Trotz Empfehlung Ausbeutung in Katar - FIFA lehnt Entschädigung ab
Die FIFA hatte auf Drängen des norwegischen Verbands eine Untersuchung zur Ausbeutung von Arbeitern in Katar in Auftrag gegeben. Dieser empfahl Entschädigungszahlungen - die FIFA sieht sich aber rechtlich nicht in der Pflicht.
Ende November hatte die FIFA den von ihr beauftragten Untersuchungsbericht veröffentlicht, der bereits Ende 2023 fertiggestellt war. Darin waren Empfehlungen an die FIFA enthalten, darunter auch Entschädigungszahlungen an Arbeiter oder deren Familien, wenn es bei den WM-Vorbereitungen in Katar beispielsweise zu Verletzungen, Todesfällen oder nicht gezahlten Löhnen kam.
Alle Empfehlungen seien bei einer umfassenden Prüfung durch die FIFA und die zuständigen Gremien berücksichtigt worden, teilte die FIFA auf Anfrage der Sportschau mit. Doch "nicht alle Empfehlungen" konnten umgesetzt werden. "Es ist anzumerken, dass die Studie keine rechtliche Beurteilung der Pflicht zu Entschädigungen darstellt", so die FIFA.
Arbeiter bei Bau des Al-Bayt-Stadions (Aufnahme vom 5. Januar 2017)
Bericht stellt Mitverantwortung der FIFA für Ausbeutung von Arbeitern fest
Der von der Organisation "Human Level" erstellte Bericht kritisiert beispielsweise, dass zahlreiche Arbeitsmigranten bei den WM-Vorbereitungen unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten. Sie waren mit extremer Hitze, langen Arbeitszeiten, schlechten Unterkünften und unregelmäßigen Lohnzahlungen konfrontiert. Zudem mussten viele Arbeiter hohe Rekrutierungsgebühren zahlen, was sie in eine Schuldenfalle trieb.
Der Bericht kritisiert, dass die FIFA zwar mit den katarischen Behörden zusammengearbeitet habe, aber nicht genügend getan habe, um diese Missstände zu verhindern. Die FIFA habe ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte nicht erfüllt.
Ein zentrales Thema ist die fehlende Entschädigung für betroffene Arbeiter. Der Bericht hebt hervor, dass viele Arbeiter, die Verletzungen oder sogar Todesfälle erlitten haben, bislang keine angemessene Entschädigung erhalten haben. Die FIFA meldete im Zusammenhang des Turniers Einnahmen von mehr als sieben Milliarden US-Dollar.
FIFA-Präsident Gianni Infantino (l.) Übergibt mit Scheich Tamim bin Hamad Al Thani (M.) 2022 den WM-Pokal an Argentiniens Lionel Messi.
Vorsitzender von FIFA-Ausschuss für Menschenrechte spricht von "Enttäuschung"
Michael Llamas ist Präsident des Fußballverbands von Gibraltar und steht dem FIFA-Unterausschuss für Menschenrechte und soziale Verantwortung vor. Dieses Gremium hat unter seiner Leitung dem Dokument zufolge auch die Empfehlung des Berichts unterstützt, dass die FIFA Entschädigungen leisten soll.
"Es ist klar, dass die Entschädigung eines der Ergebnisse war, auf das die Menschen und die Zivilgesellschaft gewartet haben. Das ist nicht geschehen", sagte Michael Llamas bei "GBC News", einem lokalen Fernsehsender in Gibraltar. "Natürlich gibt es darüber große Enttäuschung" sagte er zur Folgerung der FIFA, keine Verpflichtung zu sehen. Das Thema sei jedoch "komplex". Die Arbeit seines Gremiums sehe er aber nicht als "untergraben".
Neuendorf 2023: "Wir sind in der Verantwortung"
DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte bei einer Podiumsdiskussion in Köln im Januar 2023 gesagt, dass FIFA-Präsident Gianni Infantino Entschädigungszahlungen zugesichert habe. "Wir wissen aber nicht genau, wie es funktionieren soll. Das ist jetzt auch Aufgabe von uns, nicht zu sagen, die WM in Katar ist vorbei und unser Blick richtet sich auf andere Großereignisse im Fußball. Das darf hier nicht passieren." Neuendorf sagte damals: "Wir müssen jetzt gucken, werden sie (Entschädigungen, die Redaktion) tatsächlich umgesetzt und wie werden sie umgesetzt, da sind wir in der Verantwortung."
Bei einer Medienrunde Anfang Dezember 2024, als er seine Unterstützung für die WM-Bewerbung Saudi-Arabiens erklärte, sagte Neuendorf: "Es ist mit Blick auf die FIFA ein Fortschritt, dass sie den Bericht vorgelegt hat." Es sei ein Fingerzeig Richtung Saudi-Arabien, in welche Richtung man in den kommenden zehn Jahren arbeiten sollte. Zur Einschätzung der FIFA bei der fehlenden Verpflichtung zur Leistung von Entschädigungen äußerte sich Neuendorf bei der Medienrunde nicht. Eine aktuelle Anfrage der Sportschau dazu kommentierte der DFB ebenfalls nicht.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf
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"Legacy Fund" der FIFA bezieht sich nur auf die Zukunft
Der Bericht von "Human Level" legt nahe, den sogenannten "Legacy Fund" für die WM 2022 der FIFA für Entschädigungszahlungen zu nutzen. Kurz vor Veröffentlichung des Berichts publizierte die FIFA jedoch die geplante Nutzung des Fonds mit seinen 50 Millionen US-Dollar: Er soll für auf die Zukunft gerichtete soziale Initiativen in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation, der Welthandelsorganisation und der UNO-Flüchtlingskommission genutzt werden. Eine Nutzung im Rückblick für Entschädigungen ist demnach nicht vorgesehen. Die FIFA schreibt auf Anfrage, sie sei davon überzeugt, dass der Fonds "eine pragmatische und transparente Initiative ist, die soziale Programme umfasst, um den bedürftigsten Menschen auf der ganzen Welt zu helfen".
Die FIFA verweist auf Anfrage der Sportschau zudem auf ein staatliches Programm in Katar in Höhe von 350 Millionen US-Dollar, über das Arbeiter demnach Geld beantragen können. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatten 2022 kritisiert, dass der Zugang zu diesem Geld für die Arbeiter oder ihre Hinterbliebenen mit erheblichen Hindernissen verbunden sei. Dazu gehöre, dass katarische Behörden den Großteil der Todesfälle offiziell als "natürlichen Tod" registriert hätten und dann eine Entschädigung entfalle. "Zudem ist es geradezu unmöglich für Arbeiter oder ihre Familien, in Katar Geld zu beantragen, nachdem sie in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind."
Katars Arbeitsminister Scheich Ali bin Samikh Al Marri verwies bereits 2022 ebenfalls auf das staatliche Programm und bezeichnete gegenüber der Nachrichtenagentur AFP die damals diskutierte Einrichtung eines weiteren Kompensationsprogramms durch die FIFA als "PR-Stunt".
Arbeiter auf einer Bausstelle eines Stadions der WM 2022 in Katar (2019)