In dieser Woche beginnt der Weltcup Rennrodeln: Mit 51 Änderungen in den neuen Winter
Am Wochenende geht die Rennrodel-Saison los. Im norwegischen Lillehammer werden ab Freitag Weltcuppunkte vergeben. Gut möglich, dass die Sportler in den vergangenen Wochen nicht nur ihren Schlitten - sondern auch das Regelwerk intensiv studiert haben. Da drin gibt es nämlich viele Änderungen.
Die Vorbereitung auf die Rennrodel-Saison war für die Weltcupstarter in diesem Winter nicht nur körperlich herausfordernd wie jedes Jahr. Diesmal war auch ein besonderes Maß geistiger Fitness gefragt. 51 – in Worten einundfünfzig (!) - Regeländerungen stehen in der 134 Seiten dicken "Internationalen Rennrodel-Ordnung Ausgabe 2024".
Präsident Fogelis: "Schlittenstandardisierung und Attraktivität"
"Ja, 51 Regeländerungen sind schon viel, Aber das splittet sich in sportliche und technische Regeländerungen auf", lacht Matthias Böhmer, Sportdirektor beim Weltverband FIL, im Sportschau-Interview. FIL-Präsident Einars Fogelis nennt die beiden Oberthemen, unter denen die Änderungen stehen: "Erstens geht es in Richtung Schlittenstandardisierung. Die Schlittenteile müssen standardisiert sein. Zweitens geht es um die Attraktivität. Wir bekommen eine neue Disziplin mit mehr Möglichkeiten für die Sportler und mehr Spannung für die Zuschauer."
Sportdirektor Böhmer: "Drei prägnante Änderuingen"
Die prägnantesten Änderungen aus sportlicher Sicht sind laut Böhmer, "dass wir den Sprint-Wettbewerb abgeschafft haben, dass wir dafür einen Mixed-Wettbewerb einführen. Das Zweite ist, dass wir die Startreihenfolge im Weltcup angepasst haben. Das Dritte ist, die Teamstaffel, unser Top-Produkt, wird anders und wesentlicher interessanter werden."
Mixed ersetzt Sprint
Der Mixed-Wettkampf, der den Sprint ersetzt, wird sowohl bei den Einsitzern als auch den Doppelsitzern gefahren. Je ein Einsitzer-Mann und eine Einsitzer-Frau bzw. ein Doppelsitzer-Schlitten der Männer und Frauen bilden ein Team. Bei den Einsitzern fahren die Männer vom Herrenstart und müssen im Ziel ein Touchpad berühren. Dann geht am Damenstart ein Tor auf und die Einsitzer-Frau kann die Eisrinne runterfahren. Die Besonderheit: Ein Mixed-Team können auch Athleten aus unterschiedlichen Ländern bilden.
"Unser Ziel war, uns zu öffnen, alle zu integrieren und einfach ein bisschen diverser zu werden", erklärt Böhmer. Für kleine Nationen ergibt sich so die Möglichkeit, überhaupt an einer Staffel teilzunehmen. "Wir haben für Lillehammer Meldungen von Nationen, die noch nie an einer Teamstaffel teilgenommen haben", so Böhmer. Größere Nationen dürfen zwei Teams an den Start bringen.
Taubitz: "Das wird spannend"
Einen ersten Teamstaffel-Test hat Julia Taubitz hinter sich. Der vierfachen Gesamt-Weltcupsiegerin haben die ersten Läufe nur drei Tage vor dem Saisonauftakt im norwegischen Lillehammer "Spaß gemacht", wie sie bei Sport im Osten vom MDR sagte. "Es hat alles funktioniert. Es ist auch cool, die Männer kommen von oben vorbeigesaust. Und dann saust Du hinterher. Das wird sehr spannend", freut sich die Sächsin.
Vize-Weltmeisterin Maag: "Ein bisschen traurig"
Taubitz ist mit der Abschaffung des Sprint-Wettkampfes auch die letzte Sprint-Weltmeisterin in der Rodel-Geschichte. Gemischte Gefühle beim Wegfall des Sprints, der unter anderem gestrichen wurde, weil das Internationale Olympische Komitee eine Olympia-Aufnahme verweigert hat, spürt Natalie Maag. Einerseits wurde die Schweizerin Vize-Weltmeisterin auf der Kurzdistanz: "Ein bisschen traurig bin ich schon. Aber ich muss auch sagen, vor der WM mochte ich den Sprint gar nicht. Das kam erst mit der Medaille."
Andererseits: Die einzige Schweizer Weltklasse-Athletin darf jetzt auch in einem Team-Wettkampf starten. "Ich glaube, das gibt unserer Sportart nochmal großen Aufschwung. Und ich freue mich drauf, selbst Team-Emotionen zu haben." Einen Mixed-Partner hat die 26-Jährige auch schon: Die einzige Schweizerin bildet mit Alexander Ferlazzo, dem einzigen Australier, ein Team.
Neue Startreihenfolge: "War ein dreifacher Jesus-Film"
Eine weitere Regeländerung soll Bilder aus dem vergangenen Winter verhindern: Bei einigen Rennen mit warmen Bedingungen haben gute Rodler absichtlich gebremst, um im zweiten Lauf eine bessere Startposition zu haben. Diese Bilder waren keine Werbung für den Sport. Daher, so Böhmer, "ist jetzt alles wesentlich komprimierter, kürzer, attraktiver für die Zuschauer." Im ersten Lauf werden die besten Zwölf des Weltcups direkt hinter die besten Fünf des Nationencups (der Qualifikation für die Nicht-Vorqualifizierten) gelost. Im zweiten Lauf wird das Feld das Feld auf 20 Starter im Einsitzer und 18 im Doppelsitzer reduziert. "Das war auch zwingend nötig. Unser Weltcup teilweise war ja ein dreifacher Jesus-Film, der da abgelaufen ist", lacht Böhmer.
Teamstaffel mit Reaktionsstart
In der letzten großen sportlichen Änderung geht es um den so genannten Reaktionsstart in der Teamstaffel. "Seit zehn Jahren haben viele Leute dafür gekämpft. Und dieses Jahr haben wir es mit viel Aufwand hinbekommen, dass bei der Teamstaffel das Tor vor dem ersten Schlitten geschlossen ist", erklärt Böhmer und freut sich auf den Ampelstart mit zunächst geschlossenem Starttor: "Das gibt der Teamstaffel das gewisse Etwas."
Kontroverse über Schlittenänderungen
Während sich die Athletinnen und Athleten mit den sportlichen Änderungen anfreunden können, werden die technischen Regeländerungen sehr kontrovers diskutiert. Bis zu den Olympischen Spielen sollen weitgehend vereinheitlichte Schlitten durch die Eisrinne jagen: "Ich bin da sehr kritisch. Wir werden jetzt schon extrem eingeschränkt", ärgert sich beispielsweise Natalie Maag, die mit dem deutschen Team und auf deutschem Material trainiert. "Am Anfang war ja gedacht, dass wir komplette Einheitsschlitten bekommen. Aber die Wanne, das unsere zweite Haut, da muss jeder reinpassen."
"Gewisse Gleichwertigkeit" ab Olympia-Winter
Im anstehenden Winter betreffen die Änderungen nur einzelne Elemente wie der Bockwinkel oder die Kufenhörnchen. Ab dem Olympiawinter 2025/2026 sollen die Schlitten dann jedoch stark vereinheitlicht werden. Aus Gründen der Chancengleichheit, wie Böhmer betont. Der 34-jährige einstige Athlet erklärt: "Die Kosten steigen ins Unendliche. Und die Ingenieursentwicklung, das ist das Problem. Da sind die fünf, sechs großen Nationen massiv im Vorteil." Der Mann aus Königssee betont, dass die Schlitten individuell bleiben sollen: "Also es muss nur individuelle Einheiten geben, zum Beispiel die Sitzschale oder auch verschiedene Kufeneinstellungen. Aber dann was Anbauteile, Stahlteile, Frästeile zum Beispiel betrifft, da kann man mit einheitlichen Maßen schon eine gewisse Gleichwertigkeit schaffen."
Das ist noch Zukunftsmusik – und ein Hinweis darauf, dass auch im Olympiawinter viele Änderungen zu erwarten sind. Dann vielleicht sogar mehr als 51.