Nach dem Weltcup in Oberhof Wer bremst, gewinnt – Rodel-Weltverband will auf Wetter-Lotterie reagieren
Wie kommt man als Rennrodler in einer butterweichen Eisrinne zum Sieg? Durch Bremsen. Klingt komisch, war am Wochenende aber so. Auf Kritik der Athleten und Trainer will der Verband nun mit einer Regeländerung reagieren.
Kuriose Szenen auf der Rennrodelbahn in Oberhof. Dort, wo die besten Athletinnen und Athleten mit Geschwindigkeiten von bis zu 120 Stundenkilometern ins Tal rasen. Dort, wo es am vergangenen Wochenende um wichtige Punkte für die Weltcupwertung ging. Dort, wo am Wochenende frenetische Stimmung war.
Kommentator Kunze: "Hat er die Füße unten?"
Dort bremsten die besten Fahrer. Wie Olympia-Silbermedaillengewinner Wolfgang Kindl aus Österreich. Bei 117 km/h verlangsamte er im Einsitzer-Rennen am Sonntag (11.02.2024) seine Fahrt plötzlich. "Hat er die Füße unten? Hat er die die ganze Zeit unten? Unglaublich", wunderte sich ARD-Kommentator Thomas Kunze und fragte beim Anblick der Zeitlupe ungläubig: "War es ihm zu schnell?"
Langenhan: "Superschwer"
Nein, Kindl nahm ganz bewusst die Füße runter. So, wie später auch der Deutsche Max Langenhan. Aus taktischen Gründen. Um die Eisrinne, die bei Temperaturen deutlich über Null butterweich war, auszutricksen. Der Plan: Mit einer schlechten Zeit aus dem ersten Durchgang darfst Du im zweiten Lauf zeitiger ran und profitierst dann von besseren Verhältnissen. "Es war sehr, sehr schwer", beschrieb Langenhan seine Fahrt in der warmen Eisrinne: "Man merkt sofort, wenn man losfährt, dass man superschwer im Eis drinsteht, weil die Oberfläche superweich ist."
Gleirscher von 23 auf drei
Für Langenhan lohnte sich das Bremsmanöver. Nach Rang sieben im ersten Lauf fuhr er im Finale noch aufs Podest. Der Sieg ging an den Letten Kristers Aparjodas, der von Rang 17 auf eins fuhr. Rang drei holte der Österreicher David Gleirscher, der sich im ersten Lauf auf Rang 23 bremste und im Finale schon zeitig ran durfte. Der Schwede Svante Kohala dagegen, Spitzenreiter nach dem ersten Durchgang, wurde im Finale auf Platz 15 durchgereicht.
Bremsen als neues Rodel-Element?
Gehört das Bremsen im ersten Lauf also künftig zum Repertoire der besten Rennrodler? "Ein bisschen zocken muss man bei dem Wetter", lachte Langenhan. "Es war ein Lotteriespiel. Die Männer haben taktiert", sagte der deutsche Bundestrainer Norbert Loch schon deutlich ernster.
Bilder schaden Außendarstelllung
"Der Sport ist Taktik", beschwichtigt Matthias Böhmer, Sportdirektor des Weltverbandes FIL, im Sportschau-Gespräch und erklärt: "Andere fahren mit verschiedenem Material anders eingestellt. Das gehört dazu." Doch auch Böhmer weiß, dass Bilder von taktierenden und bremsenden Top-Athleten für die Außendarstellung seiner Sportart nicht gerade förderlich sind. "Wenn das Wetter so ist, wie heute, ist es nie ganz fair. Wir hätten die Möglichkeit, im Reglement Änderungen vorzunehmen", sagt der frühere Rennrodler und Bobpilot.
Norbert Loch: "Wir sollten das ändern"
Und damit spricht er einen Wunsch der Athleten und Trainer an. "Wir kennen das aus anderen Sportarten wir Ski alpin, wo die Top-Athleten im ersten Lauf ganz vorn fahren", zieht Norbert Loch Vergleiche und fordert: "Ich glaub, das sollten wir auch ändern." Langenhan denkt dabei auch an seine Position als Gesamtführender im Weltcup: "Wir wollen den Weltverband darauf hinweisen, dass man vielleicht die Startreihenfolge ändern sollte, dass der Gesamtweltcup nicht so in Mitleidenschaft gezogen wird durch solche Wetter-Rennen."
FIL-Sportdirektor Böhmer: "Das steht auf der Agenda"
Nach zwei Wochenenden in Folge, in denen warmes Wetter den Eisrinnen in Altenberg und Oberhof schwer zu schaffen machte, will der Weltverband nun regieren. Das verspricht Böhmer. "Jetzt haben wir schon die zweite Woche mit diesen Wetterkapriolen. Das steht schon auf der Agenda und wird definitiv behandelt", kündigt Böhmer eine Entscheidung der Instanzen im Verband an. Denkbar wäre, dass im ersten Lauf immer die besten 15 des Weltcups zu Beginn starten und damit bessere Verhältnisse haben. Bisher wird die Startreihenfolge nach Startergruppen ausgelost, die besten Athleten starten dabei in der mittleren Gruppe. Bei schlechten Wetterbedingungen ist man also auch vom Glück abhängig.
"Nicht mit den Regeln jonglieren"
Allerdings, das schränkt Böhmer ein, soll es dann keinen permanenten Wechsel zwischen verschiedenen Startreihenfolgen geben. "Grundsätzlich bin ich dagegen, mit den Regeln zu jonglieren, und jede Woche etwas anderes zu machen. Bei einer Abseitsregel entscheide ich auch nicht diese Woche so und diese Woche so."