Wintersport-Podcast der Sportschau Lena Dürr - "Es wäre schön, wenn man mehr auf uns hört"
WM-Bronze nach Olympia-Enttäuschung: Für Skirennläuferin Lena Dürr begann das Jahr 2023 beinahe perfekt. Anlässlich der DSV-Sommereinkleidung erinnert sich Dürr im Wintersport-Podcast der Sportschau an ihren Medaillen-Lauf und spricht unter anderem über ihr Sommertraining. Kritisch äußert sich die 31-Jährige zur generellen Entwicklung des Ski-Weltcups.
Sportschau: Lena Dürr, im Rückblick auf deinen WM-Lauf zu Bronze: Kribbelt es da immer noch?
Lena Dürr: Ja, ich habe es mir tatsächlich schon ein paar Mal angeschaut. Da kommen die Gefühle sofort wieder hoch, es war ein ganz schönes Zittern am Schluss und ich habe gehofft, dass ich unter den ersten Drei lande und es nicht so endet, wie es im Vorjahr bei Olympia war. So hat es ja anfangs ausgesehen. Aber so war ich froh, dass ich dann ganz knapp Platz drei gewonnen habe.
Sportschau: Nach dem Gewinn der WM-Bronze-Medaille – wie ging es für dich weiter?
Dürr: Am Tag selber ist es natürlich schon turbulent. Das Schöne war, dass wir am Abend dann noch die große Siegerehrung hatten. Das ist vor allem bei solch einem Rennen immer etwas Spezielles, wenn man nicht "nur“ diese Siegerehrung direkt im Ziel hat, sondern mal mit ein paar Stunden Abstand am Abend nochmal diese große Ehrung bekommt. Da war die ganze Mannschaft da und wir haben auch danach noch gefeiert und das rundet so einen Tag dann einfach ab.
Sportschau: Bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking hast du nach dem ersten Durchgang geführt und dann doch haarscharf eine Medaille verpasst. Wie war dein Umgang damit und wie hast du es geschafft, sogar gestärkt aus dieser schwierigen Phase hervorzugehen?
Dürr: Das war ein Prozess, den ich durchmachen musste. Ich glaube, ich musste durch genau das alles so durch, damit ich mit diesem guten Gefühl am Start stehe, dass ich jetzt habe. Wenn die Rennergebnisse nicht passen, muss man sich da einfach durchkämpfen, immer daran glauben, dass da noch mehr ist. Ich habe gewusst, ich kann es bis ganz vorne schaffen. Und das ist glaube ich das Wichtige: Du musst für dich selbst wissen, was der Antrieb ist, dann kommt man auch durch die schwierigen Phasen durch – und wird irgendwann belohnt.
Sportschau: Der Wintersportler wird ja im Sommer gemacht, es wird hart trainiert. Wie gehst du die neue Saison an? Alles wieder "auf Null"?
Dürr: Für mein Gefühl, ja. Es war letztes Jahr schon so, dass ich Bedenken hatte, ob ich alles wieder so hinbekomme, dass ich es aufs Podium schaffe und einen Weltcup-Sieg erreiche. Für mich ist das Skifahren wie ein Puzzle – es müssen viele Teile zusammenpassen und du weißt nie: 'Kriege ich das Puzzle auch für den nächsten Winter wieder hin?‘. Wir werden wieder neue Sachen ausprobieren, nicht zurückdenken und rekonstruieren: Was habe ich letzten Sommer gemacht? Ich glaube, dass das nicht zum Ziel führt. Lieber neue Herausforderungen und neue Wege finden.
Sportschau: Neue Herausforderungen und neue Wege – wie setzt du das konkret um, wie sieht dein Sommertraining aus?
Dürr: Als Skifahrer muss man relativ breit aufgestellt sein. Mein Trainingsplan sieht wirklich ganz variabel aus: Ich versuche, ein bisschen Tennis zu spielen, natürlich die klassischen Einheiten, Krafteinheiten, Ausdauereinheiten, Rumpfstabilität – alles was für einen Skifahrer wichtig ist. Aber drumherum versuchen wir schon, viele verschiedene Sachen auszuprobieren. Downhill-Biken und beispielsweise zuletzt auch Turnen.
Sportschau-Experte Felix Neureuther: Lena, wie du sicher weißt, bin ich im Sommer extrem gerne in den Kraftraum gegangen. Wie sieht das bei dir aus, bist du immer noch motiviert, im Kraftraum zu sein oder könnte es mittlerweile für dich etwas weniger sein?
Dürr: Lieber Felix, ich höre da leichte Ironie in deiner Stimme (lacht). Tatsächlich macht es mir immer noch Spaß, weil es sehr vielfältig ist. Es gibt natürlich Einheiten, die tun mehr weh als andere. Aber man hat dieses große Ziel vor Augen und weiß eben, wofür man es macht. Es gibt selten Momente, in denen ich mir denke: 'Jetzt habe ich absolut keine Lust auf Training‘.
Sportschau-Experte Felix Neureuther: Was würdest du am Ski-Weltcup gerne ändern?
Dürr: Der Sport war früher viel mehr der Sport. Das ist schon ein bisschen verloren gegangen. Aber das ist wohl auch das Zeichen der Zeit, dass viel drumherum passiert und der reine Sport nicht den ersten Stellenwert hat. Ich habe das für mich akzeptiert, weil ich weiß, dass es in vielen Bereichen nicht möglich ist, seine Wünsche oder Meinungen kundzutun oder auch umzusetzen. Auf der anderen Seite wäre es schön, wenn man wieder mehr auf uns hört, weil wir am Schluss diejenigen sind, die am Start stehen und den Hang herunterfahren.
Aber: Im Rennkalender spielen so viele Interessen rein, da ist es als Sportler schwierig, alle Seiten zu sehen – was passiert außen herum, wie ist das ganze Konstrukt aufgebaut? Um viele Sachen kommt man nicht herum. Aber es gibt sicher viele Kleinigkeiten, bei denen man sagen muss: 'Okay, der Sport ist einfach immer noch der Sport‘.