
BR24 Sport "Einige Ups and Downs" – Lena Kohler erobert Freeride World Tour
Die Allgäuerin Lena Kohler konnte gleich in ihrer ersten Saison bei der Freeride World Tour ganz vorne mitmischen. Doch als Freeriderin bleiben ihre Leistungen oft unter dem Radar - dabei soll die Sportart 2030 olympisch werden.
Wer Lena Kohler bei ihrer Hauptbeschäftigung zusieht, der sieht eine junge Frau, die sich auf Skiern steile Hänge hinunterstürzt, schnelle, kraftvolle Schwünge über unruhigen Schnee zieht, hohe Felsen anvisiert, ohne zu zögern hinunterspringt, (meistens) souverän wieder auf ihren Skiern landet. Und immer flattern dabei zwei erdbeerblonde Haarsträhnen aus dem Helm.
Lena Kohler ist 24 Jahre alt und Freeriderin. Innerhalb kurzer Zeit schlug sich die Allgäuerin bis an die Weltspitze vor. Über Qualifier-Contests, also niedrigklassigere Wettbewerbe, qualifizierte sie sich für die Freeride World Tour (FWT). Diesen Winter mischte sie mit der Crème de la Crème des Sports mit – und wurde auf Anhieb Vierte in der Gesamtwertung. "Ich bin mega happy mit der Saison, es war richtig schön", erzählt Kohler im Interview mit BR24Sport. In drei von sechs Wettkämpfen – auch "Comps" genannt – stand sie als Rookie auf dem Treppchen. "Aber es war auch ein Winter mit vielen Ups and Downs. Einige Male bin ich richtig gecrasht", erzählt die Allgäuerin und lacht: "Da geht mehr."

Lena Kohler bei einem Comp
Vom Skirennsport zum Freeriden
Sechs FWT-Wettkämpfe hat Kohler hinter sich, in Spanien, Frankreich, Österreich, Georgien, Kanada und der Schweiz. "Ich bin noch nie in meinem Leben so viel gereist", erzählt Kohler. Finanzieren kann sie sich das Ganze durch Sponsoren. Wenn sie nicht am Berg ist, sitzt Kohler in der Uni und studiert Umwelt- und Bauingenieurswissenschaften in ihrer Wahlheimat Innsbruck. Zwar können einige Athleten mittlerweile vom Freeriden, von Sponsoring-Verträgen und Filmprojekten leben, ihr sei es jedoch "wichtig, auch ein zweites Standbein zu haben", so Kohler.
Der Ruf, der den Freeridern vorauseilt, die Sportart sei eine Laissez-Faire-Angelegenheit, stimmt schon lange nicht mehr. Um hohe Cliffs zu springen, lange Runs durchzuhalten, um Gipfel zu besteigen und vor allem um verletzungsfrei durch den Winter zu kommen, müssen auch Freerider im Fitnessstudio harte Grundlagenarbeit leisten.
"Community ist wie eine kleine Familie"
Kohler kommt ursprünglich aus dem Skirennsport. Anstatt rote und blaue Torstangen zu jagen, sucht sie jetzt nach der perfekten Linie über steile Hänge im freien Gelände. Bei Freeride-Wettkämpfen zählen nicht die Hundertstelsekunden, sondern Juroren bewerten die Runs der Athleten auf die Linie, auf Sprünge, Tricks, aber auch etwa darauf, wie flüssig die Teilnehmer den Hang bewältigen. "Jeder hat seinen eigenen Style, das ist das Coole dran", sagt Kohler.
Mit dem Freeriden lernte die Memmingerin eine Facette des Skisports kennen, die sich in vielerlei Hinsicht vom Rennfahren unterscheidet. Die Freeride-Community sei wie eine Familie: "Wenn jemand einen coolen Trick steht, dann jubeln alle und feiern dich und wenn es schlecht geht, dann wirst du von Konkurrenten getröstet", erzählt sie. Und trotzdem: "Wettkampf ist Wettkampf. Man ist nervös, man will sein Bestes geben, man spürt den Druck", sagt die 24-Jährige. "Manche stellen sich es das Freeriden und die Comps entspannter vor."
Freeriden soll olympisch werden
Freerider teilen dasselbe Schicksal wie ihre Kollegen aus dem Freestyle-Bereich – was sie leisten, wird oft stiefmütterlich behandelt. Ihr Sport steht im Schatten der "großen" Wintersportarten wie Ski Alpin, Biathlon oder Skispringen. Doch der Freeride-Sport professionalisiert sich allmählich. "Man merkt, wie das Interesse größer wird. Am Anfang musste ich Leuten in meiner Region immer wieder erklären, was ich mache, mittlerweile verfolgen sie es selbst", sagt Kohler.
Bald dürften noch mehr Menschen vom Freeride-Sport mitbekommen, denn vor zwei Jahren kaufte der Weltskiverband FIS die Wettkampfserie FWT auf. Ziel ist es, die Sportart bis 2030 olympisch zu machen; eine Entscheidung soll im September fallen. "Klar, Olympia wäre schon cool", sagt Lena Kohler. So weit in die Zukunft will sie aber nicht denken. Erstmal will sie an ihrem Skifahren feilen – "Ich will spielerischer fahren. Die Backflips und Dreier sitzen schon, jetzt will ich an den Flatspins und Double-Backflips arbeiten." Nächste Saison startet sie wieder bei der Freeride World Tour - dann nicht mehr als Rookie, sondern als Mitfavoritin.

Lena Kohler (r.) auf dem Podest in Kicking Horse, Kanada