Das bringt die Biathlon-Saison Regeländerungen, Kritik und die Antwort des Weltverbands
In dieser Woche geht sie los, die neue Biathlon-Saison. Wie jedes Jahr finden sich im Regelwerk der Skijäger ein paar Änderungen. Eine neue Regel sorgte bereits vorab für zahlreiche Diskussionen. Der Weltverband verteidigt die Neuerung, hat aber auch ein paar "Sicherheitsnetze" eingebaut.
Änderung der Startreihenfolge in den Einzeln, Neuerungen im Nachwuchs-Klassement, zwei neue Kategorien, mehr Preisgeld, mehr Punkte, eine goldene Startnummer, Änderung in der Massenstart-Aufstellung – das sind die wichtigsten Änderungen in der Übersicht.
Frankreichs Biathletin Julia Simon in Aktion beim Weltcup in Oberhof
Einzel und Sprint: Top-Athleten dürfen nicht mehr wählen
Die Änderung der Startreihenfolge in den Einzelrennen mit Intervallstart ist dabei die weitreichendste Neuerung – und auch die am härtesten diskutierte. Was ändert sich? Ganz kurz: Die Top 30 des Weltcups dürfen ihren Startplatz im Sprint und dem Einzel nicht mehr selbst wählen. Sie gehen später als bisher ins Rennen, ihre Startplätze werden ausgelost. "Es ist nicht so komplex, wie es eigentlich klingt", erklärt Daniel Böhm im Sportschau-Interview: "Die Topathleten, und die definieren wir als die Top 30 des Gesamtweltcups, sind aufgeteilt in zwei Gruppen. Die rote Gruppe sind Nummer 1 bis 15 im Gesamtweltcup und die blaue Gruppe von 16 bis 30. Diese Athleten werden gesetzt", so der Sport- und Eventdirektor beim Weltverband IBU.
Böhm: "Erhoffen uns längeren Spannungsbogen"
Die Athletinnen und Athleten der blauen Gruppe gehen ab Startnummer 16 und mit geraden Startnummern ins Rennen. Die ungeraden Startnummern haben Sportlerinnen und Sportler, die außerhalb der Top 30 im Weltcup platziert sind. Ab Startnummer 44 geht dann, ebenfalls im Wechsel mit "nicht gesetzten" Athleten, die "rote Gruppe" der Weltcupbesten an den Start, der letzte Top-Athlet geht mit Nummer 72 ins Rennen. Böhm erklärt im Interview am Rande des "Forum Nordicum" im Oktober im Schweizer WM-Ort Lenzerheide die Gründe für diese gravierende Regeländerung: "Wir erhoffen uns einen längeren Spannungsbogen und damit auch ein besseres Produkt für die Zuschauer."
Daaniel Böhm
Winkler: "Das tut keiner Sportart gut"
Christian Winkler, Kommunikationsdirektor beim Weltverband IBU, erklärt die Neuerung mit einem Rennen aus der Vergangenheit: "Wir hatten Situationen, da war das Rennen entschieden, als die Nummer 3 im Ziel war. Das tut keiner Sportart auf Dauer gut. Das heißt, wir müssen gerade die Einzel- und die Sprints spannender machen."
Die Kontroverse
Der Protest gegen die Neuerungen ist laut und kommt vor allem von den Top-Athleten. Seit dem Frühjahr versucht das Athletenkomitee um Sebastian Samuelsson (Schweden) und Lena Häcki-Groß (Schweiz) die neue Reihenfolge abzuwenden. "Wir hatten einen sehr intensiven Diskurs mit den Athleten", sagt Böhm, der früher selbst Biathlet war: "Es war relativ früh klar, dass das nicht auf Wohlwollen stößt. Und ich glaube, das ist auch normal und nachvollziehbar, dass jeder auch so ein bisschen sein Status quo verteidigen möchte."
"Änderung ist Bullshit"
Die Kritik der Athleten: "Diese Änderung ist Bullshit", drückt es Tomasso Giacomel wenig diplomatisch aus. Der Italiener, in der vergangenen Saison bester U25-Athlet, schimpft: "Die besten Athleten haben verdient, die besten Startbedingungen zu bekommen", wie er dem italienischen Biathlon-Portal "biathlonazzuro.it" sagte. Auch aus dem deutschen Team kommt Kritik: "Ich muss sagen, ich finde sie sehr schwierig", erklärte Selina Grotian im Sportschau-Wintersport-Podcast: "Ich finde, man hat sich die Startgruppenauswahl erarbeitet über die Jahre und hat das Recht darauf, selbst entscheiden zu dürfen."
Grotian: "Bedingungen nicht fair"
Der französische Verbandschef Stephane Bouthiaux geht noch einen Schritt weiter: "Ich finde das skandalös", sagte er im "Nordic Magazine" und erklärte: "Das Problem ist, dass der 16. der Welt mit Startnummer 16 und der Erste im Weltcup mit der 75 starten kann, was einen Zeitunterschied von einer halben Stunde ausmacht. Das ist ein echter Skandal und inakzeptabel", so der Franzose. Auch Grotian befürchtet, dass letztlich nicht die individuelle Klasse sondern die äußeren Bedingungen die Rennen entscheiden: "Vor allem jetzt in den letzten Jahren war es ja schon oft der Fall, dass die Bedingungen einfach dann nicht mehr fair waren oder nicht fair sind", verweist die WM-Vierte im Einzel von Nove Mesto unter anderem auf die nachlassenden Streckenverhältnisse bei den Titelkämpfen im vergangenen Jahr.
Böhm: "Fairness nicht in Frage gestellt"
Die Fairness im Rennen ist auch für IBU-Sportdirektor Böhm ein wichtiges Argument. "Die Fairness und die Integrität des Sports darf nicht in Frage gestellt werden. Und mit den verbesserten Streckenbedingungen, die es mittlerweile gibt, sind wir wirklich der Überzeugung, dass die Rennen fair bleiben." IBU-Kommunikationschef Winkler ergänzt: "Wir sind mittlerweile so weit, dass wir garantieren können, dass eine Strecke über den Wettkampf relativ gleichmäßig hält."
Erstes Trimester wird getestet
Für den Fall, dass schlechte Bedingungen ein Rennen zu stark beeinflussen, behält sich die IBU "ein Sicherheitsnetz" vor, wie Böhm erklärt: "Dann gibt es die Möglichkeit, bei so einer angepassten Form des alten Systems zurückzukehren, sodass die Top-Athleten auch weiterhin vorne im Rennen positioniert sind." Ein zweites Sicherheitsnetz könnte zwischen Weihnachten und dem neuen Jahr aufgespannt werden: "Wir testen das offiziell erst mal im ersten Trimester, um dann in der Weihnachtszeit eine wirkliche Evaluierung durchzuführen." Im Januar 2025 in Oberhof könnten also schon wieder nach dem bisherigen Reglement gelaufen werden.
Weitere Regeländerungen: Von U25 auf U23
Deutlich weniger kontrovers wurden von Athletenseite die weiteren Regeländerungen kommentiert. So wird die Altersgrenze für die Nachwuchswertung von U25 auf U23 nach unten korrigiert. "Das ist ein gängiges Alter auch in anderen Sportarten. Und wir wollen die wirklichen Youngster auszeichnen. Mit 25 ist das vielleicht nicht mehr so der Fall", erklärt Böhm.
Bei den Weltmeisterschaften werden künftig die Trikots des Weltcupführenden (gelb), des Disziplinführenden (rot) und des besten U23-Nachwuchsathleten (blau) nicht mehr getragen. Dafür bekommen die WM-Titelverteidiger in den einzelnen Disziplinen eine goldene Startnummer.
Im Massenstart, an dem nur 30 Sportler teilnehmen dürfen, gehen weiterhin die Top 25 aus dem Weltcup und die fünf Besten des aktuellen Weltcuportes an den Start. Fällt jemand aus diesen Top 30 aus, wird künftig nur noch aus der Bestenliste des aktuellen Events nachgerückt.
Bester Verfolger und Staffel-Schnellster
In zwei neuen Kategorien gibt es künftig extra-Preisgelder: so werden ab dieser Saison die Schnellsten in Verfolgungsrennen und auch der schnellste Einzel-Athlet in Staffelrennen ausgezeichnet. Apropos Preisgelder: Sowohl bei Weltmeisterschaften als auch im Weltcup gibt es künftig mehr Geld. Bei der WM dürfen sich die Plätze zwei bis vier sowie 26 bis 30 freuen, im Weltcup die Gesamtränge drei bis zehn und 17 bis 30. Die Erhöhung ist abgestuft, von 1000 Euro bis 50 Euro Mehrverdienst. Über bis zu fünf Punkte mehr für den Gesamtweltcup dürfen sich die Plätze drei bis neun freuen.
Und so können die Sportler den Regeländerungen auch etwas Positives abgewinnen. Oder, wie Selina Grotian sagt: "Zu mehr Geld sagt glaube ich niemand Nein. Das freut einen eigentlich schon immer."