DSV-Sportdirektor Horst Hüttel "Ohne Wettkämpfe würde unser System zusammenbrechen"
Klingenthal richtet nun doch einen Weltcup der Nordischen Kombinierer aus. DSV-Sportdirektor Horst Hüttel ordnet im Sportschau-Interview ein, wie wichtig das für die Disziplin und den deutschen Wintersport ist.
Am Dienstag vermeldeten die Klingenthaler Weltcup-Organisatoren grünes Licht: Die Sachsen können den Weltcup in der Nordischen Kombination am kommenden Wochenende durchführen - und springen als Ausrichter für den französischen Ort Chaux-Neuve ein. Eine Woche zuvor musste Klingenthal noch selbst als Veranstalter absagen, weil es zu warm war.
Für die Nordischen Kombinierer war das ein Grund zum Aufatmen. Aus den befürchteten zwei Wochenenden erzwungener Weltcup-Pause wurde so nur eines. Auch Horst Hüttel freut sich aus mehreren Gründen auf die Wettbewerbe. Auch weil sie für ihn, der im Norden Bayerns unweit der Grenze zu Sachsen aufwuchs, immer so etwas wie ein Heimspiel seien. Viele Freunde und Bekannte werden da sein, erzählt der Sportdirektor für die Disziplinen Skisprung und Nordische Kombination im Deutschen Skiverband (DSV).
sportschau.de: Herr Hüttel, wie wichtig ist es für die Nordische Kombination, dass dieses Weltcup-Wochenende in Klingenthal nun stattfinden kann?
Horst Hüttel: Ich denke mal, es ist für den ganzen Wintersport wichtig, dass so viel Wettkämpfe so planmäßig wie möglich durchgeführt werden können. Von der Seite her wäre es schon bitter gewesen, wenn wir jetzt so ein Loch gehabt hätten. Letzten Endes lebt ja auch der Sport von einem gewissen Rhythmus – ob das in den normalen Ligen so ist oder auch bei uns jedes Wochenende im Weltcup. Von der Seite her sind wir natürlich schon sehr froh, dass jetzt grünes Licht seitens des OK Klingenthal gegeben wurde.
sportschau.de: Sie sprechen es an, es wären zwei Wochen ohne Weltcup – da wäre man vielleicht auch schnell aus den Köpfen der Zuschauer gewesen.
Hüttel: Richtig, genau. Und es stehen für die Athleten ja auch noch die Qualifikationen für die Weltmeisterschaften an. Daher ist es schon wichtig und wir freuen uns sehr auf Klingenthal. Wir werden am Wochenende auch eine nationale Gruppe einsetzen.
sportschau.de: Für Klingenthal gehen die Anstrengungen nach dem Zuschlag aber erst los, nach allem, was man so hört. Vor einer Woche musste der Ort ja selbst den Weltcup absagen, weil es zu warm war. Klappt nun alles?
Hüttel: Im Moment gehen wir davon aus. Wir hatten am Dienstag ein Online-Meeting mit Alexander Ziron, dem Chef des Organisationskomitees, den Verantwortlichen der TV-Produktion und der FIS (Internationaler Skiverband). Alexander Ziron meinte: Es ist schon ein gewisser Kraftakt in den nächsten Tagen notwendig. Man hat aber am Dienstag eine Entscheidung treffen müssen und die Prognosen sind so, dass man Schnee produzieren kann. Stand heute würde es nicht gehen, aber man geht jetzt einfach davon aus, dass an den nächsten drei Tagen planmäßig beschneit werden kann. Dann will man noch Schnee von einem Skihang aus Johanngeorgenstadt holen. Also, man betreibt seitens des Veranstalters schon einen sehr hohen Aufwand.
sportschau.de: Im warmen Januar standen schon weitere Weltcups auf der Kippe. Als DSV haben sie den Nachtslalom in Garmisch-Partenkirchen oder die Biathlon-Woche in Ruhpolding durchgebracht. Helfen Ihnen diese Erfahrungen?
Hüttel: Ja, definitiv. Und es wird auch die Strategie der Zukunft sein: über Snowfarming, also das Übersommern von Schnee, gewisse Sicherheiten herzustellen über alle Disziplinen hinweg. Das Ganze hat natürlich auch irgendwo sein Limit: Im Alpinbereich ist es deutlich schwieriger für eine Vier-Kilometer-Abfahrt mit 40 Metern Breite. Im Skispringen funktioniert es dagegen noch am einfachsten, da man auch wie jetzt beim Weltcup-Beginn in Wisla ohne Schnee einen Weltcup durchführen kann. Da hat sich das Reglement verändert in der FIS, wir können hier Hybrid mit Eis und Matte durchführen. Und für die laufenden Disziplinen muss man einfach schauen, dass man über Snowfarming im Vorfeld der Weltcups für Stabilität sorgt, denn die Kältefenster für die klassische Beschneiung mit Kunstschnee vor Ort werden leider immer kürzer.
sportschau.de: Wird Snowfarming also der Schlüssel in den nächsten Jahren sein, um weiter sicher Wintersport-Wettbewerbe in Deutschland durchführen zu können?
Hüttel: Ich glaube, dass Snowfarming alternativlos ist. Es wird ja schon seit etlichen Jahren so praktiziert, dass man den Schnee übersommert. Aber natürlich muss man hier kreativ sein und muss auch letzten Endes mit einem spitzen Bleistift durchrechnen, was am Ende die bessere Variante ist. Ich meine, das Schlimmste wäre, dass keine Wettkämpfe stattfinden, weil dann würde unser System zusammenbrechen.
Da hängt auch der ganze Nachwuchs daran: Es werden ja in den ganzen Wintersport-Zentren über die Vereine hauptamtliche Vereinstrainer finanziert – beispielsweise auch an den beiden Vierschanzentournee-Orten Oberstdorf und Partenkirchen. Deswegen ist es einfach wichtig, dass wir weiterhin unsere Wettkämpfe so gut wie möglich durchführen können. Es geht dabei nicht nur um die Weltcups, sondern auch um die nationalen Wettkämpfe wie Deutschlandpokal oder Schülercups.
sportschau.de: Im Weltcup funktioniert das zumindest sehr gut. Denn dort ist zumindest wie im Fall Klingenthal erkennbar, dass einerseits aufgrund der warmen Temperaturen gerade immer wieder Wettbewerbe in allen Disziplinen ausfallen müssen, aber dafür springen auch regelmäßig andere ein.
Hüttel: Das liegt daran, dass unser Sport – und das ist ja das Gute – einfach nach wie vor lukrativ ist und wir haben ja nach wie vor tolle TV-Quoten. Am Sonntag habe ich gesehen, dass Skispringen und Biathlon zwischen vier und fünf Millionen TV-Zuschauer an den Bildschirm lockt. Das zeigt uns, dass wir nach wie vor attraktiv sind und dass uns die Fans sehen wollen.
sportschau.de: Trotzdem hat die Nordische Kombination eine schwierige Saison. Sie kämpft seit der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) im Sommer, die Frauen nicht für Olympia 2026 zuzulassen, ums Überleben. Gibt es da inzwischen Neues aus den Gesprächen mit FIS und IOC?
Hüttel: Wir arbeiten daran. Letzten Endes wird dieser Prozess aber kein Hundert-Meter-Sprint werden, das wird eher ein Marathon, weil die Entscheidung, wie es weitergeht, wird erst nach den Olympischen Spielen 2026 fallen. Wir sind über unseren Renndirektor Lasse Ottesen weiter in Kontakt mit dem IOC. Und wir hoffen sehr, dass der Programmdirektor Kit McConnell zur Weltmeisterschaft nach Planica kommen wird, um sich selbst ein Bild davon zu machen – auch von unserer Premiere des Mixed-Wettkampfes in der Nordischen Kombination.
Die FIS forciert weiterhin die Nordische Kombination, das muss in diesem Zusammenhang auch mal erwähnt werden. Aber das IOC sieht nach wie vor Dinge kritisch. Wir sind da in einem Prozess mit dem IOC mit einem aus meiner Sicht offenen Ende. Jetzt müssen wir auf jeden Fall alles daran setzen, um alle Argumente gegen uns zu entkräften.