (Simons, Anmerkung d. Red.). Ich konnte gegen meinen Spieler ins Eins-gegen-eins gehen. Das lange Eck war versperrt, deswegen musste ich aufs kurze gehen und das war’s eigentlich", sagte er und zuckte mit den Schultern. Schnell merkt man: Das, was Gakpo da macht, hat Methode. Kein Feldspieler lief weniger als der Angreifer vom FC Liverpool und doch machte keiner so einen Unterschied. Es braucht eben nicht viel, damit er gefährlich wird.
Es ist kein Zufall, dass Gakpo in dieser Offensive mit den Ballzauberern Simons und Memphis Depay Spiel für Spiel der Gefährlichste ist. Er ist das Sinnbild dieser niederländischen Nationalmannschaft, die oft kontrolliert und methodisch vorgeht, abwartend, bis der Gegner sich eine Unachtsamkeit erlaubt, um dann zuzuschlagen. Für die Niederlande war das Achtelfinale gegen Rumänien das erste Mal, dass die Spielidee wirklich aufging. "Unser Mittelfeld stand super. Wie Xavi Simons sich bewegt hat, war großartig", erklärte Koeman und fügte an: "Leider kann ich noch nicht genau erklären, warum wir zuletzt schlecht gespielt haben und jetzt auf einmal so gut."
Niederlande wie bei der EM 1988? Koeman spricht vom Finale
Klar ist für den Trainer jedoch: "Das ist das Level, das wir erreichen wollen. Wenn wir das nicht erreichen, werden wir auch das Finale nicht erreichen", so Koeman. Nun wartet im Viertelfinale die Türkei. Sollte Oranje auch dort eine ähnliche Leistung zeigen wie gegen Rumänien, würden sie schnell den Status eines Mitfavoriten auf den Titel erreichen, den sie im Laufe der Vorrunde ein wenig verloren hatten.
Ein wichtiger Faktor wird im Duell gegen die Türken wieder einmal Gakpo sein. Durch seine drei Treffer steht er gemeinsam mit Jamal Musiala, Ivan Schranz und Georges Mikautadze an Platz eins der Torjägerliste. Bei der vergangenen EM in Deutschland wurde übrigens ein Niederländer Torschützenkönig. Koeman hat das damals als Spieler aus nächster Nähe miterlebt. 1988 schoss ein gewisser Marco van Basten Oranje in Deutschland zum EM-Titel. Doch um diesen Status zu erreichen, müssen bei der EM 2024 noch einige solcher Auftritte folgen - das gilt für diese niederländische Nationalmannschaft ebenso wie für Cody Gakpo.