Fazit und Ausblick Erkenntnisse nach dem ersten Biathlon-Saisondrittel
Es ist eine Standortbestimmung, aber auch schon mal die Chance, ein Statement Richtung Konkurrenz zu setzen - das erste Trimester jedes Biathlon-Winters. Und auch in diesem Jahr gab es im Auftakt-Drittel von erschlagender Dominanz bis zu herzerwärmenden Überraschungen alles zu sehen.
1. Denise Herrmann-Wick - Anführerin eines konkurrenzfähigen DSV-Frauen-Teams
Im Sommer geheiratet, im Winter bislang vollends überzeugt. Um es herunterzubrechen: Es läuft bei Denise Herrmann-Wick in den vergangenen Monaten. Beim ersten Weltcup im finnischen Kontiolahti ging's für die 33-Jährige zunächst mit der Staffel aufs Podest - im österreichischen Hochfilzen folgte dann auch direkt der erste Einzelerfolg. Im Sprint flog Herrmann zum Sieg - und bewies nicht nur in der Loipe sondern auch am Schießstand eine bemerkenswerte Frühform. Das Erfolgsgeheimnis? "Ich glaube: Gelassenheit", sagt Sportschau-Experte Arnd Peiffer. "Denise ist Olympiasiegerin und Weltmeisterin geworden, hat auf der Checkliste so ziemlich alles abgehakt. Ich glaube, sie ist jetzt in der Rendite-Phase ihrer Karriere."
Insgesamt macht Herrmann-Wick einen selbstsicheren Eindruck, versucht auch aus schwierigen Situationen das Beste herauszuholen. Dass der Sprint-Erfolg in Hochfilzen kein Ausreißer nach oben war, bestätigte die ehemalige Langläuferin beim letzten Weltcup vor Weihnachten in Le Grand-Bornand, wo - ebenfalls im Sprint - ein weiterer Podestplatz heraussprang (3.). Unter dem Strich steht nach drei Weltcups der vierte Platz in der Gesamtwertung. Zwischen den Jahren geht es für die älteste deutsche Biathletin ins Höhentrainingslager nach Davos.
Das Erfreuliche aus deutscher Sicht: Nicht nur Herrmann-Wick kann die vorderen Plätze angreifen - das gesamte Team ist dazu in der Lage. "Ich bin wirklich mehr als zufrieden", konstatiert Arnd Peiffer. Mit Vanessa Voigt, Anna Weidel und der hervorragend in die Saison gestarteten Sophia Schneider befinden sich noch drei weitere DSV-Skijägerinnen in den Top 20 der Weltcup-Gesamtwertung. Das stimmt auch Trainer Kristian Mehringer positiv. "Wir steigen ja auch nicht mit Topform in die Saison ein, sondern versuchen uns peu à peu zu steigern", ordnet Mehringer ein. "Und dafür sind wir im Vergleich zu den vergangenen Jahren sehr zufrieden."
Einziger Wermutstropfen bislang im deutschen Team: Franziska Preuß, die krankheitsbedingt den Saisonauftakt in Kontiolahti verpasste, ringt noch um ihre Form. Die Tendenz zeigt aber klar nach oben, in Frankreich kämpfte sie sich gleich zweimal in die Top-15. "Da könnte die Weihnachtspause auch nochmal Wunder bewirken", wirft Arnd Peiffer einen positiven Blick in die Zukunft.
2. Die deutschen Männer vor allem als Mannschaft stark
Auch wenn es zuweilen redundant wirken mag, die Leistungen der deutschen Männer müssen auch weiterhin im Kontext der Karriereenden von Arnd Peiffer vor anderthalb Jahren und Erik Lesser im März beurteilt werden. Im Team ist das nicht weniger als ein Umbruch. Benedikt Doll drängte sich als legitimer Nachfolger der beiden auf - wächst im ersten Saison-Trimester auch immer besser in die Rolle des Leaders und der sportlichen Speerspitze hinein.
Nach herausragenden Leistungen in der Loipe, wo Doll regelmäßig zu den fünf Schnellsten der Welt gehörte, konnte der 32-jährige Doll in Le Grand-Bornand auch am Schießstand überzeugen und demonstrierte, was möglich sein kann: Platz drei im Sprint und das erste Podium der Saison waren ein erster Fingerzeig. Apropos Fingerzeig: "Mich freut, dass Roman Rees und David Zobel so klasse Leistungen gezeigt haben", berichtet Arnd Peiffer und strahlt dabei. "Beide standen bereits auf dem Podium. Vor allem in den Staffeln haben die deutschen Männer tolle Leistungen gezeigt und sich zwei Podestplätze sehr hart erkämpft. Jeder Deutsche kann aufs Podium laufen, das ist super."
Im Gesamtweltcup steht zwar kein Deutscher in den Top 10, trotzdem liegt der DSV auf dem zweiten Platz in der Nationenwertung - hinter den maßgebenden Norwegern.
3. Erdrückende norwegische Dominanz - bei den Männern
Lange war Spannung im Kampf um Siege in dieser Saison bei den Männern nur eine ferne Wunschvorstellung für die Athleten im Feld. An Johannes Thingnes Bö war einfach kein Heran- bzw. Vorbeikommen. Während der 29-jährige Überflieger im ersten Saisonrennen noch schwächelte, folgte eine für die Konkurrenz besorgniserregende Siegesserie: sieben Triumphe am Stück - in den Staffeln und in den Einzelrennen.
Die Dominanz des Norwegers war erschlagend. In der Loipe ist er sowieso der Schnellste, jetzt stimmte jedoch auch die Zielgenauigkeit am Schießstand. Mit 93 Prozent Trefferquote stehend und 87 Prozent liegend. "Er ist in diesem Flow. Ich habe das Gefühl, er kann ein gutes Rennen einfach reproduzieren", sieht Peiffer eine Entwicklung beim fünfmaligen Olympiasieger. "Und vor allem die Trefferleistung stimmt wieder: Er ist annähernd bei 90 Prozent insgesamt und ist stehend viel sicherer geworden. Er hat zurückgefunden zu alter Stärke."
Wie stark aber das gesamte norwegische Männer-Team ist, bewies ein Blick auf die Podien nach Verfolgung und Massenstart in Le Grand-Bornand. In der Verfolgung gewann Laegreid vor Christiansen und Bö, im Massenstart Dale vor Laegreid und Bö. Jeweils vier der ersten fünf Plätze wurden von Norwegern belegt. Heißt: Auch wenn Bö eines seiner wenigen etwas schwächeren Rennen abliefert - schafft er es erstens trotzdem auf das Podest und zweitens gewinnt trotzdem ein Norweger.
4. Die Überraschung: Das Märchen der Sophie Chauveau
Es sind genau solche Momente, die sowohl Athleten als auch Zuschauer am Sport faszinieren. Es war nicht weniger als ein Märchen im französischen Le Grand-Bornand, als Sophie Chauveau im Sprint, getragen von 10.000 frenetischen Fans, über die Ziellinie glitt. Die 23-jährige Französin war zu diesem Zeitpunkt wohl nur echten Biathlon-Experten bekannt.
Im sechsten Weltcup-Rennen ihrer Karriere gelang ihr ein fast perfekter Wettkampf. Die Belohnung: ein bemerkenswerter vierter Platz, den die Lebensgefährtin von David Zobel in der Verfolgung mit dem achten Platz vergoldete. "Das war für mich der Überraschungsmoment dieses Trimesters", schwärmt auch Arnd Peiffer von der Performance Sophie Chauveaus. "Da hat wirklich niemand mit gerechnet und es war mega, das mitzuerleben."
"Mega" waren auch die Auftritte der jungen Österreicherin Anna Gandler beim letzten Weltcup vor Weihnachten. Die 21-Jährige hat offenbar ihre Hausaufgaben im Sommer erledigt, das zahlt sich für die Junioren-Weltmeisterin nun aus. In Le Grand-Bornand lief sie erstmals unter die Top-20 und qualifizierte sich sogar für den Massenstart.
5. Zuversichtlich Richtung Heim-WM
"Ich habe sehr viel Vorfreude. Die Last liegt nicht nur auf einem Paar Schultern", lobt Arnd Peiffer den breiten Kader bei den deutschen Männern und Frauen im Hinblick auf die Heim-WM im Februar in Oberhof. "Wenn jemand bei den Herren oder Damen krank wird, dann ist nicht gleich der ersehnte Podiumsplatz oder ein gutes Ergebnis futsch. Das ist eine gute Ausgangsposition und befeuert natürlich auch nochmal den Konkurrenzkampf im Team."
Nun gilt es für die Athletinnen und Athleten, über Weihnachten und Neujahr Kraft zu tanken und die Akkus aufzuladen. Das zweite Trimester beginnt Anfang Januar mit dem Weltcup auf der slowenischen Hochebene Pokljuka. Vor der WM folgen dann noch Weltcups in Ruhpolding und Antholz. "Ich hoffe, dass die Januar-Weltcups ergeben, dass der Trainer sogar zur WM die Qual der Wahl hat, welche vier er laufen lässt." Das sind doch gute Aussichten.