Greenwashing im Skisport Weltverband FIS bleibt bei Behauptung, klimapositiv zu sein
Die FIS zieht es durch, nennt sich klimapositiv, trotz Kritik und ohne Belege. Hinter den großen Worten steckt kaum Substanz.
"Die FIS feiert ihre zweite Saison als klimapositiver Sport", steht über einem Beitrag auf der Webseite des Internationalen Ski- und Snowboard-Verbandes, der am Mittwochabend (23.11.2022) veröffentlicht worden ist. Geschafft habe sie das dank der eigenen Regenwald-Initiative, deren Gründung sie vor einem Jahr verkündet hatte.
Die Initiative werde Abholzungen verhindern, die einem Vielfachen des errechneten CO2-Ausstoßes aller FIS-Wettbewerbe entsprächen, schreibt die FIS. So nennt sich der Verband also nicht nur klimaneutral, sondern klimapositiv.
"Unseriöse Pläne"
Unstrittig ist, dass der Regenwald eine immense Bedeutung für das Weltklima hat. Ihn zu schützen, sei deshalb eine gute und wichtige Sache, sagte auch Jörg Sommer, der Vorsitzende der Deutschen Umweltstiftung. Diesen Schutz allerdings für eine Kompensation zu nutzen, sei unseriös.
"Es wird völlig schräg, wenn man den Verzicht, Regenwald abzuholzen, benutzt, um sich seinen eigenen CO2-Ausstoß schönzurechnen", sagte Sommer im November 2021 im Sportschau-Interview. "Dadurch wird etwas, das beispielsweise im Skizirkus in Österreich stattfindet, in keiner Weise besser fürs Klima."
Ausgleich durch Abholzungsschutz?
Ist es legitim, Schutz vor Abholzung als Kompensation zu nutzen? Die Sportschau hat bei den beiden größten Firmen nachgefragt, die Projekte zertifizieren. Der als anspruchsvoll geltende Gold Standard antwortete, er halte CO2-Gutschriften für "keinen geeigneten Mechanismus für vermiedene Entwaldung auf Projektebene, zumal auch juristische Fragen offen blieben".
Der am weitesten verbreitete Verified Carbon Standard (VCS) dagegen schreibt, es sei durchaus üblich und notwendig, solche Projekte für einen CO2-Ausgleich zu nutzen. Denn die Abholzung des Regenwaldes verursache etwa 18 Prozent aller Treibhausgasemissionen, und der Emissionshandel habe sich als besonders wirksam erwiesen.
Grundsätzliche Kritik an Kompensations-Modellen
Viele Umweltorganisationen lehnen Klimakompensationen grundsätzlich ab, da die tatsächliche Wirkung von Projekten schwer zu berechnen ist und die Kompensation sogenanntes Greenwashing ermöglicht. Firmen, Verbände und Privatpersonen können sich ein grünes Image verpassen, ohne ihren CO2-Ausstoß tatsächlich reduzieren zu müssen.
An Johan Eliasch scheinen alle Gegenargumente abzuperlen. Dass er den Klimapositiv-Plan ohne Anpassungen durchzieht, passt in das Bild, das die vielen Kritiker vom FIS-Präsidenten zeichnen. Er sei stur und resistent gegen Beratungen.
Die FIS nennt keine Zahlen, keine Ansprechpartner und verrät auch nicht, ob die FIS-Regenwald-Initiative zertifiziert wurde. Eine entsprechende Anfrage der Sportschau blieb unbeantwortet.
Eliaschs Doppelrolle
Umso zweifelhafter bleibt die Rolle der Organisation Cool Earth, von der sich die FIS beraten lässt. "Cool Earth hat uns dabei helfen können, das Ziel fristgerecht zu erreichen, bis 2022 CO2-positiv zu werden", schrieb die FIS vor einem Jahr an die Sportschau. Allerdings stellt Cool Earth auf seiner Webseite klar: "Der Schutz des Regenwaldes mit Cool Earth schafft keinen CO2-Ausgleich."
Die Organisation unterstützt unter anderem den Volksstamm der Ashaninka in Peru, den nun auch die FIS als Kooperationspartner nennt. Inwiefern profitieren die Ashaninka nun von der neuen FIS-Regenwald-Initiative? Wie viel Geld fließt zwischen der FIS und Cool Earth? Das alles bleibt unklar, ist nicht zu kontrollieren und hat einen Beigeschmack. Denn Eliasch ist nicht nur FIS-Präsident, sondern auch Mitgründer und Vorsitzender von Cool Earth.
Steigende Temperaturen als Existenzbedrohung
Es gibt auch nachvollziehbare Sätze in der jüngsten FIS-Meldung. "Ich glaube, wir alle haben aus erster Hand erfahren, wie sich die steigenden Temperaturen nicht nur auf das Klima, sondern auch auf unsere Fähigkeit, Wettkämpfe durchzuführen, auswirken", wird Eliasch zitiert. Die Saison war mit mehreren wetterbedingten Absagen gestartet, unter anderem platzte die neu eingeführte Gletscher-Abfahrt am Matterhorn. Der Skisport ist existenziell darauf angewiesen, dass die Temperaturen nicht zu stark steigen.
Deshalb müsse es Pflicht bleiben, klimapositiv zu sein, schreibt Eliasch weiter. Jörg Sommer von der Deutschen Umweltstiftung sieht das anders. "Wintersport ist nicht klimapositiv, wird es niemals sein, muss es übrigens auch nicht sein. Er muss nur ehrlich darum ringen, klimakompatibler zu werden. Je größer und vollmundiger die Marketingsprüche sind, desto weniger ist meist dahinter."
CO2-Ausstoß soll halbiert werden
Immerhin soll die Klimapositiv-Farce nur ein Teil eines Plans sein. Die FIS will ihre direkten und indirekten Treibhausgasemissionen bis 2030 halbieren. Und sie will Organisatoren belohnen, die innerhalb einer Saison den größten Fortschritt beim CO2-Sparen erzielt haben.
Hinderlich dürften dabei Eliaschs konsequente Expansionspläne sein. Er will mehr Weltcups und Wettkämpfe auf mehr Kontinenten. Der alpine Weltcup-Tross setzt in dieser Saison zwei- statt einmal nach Nordamerika über. Die FIS will öfter nach China und hat sogar die arabische Halbinsel für sich entdeckt.
Dubai und vielleicht Saudi-Arabien?
Dort veranstaltet sie seit 2021 Wettbewerbe in Dubais Ski-Halle und hat weitere Indoor-Pisten in der Region im Auge. In einer Mitteilung träumt sie von einer möglichen Tournee mit Snowboard- und Freeski-Events, "die zur Krönung des Königs und der Königin des Wüstenschnees führen könnte".
Ein weiterer möglicher Austragungsort: Trojena in Saudi-Arabien. Im dortigen knochentrockenen Gebirge sollen 2029 die asiatischen Winterspiele stattfinden. Aktuell gibt es dort zwar nur Staub und Steine, in Kürze soll aber ein futuristisches und luxuriöses Wintersport- und Erholungszentrum entstehen.
Eliasch: "Warum nicht?"
Während der Großteil der Wintersportwelt fassungslos reagierte, auch wegen der verheerenden Menschenrechtslage und der Ausbeutung von Gastarbeitern in Saudi-Arabien, scheint Eliasch angetan. Er könne Länder, die in unseren Sport investieren, nur willkommen heißen, sagte er der "NZZ". "Wenn Saudi-Arabien das wie angekündigt klimaneutral schafft – warum nicht?"
Trojena gibt sich ein nachhaltiges Image mit 100 Prozent erneuerbarer Energie - trotz extrem aufwändiger Bauphase und der energie-intensiven Entsalzung von Unmengen an Meerwasser. Beim Thema Greenwashing ist Saudi-Arabien also auf einer Wellenlänge mit der FIS.