Greenwashing beim Ski-Weltverband? FIS-Präsident Eliasch bleibt stur trotz neuer Vorwürfe
Johan Eliaschs Kritiker werfen dem Präsidenten des Ski-Weltverbandes FIS mitunter vor, stur und kritikunfähig zu sein. Auf dem online abgehaltenen FIS-Kongress am Donnerstag (25.05.2023) war gut zu sehen, was sie meinen könnten.
"Unsere Kritiker haben uns des Greenwashings bezichtigt - eine komplett unsinnige Anschuldigung", sagte Eliasch. Und er wiederholte sein Mantra: "Wir können uns stolz den ersten klimapositiven internationalen Sportverband nennen."
Zu besagten Kritikern zählen immerhin rund 500 aktive Athletinnen und Athleten, darunter Rekordsiegerin Mikaela Shiffrin, die in einem offenen Brief mehr Klimaschutz von der FIS gefordert haben. Greenpeace sprang ihnen bei und forderte, das "dreiste Greenwashing" zu beenden.
Gemeint ist dabei die Behauptung, die FIS sei klimapositiv, also durch ihr Wirken gut für das Klima - trotz Flügen, Autofahrten, Kunstschnee und Expansionsplänen in aller Welt. So hat der Verband beispielsweise kürzlich eine Skihalle in Ägypten zum Sieger der World Snow Day Awards gekürt, dotiert mit umgerechnet 10.300 Euro. "Johan Eliasch erweist sich ein für alle Mal als Greenwashing-Weltmeister", twitterte Ursula Bittner von Greenpeace nach Eliaschs Kongress-Rede.
Greenpeace-Vorwurf: CO2-Abdruck viel zu gering kalkuliert
Greenpeace und die Organisation Protect our Winters (PoW) hatten kurz vor dem Kongress nachgelegt. Die Umweltschutzorganisationen hatten den CO2-Fußabdruck der alpinen FIS-Wettbewerbe nachrechnen lassen - und kamen zu einem deutlich anderen Ergebnis als der Weltverband selbst. Demnach würden allein die vier großen Rennen in Kitzbühel, Schladming, Adelboden und Sölden bereits 85 Prozent der Menge an CO2 ausstoßen, die die FIS für all ihre Alpin-Events berechnet hat.
Greenpeace und PoW werfen der FIS nun vor, ihren C02-Abdruck "realitätsfern und viel zu gering" kalkuliert zu haben. Denn zu den vier genannten Rennen, die schon fast den Wert der FIS-Rechnung erreichen, kämen noch mehr als 30 weitere Weltcups und hunderte andere Rennveranstaltungen hinzu.
FIS-Regenwaldinitiative bleibt nebulös
Auf diesen konkreten Vorwurf hat die FIS noch nicht reagiert. Aber auch unabhängig davon, welche Zahlen nun näher an der Realität liegen: Wie die Kompensierung in Zahlen aussehen soll, bleibt unklar. Beim Schutz des Regenwaldes setzt die nebulöse FIS-Regenwald-Initiative auf eine Zusammenarbeit mit der Organisation Cool Earth, deren Mitbegründer und Vorsitzender Eliasch selbst ist.
Wie viel Geld fließt zwischen FIS, FIS-Regenwaldinitiative und Cool Earth, ist unbekannt. Zudem schreibt Cool Earth selbst auf seiner Webseite, dass die eigene Vorgehensweise inkompatibel sei mit den komplexen Anforderungen einer CO2-Zertifizierung.
Neue Nachhaltigkeits-Direktorin bei der FIS
Indem Eliasch trotz allem an der Klimapositiv-Behauptung festhält, verspielt er weiter Glaubwürdigkeit, auch bei Schritten, die möglicherweise tatsächlich in Richtung echter CO2-Reduzierung gehen. So hat die FIS in der Umweltsoziologin Susanna Sieff erstmals eine Nachhaltigkeits-Direktorin eingestellt. Zudem sprach Eliasch von einem neuen Werkzeugkasten, der Organisatoren helfen soll, den Fußabdruck ihrer Events zu reduzieren.
Europäische Opposition formiert sich
Eliasch scheint sich unantastbar zu fühlen - und geht gestärkt aus dem Kongress heraus. Die Opposition, angeführt von den großen Verbänden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, hatte kurz vor dem Kongress noch die Muskeln spielen lassen. Die Organisation der Alpenländer-Skiverbände (O.P.A.) erweiterte sich um sechs Länder, teilweise aus dem Norden: Finnland, Kroatien, Norwegen, Polen, Schweden und Ungarn sind beigetreten.
Die Europäer wachsen immer enger zusammen zu einem Gegengewicht zur FIS. Eine Eskalation bis hin zu Konkurrenzwettbewerben ist weiterhin denkbar.
Unsicherheiten durch kurzfristigen Rennkalender
Mit einer Neuwahl wäre Eliasch aktuell wohl nicht vom Thron zu stoßen. Das hat der Kongress gezeigt und war vermutlich auch ein Grund dafür, dass Deutschland, Österreich, Kroatien und die Schweiz ihre Klage gegen Eliaschs Wiederwahl im März zurückgezogen haben. Beim Kongress scheiterte die Opposition mit mehreren Anträgen, auch beim wichtigen Thema Rennkalender.
Vor dem vergangenen Winter waren die Weltcups erst sehr spät vergeben worden, was zu großer Verunsicherung geführt hatte. Man möge doch deshalb wieder zu einer längerfristigen Planung zurückkehren - so der Vorschlag von den Österreichern und Schweizern.
Eliasch will Flexibilität
Mehrere andere große Nationen unterstützten den Vorstoß mit Wortmeldungen, darunter auch DSV-Vorstandsmitglied Stefan Schwarzbach: "Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der Langzeit-Kalender gut funktioniert hat und es genug Flexibilität gibt für andere Nationen, in den Kalender zu kommen."
Eliasch aber monierte, dass der Langzeitkalender laut Antrag nur in Ausnahmefällen geändert werden dürfe. Und er verwies darauf, dass sich das FIS-Council ohnehin mit dem Thema beschäftigen wolle.
Der Machtkampf geht weiter
Als die Antragssteller trotzdem auf ein Votum bestanden, wandte sich Eliasch "an alle Nationen" und warnte, der Vorschlag könne "signifikante negative Konsequenzen haben für die Nationen, die nicht zu den Großen gehören und Bestrebungen haben, Skirennen auszurichten." Daraufhin stimmten die Delegierten mit 52,21 Prozent gegen den Antrag.
Europäische Platzhirsche gegen von Aufschwung träumende Nationen aus anderen Erdteilen - dieser Machtkampf beschäftigt den Weltverband seit Eliaschs Amtsantritt vor zwei Jahren. Ein Ende ist nicht in Sicht.