Großes Finale in Wimbledon Alcaraz bezwingt Djokovic - ein Triumph als Ritterschlag
Carlos Alcaraz und Novak Djokovic haben sich eine Finalschlacht um Rekorde, den Tennis-Thron und den Turniersieg in Wimbledon geliefert. Der junge Spanier gewann - und das sicher nicht zum letzten Mal.
Es waren 4:42 Stunden, die neben Carlos Alcaraz einen ganz großen Gewinner hatten: den Tennissport. Der Spanier und Novak Djokovic lieferten eine Show auf einem Niveau ab, an das aktuell kein anderer Spieler auch nur ansatzweise herankommen kann. Dieses Spiel hatte alles: spektakulärste Ballwechsel, große Emotionen, nicht für möglich gehaltene Wendungen und Rekorde.
Alcaraz gegen Djokovic war das Duell der Generationen, das 20 Jahre alte Ausnahmetalent gegen den 36-Jährigen Superstar, der seinen Platz in der Diskussion um die Frage "Wer ist der beste Tennisspieler aller Zeiten?" auf ewig sicher haben dürfte. Es wurde zu einem der ganz wenigen Momente, in denen Djokovic der Geschlagene war. Der Serbe musste sich von großen Träumen und unglaublichen Serien verabschieden. Und doch zeigte er, dass er ein echter Champion ist.
Alcaraz überrascht Djokovic auf Rasen
Im After-Match-Interview auf dem Centre Court, auf dem er zuvor zehn Jahre lang kein Spiel verloren hatte, gab es für Alcaraz den Ritterschlag von Djokovic. "Ich muss mit allem Lob für Carlos anfangen. Welch eine Qualität er hat, vor allem am Ende des Spiels - du verdienst es einfach, unglaublich", sagte der siebenfache Wimbledonsieger. "Das ist schwer zu schlucken, wenn man so knapp dran ist, aber für solche Spiele arbeiten wir jeden Tag. Ich bin mit vielen unglaublichen Matches gesegnet worden und das ist ein weiteres. Ich habe gegen den besseren Spieler verloren."
Bei aller Wertschätzung hätte Djokovic gerade vor dem Turnier aber nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Alcaraz seine Serie von 34 Siegen in Serie in Wimbledon (letzte Niederlage 2017) beenden würde. "Ich dachte, ich hätte auf Asche und Hartplatz Probleme mit dir, aber nicht auf Rasen. Das ist jetzt eine andere Geschichte", sagte Djokovic.
Als Djokovic Turniere gewann, fing Alcaraz erst an
Alcaraz spielte insgesamt erst sein viertes Rasenturnier in seiner noch so jungen Karriere. In der Vorbereitung hatte er bei seinem Sieg in Queens aber schon gezeigt, dass er auch auf Gras zur Weltklasse gehört - in Wimbledon war er dann sogar der Beste. "Ein Traum ist für mich wahr geworden. Ich hätte das nicht erwartet. Dass ich so schnell gelernt habe, macht mich sehr stolz", sagte Alcaraz.
Vor allem machte ihn aber stolz, dass er das Finale gegen Djokovic gewonnen hat, eines seiner großen Idole. "Es ist unglaublich für mich, dieses Match gegen eine Legende unseres Sports auf dieser Bühne gespielt und gewonnen zu haben", sagte Alcaraz. "Du hast mich inspiriert. Als ich mit dem Tennis angefangen habe, habe ich deine Spiele geguckt - gefühlt hast du bei meiner Geburt schon Turniere gewonnen."
Die Lehren der French-Open-Erfahrung
Und nun entthronte die Nummer 1 der ATP-Weltrangliste - die Position behält er dank des Sieges - diesen großen Alt-Star. Bei den French Open waren Alcaraz und Djokovic bereits im Halbfinale aufeinandergetroffen, da überforderte den jungen Mann aus Murcia diese Situation noch. Er hielt sportlich mit, sein Körper dem Druck aber nicht stand - mit Krämpfen kämpfte er sich bis ans Ende des Spiels, eine Chance hatte er aber nicht mehr.
Dieses Erlebnis hat Alcaraz ganz offenbar enorm geholfen. Denn es ist nicht nur das Resultat, das so beeindruckt, sondern auch das Wie. "Es ist ein Finale, da ist keine Zeit, Angst zu haben oder müde zu sein", hatte Alcaraz zuvor gesagt - und vor allem in den entscheidenden Momenten ließ er diesen Worten Taten folgen. Der Ausnahmekönner servierte Asse mit dem zweiten Aufschlag, wenn er unbedingt einen Punkt brauchte, oder spielte plötzlich Serve-and-Volley, und er wehrte Breakbälle mutig mit Stopps ab.
Ein Rekord für Alcaraz, geplatzter Traum bei Djokovic
Djokovic hatte oft die richtigen Antworten, am Ende aber zu wenige davon. 15 Tie-Breaks hatte der Serbe im Vorfeld bei Grand-Slam-Turnieren in Serie gewonnen, im zweiten Satz verlor er nach langer Zeit mal wieder eine solche Entscheidung - und Alcaraz kam auf die Siegerstraße. Die verdichtete sich, als dem Herausforderer auf besondere Art und Weise das zweite Break des dritten Satzes zum 4:1 gelang: Alcaraz nutzte seinen siebten Breakball in diesem Spiel, 13-mal war es zuvor über Einstand gegangen - es war das bisher längste Aufschlagspiel aller Wimbledon-Endspiele.
Das alles führte dazu, dass Alcaraz einen Rekord einstellte. Keiner schaffte es, bei weniger Grand-Slam-Teilnahmen zwei Siege einzufahren - im vergangenen Jahr hatte er bereits die US Open gewonnen. Vor allem verhinderte Alcaraz aber eine Reihe von Djokovic-Bestmarken. Der "Djoker" hätte unter anderem mit seinem 24. Major-Titel mit Margaret Court gleichziehen können - niemand sonst war in seiner Tenniskarriere so erfolgreich. Außerdem nahm Alcaraz ihm nach den Turniersiegen in Australien und Paris die Chance, endlich den Grand Slam (alle vier Majorturnier in einem Jahr) zu gewinnen.
Wer soll Alcaraz eigentlich sonst schlagen?
Die ganze Tenniswelt wird auf dieses Spiel geschaut haben. Und sie wird nicht nur gestaunt haben, sondern sich auch gefragt haben, wie die Zukunft ihres Sports wohl aussehen wird. Alcaraz und Djokovic haben nicht nur in Wimbledon gezeigt, dass ihnen aktuell kein Spieler das Wasser reichen kann. Die beiden Erstplatzierten der Weltrangliste stehen zu Recht genau dort - und der Abstand ist womöglich größer als es die Punktzahl in dieser Wertung aussagt.
Viele Spieler, die es auch an die Spitze schaffen wollen, wurden in Wimbledon von den beiden deutlich besiegt. Alcaraz gewann klar gegen Holger Rune und Daniil Medwedew, Jannik Sinner scheiterte deutlich an Djokovic - und Alexander Zverev sowie Stefanos Tsitsipas sind aktuell sowieso recht weit von der absoluten Tennis-Elite entfernt.
Die Hoffnung: Wiedersehen im Finale der US Open
Der einzige, der aktuell einen langen Erfolgslauf von Alcaraz stoppen kann, scheint Djokovic zu sein. Mit seinem fortgeschrittenen Alter wird er aber nicht mehr ewig auf der Tour dabei sein. Nach der Finalniederlage in Wimbledon kündigte er jedoch an, dass er weiter hart arbeiten wolle, um Alcaraz nicht nur ein ebenbürtiger Gegner zu sein, sondern auch um ihn beim nächsten großen Duell zu besiegen.
Bei den US Open (28. August bis 10. September) könnte er die nächste Gelegenheit bekommen - die beiden werden wahrscheinlich wieder als Topgesetzte ins letzte Grand-Slam-Turnier des Jahres gehen und so erst im Finale aufeinandertreffen können. Dann wäre Djokovic der Herausforderer gegen Titelverteidiger und Wimbledon-Sieger Alcaraz. Und es ist fast zu befürchten, dass es spätestens mit dem irgendwann eintreffenden Karriereende von Djokovic dauerhaft so sein wird, dass Alcaraz derjenige ist, der (erfolglos) zu besiegen sein wird.