"Billy, wir wollen gleiches Preisgeld" 50 Jahre "Equal Pay" bei den US Open
1973 verdienten die Frauen bei den US Open erstmals genauso viel Geld wie die Männer - dank Billie Jean King. Seitdem hat sich viel getan. Aber: 50 Jahre später ist die Tenniswelt finanziell immer noch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft.
Das offizielle Poster der US Open ist für gewöhnlich eine Hommage an New York. Freiheitsstatue, Wolkenkratzer, Manhattan, dazu noch Tennisball und Tennisschläger. So oder so ähnlich wird seit vielen Jahren für das Grand Slam-Turnier in Flushing Meadows geworben.
Diesmal machen die Veranstalter eine Ausnahme. Aus gutem Grund. Sie widmen das Plakat dieser US Open 2023 einer Frau und ihrer wohl größten Errungenschaft: Billie Jean King. "Celebrating 50 years of equal prize money" steht in schwarzen Großbuchstaben unter dem bunten Konterfei, das den Tennis-Trailblazer in jungen Jahren darstellt. Und dahinter die Jahreszahlen: "1973 - 2023".
Größter Triumph außerhalb des Tennis-Platzes
King gewann in ihrer erfolgreichen Karriere zwölf Grand-Slam-Titel im Einzel. Doch ihr größter Triumph, so hieß es in einer Dokumentation des US Tennis-Verbandes, sei "die Gleichberechtigung der Frauen" gewesen.
Am Montag (28.08.2023) sprach King rückblickend über den Sommer 1973 als einen "Moment, der unseren Sport und den gesamten Sport für immer verändert hat". In schwarzer Hose und lila Oberteil stand die mittlerweile 79-Jährige im Arthur Ashe Stadium auf einem roten Teppich, der extra ihretwegen dort ausgerollt wurde.
Türöffnerin King
King öffnete vor 50 Jahren Türen, die für Frauen zuvor verschlossen, ja sogar hermetisch abgeriegelt waren - und die womöglich ohne ihr Engagement, ihren Mut und ihre Unverwüstbarkeit noch über Jahre oder gar Jahrzehnte unzugänglich geblieben wären. In einem Video-Einspieler bedankten sich ehemalige und aktive Spielerinnen und Spieler bei “BJK” - von Coco Gauff und Iga Swiatek, über Caroline Wozniacki, bis hin zu Novak Djokovic und Roger Federer.
Die Reise zur Gleichberechtigung sei nicht leicht und auch nicht schnell gewesen, betonte King. Sie hob hervor, dass Frauen "damals im Schnitt für jeden Dollar, den die Männer an Preisgeld bekamen, 59 Cent" erhielten. Und Michelle Obama, die eine kleine Festrede für King hielt, erinnerte an Bobby Riggs.
Frauenfeindliche Sprüche und eine Demütigung
Der dreimalige Grand-Slam-Sieger aus den USA galt als Großmaul, bezeichnete sich selbst als "Chauvinist" und sagte Anfang der 1970er Sätze wie: "Frauen gehören ins Schlafzimmer und in die Küche. In dieser Reihenfolge." Oder auch: "Frauen spielen nur rund 25 Prozent so gut wie Männer, deshalb sollten sie auch nur 25 Prozent von dem bekommen, was Männer verdienen."
Mit diesen provokanten Worten wollte er King zu einem Duell herausfordern - und hatte Erfolg. Am 20. September 1973 standen sich die 29-Jährige und der 55-Jährige im "Battle of the Sexes" in Houston gegenüber. 48 Millionen Menschen verfolgten die "Schlacht der Geschlechter" in den USA im TV - und sahen, wie King Riggs mit 6:4, 6:3, 6:3 demütigte.
Bluff oder Drohung?
Sie war in jenen Jahren die lauteste Stimme des Frauen-Tennis. Als King 1972 für ihren Sieg bei den US Open 10.000 Dollar Preisgeld bekam, Herren-Champion Ilie Nastase aber 25.000 Dollar, meinte sie entschlossen: "Zum Teufel damit. Ich glaube nicht, dass wir nächstes Jahr wiederkommen werden."
Niemand konnte diese Worte so recht einordnen. War es nur ein Bluff? Ein Flexen der Muskeln? Oder tatsächlich eine Drohung? Doch King meinte es ernst. Ihr kam entgegen, dass am 23. Juni 1972 "Title IX" in Kraft trat. Das Gesetz hatte der US-Kongress beschlossen. Es untersagte mit öffentlichen Geldern geförderten Bildungseinrichtungen, Menschen aufgrund ihres Geschlechts von Erziehungsprogrammen auszuschließen - und war somit eine Art Katapult für einen enormen Aufschwung des Frauensports.
Durchbruch 1973
Man müsse träumen und etwas aufbauen, hatte King oft betont. Nur zu träumen, ohne etwas hervorzubringen, funktioniere nicht. Und deshalb ging sie vor den US Open 1973 zu Turnierdirektor Billy Talbert und meinte unmissverständlich: "Billy, wir wollen gleiches Preisgeld." Talbert willigte ein. Denn King hatte Sponsoren akquiriert, die bereit waren, die Differenz von 15.000 Dollar zu zahlen. Und so bekamen die US-Open-Champions 1973 bei Frauen und Männern jeweils 25.000 Dollar Siegprämie.
Es dauerte viele Jahre, ehe mit den Australian Open (2001), French Open (2006) und Wimbledon (2007) auch die anderen drei Grand-Slam-Turniere Frauen genauso entlohnten wie Männer. Sie sei begeistert gewesen, sagte King anschließend. Und sie machte deutlich, dass es ihr nie nur um das Geld ging, sondern um ein Signal.
Tenniswelt weiterhin Zwei-Klassen-Gesellschaft
In diesem Jahr bekommen die Sieger von Flushing Meadows jeweils drei Millionen Dollar Preisgeld. Laut Wirtschaftsmagazin "Forbes" waren im Vorjahr sieben der weltweit zehn bestbezahlten Sportlerinnen Tennis-Spielerinnen. Angeführt wurde die Liste von Naomi Osaka (51,1 Millionen Dollar) und Serena Williams (41,3 Mio) auf den Plätzen eins und zwei. Es hat sich also in den vergangenen 50 Jahren viel getan.
Trotzdem ist die Tenniswelt auch 2023 finanziell immer noch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. "Selbst heute gibt es noch zu viele Turniere, die Frauen fair bezahlen müssen", betonte Michelle Obama. King verwies darauf, dass "unsere Arbeit noch lange nicht vorbei" sei.
WTA will Finanzlücke bis 2033 schließen
Denn "Equal Pay" gibt es nur bei den Grand Slams. Den Großteil der Saison verdienen Frauen bei gemeinsamen Events weiterhin weniger als Männer. Beim Vorbereitungsturnier zu den US Open in Cincinnati beispielsweise, das eine Veranstaltung der höchsten Kategorie unterhalb der Grand Slams ist, wurde auf die Männer ein Preisgeld von 6,6 Millionen Dollar verteilt, die Frauen hingegen spielten um 2,79 Millionen Dollar.
Ende Juni gab der Frauen-Tennis-Verband WTA bekannt, die Finanzlücken bei derartigen Turnieren ab 2027 schließen zu wollen. Spätestens 2033 solle, so die Ankündigung, dieses Ziel für alle Turniere erreicht sein.