Gespräche mit der ATP Saudi-Arabien greift auch nach dem Tennissport
Der Golfsport wurde bereits durch das enorme saudi-arabische Engagement erschüttert. Droht das nun auch dem Tennis? Klar ist: Das Interesse an Novak Djokovic, Alexander Zverev und den anderen Stars ist dort ebenfalls groß.
Die öffentliche Aufmerksamkeit der Tennisfans gilt dem Saisonfinale der besten acht Spieler der ATP-Tour in diesem Jahr. Die Finals in Turin (12. bis 19 November) stehen an und Novak Djokovic, Alexander Zverev und Co. spielen um ein Rekord-Preisgeld von 15 Millionen US-Dollar. Allein der Sieger wird einen Scheck in Höhe von rund 4,8 Millionen US-Dollar (4,47 Millionen Euro) überreicht bekommen.
Der Tennissport boomt seit einiger Zeit (auch finanziell) weltweit und zieht das Interesse auf sich. Kein Wunder also, dass daran neue Beteiligte partizipieren wollen. "Es gibt immer Organisationen und Leute, die Geld haben und die in erfolgreichen Sport hineinwollen", sagt Herwig Straka der Sportschau. Das Mitglied des ATP-Boards - das neunköpfige Gremium ist für strategische Entscheidungen der Spielerorganisation zuständig - bekommt dieses Interesse hautnah mit.
Ein fünftes Grand-Slam-Turnier?
Und es ist kaum verwunderlich, dass auch im boomenden Ternissport der Name eines Landes eine zunehmend einflussreichere Rolle spielt. "Es ist ein Fakt, dass Saudi Arabien in den Sport investiert und Tennis eine der wichtigsten Sportarten ist", so Straka. "Das Interesse an einem Turnier wurde aus Saudi-Arabien und auch aus anderen Regionen der Welt bei der ATP hinterlegt."
Wie akut das Thema ist, zeigt sich in den vielen öffentlichen Diskussionen darüber. Immer wieder gab es zuletzt Spekulationen, dass sich Saudi-Arabien sogar für ein weiteres, ein dann fünftes Grand-Slam-Turnier (Australian Open, French Open, Wimbledon, US Open), interessieren könnte. Je größer, desto besser.
Sportswashing und Next-Gen-Finale
Unter der Woche meldete etwa die englische Tageszeitung "The Times", dass das Land ab 2025 ein 1.000er Turnier (eine Kategorie unter den Grand Slams) kurz vor den Australian Open im Januar zugesprochen bekommen solle. "Es gibt noch keine konkreten Ideen und wir sprechen erstmal mit vielen Interessenten", sagt Straka. "Auch schließen wir nicht von vorneherein die Türen aufgrund von politischen Fragen." Explizit über Größenordnungen von Turnieren habe man noch nicht gesprochen.
Dass Saudi-Arabien mit seinem Engagement im Spitzensport auch sogenanntes modernes Sportswashing betreiben und mithilfe des Sports das eigene Image aufpolieren und von strittigen Menschenrechtsfragen ablenken will, ist indes unstrittig. Dank des Staatsfonds PIF und seinen geschätzten Reserven von 650 Milliarden Dollar.
Das Next-Gen-Finale der besten acht Nachwuchsspieler auf der ATP-Tour wurde - wohl als ein erstes, kleines Entgegenkommen - bereits nach Dschidda in Saudi-Arabien (28. November bis 2. Dezember) vergeben. Aber es ist kaum davon auszugehen, dass sich die saudischen Verantwortlichen damit zufriedengeben werden. Wenn es nach den Saudis ginge, soll das erst der Anfang sein.
Auch Tennis-Welt auf den Kopf gestellt?
Und so stellen sich einige Fragen: "Wir diskutieren das sehr intensiv im Board: Wie weit soll man gehen, wie weit kann man gehen?", so Straka. "Auch vor dem Hintergrund, dass auch viele andere Sportarten in Länder gegangen sind, wo es ähnliche Diskussionen gab. Wo zieht man in dieser politischen Diskussion genau die Grenzen?"
Gleichzeitig bewegt sich die ATP in einem bisher ungekannten Spannungsfeld. Denn es scheint durch das große Engagements Saudi-Arabiens im Sport mit seinen schier endlosen finanziellen Mitteln eine Gefahr zu bestehen, die speziell der Golfsport bereits hautnah miterleben musste.
Saudi-Arabien hat mit der LIV eine eigene, überaus finanzkräftige Tour in Konkurrenz zur traditionellen PGA-Tour ins Leben gerufen und einige Topspieler abgeworben - und damit die Golf-Welt auf den Kopf gestellt. "Wir glauben zwar, dass das im Tennis schwerer möglich ist, aber es nicht unmöglich. Das ist die Bedrohungslage, mit der wir uns auseinandersetzen", sagt Straka. Ein Modell wie im Golf wäre für die ATP ein echtes Horrorszenario.
DTB-Präsident wirbt für Zusammenarbeit
Auch Dietloff von Arnim, Präsident des Deutschen Tennis Bundes und kürzlich im mexikanischen Cancun ins Board der Internationalen Tennis Verbandes (ITF) gewählt, der unter anderem für die Grand-Slam-Turniere und den Davis Cup verantwortlich ist, sieht eine mögliche Bedrohung der ATP und auch der Frauen-Spielervereinigung WTA durch die saudi-arabischen Begehrlichkeiten.
"Ich bin dafür, dass wir uns an einen Tisch setzen und gemeinsam entscheiden, wie wir künftig damit umgehen wollen", sagt von Arnim der Sportschau. In der Vergangenheit wurden solche Entscheidungen häufig autark getroffen. Von Arnim wirbt dafür, in solch wichtigen Fragen tragfähige, gemeinsame Entscheidungen zu treffen, um eine starke Haltung zeigen zu können. Denn das große Interesse aus Saudi-Arabien ist unbestritten und kann weitreichende Folgen haben.
Klare Expansionspläne
Fakt ist: Die ATP will den Boom nutzen und weiter expandieren. Länder im mittleren Osten oder in Asien seien aktuell ebenfalls an Turnieren interessiert und hätten wohl auch die finanziellen Mittel, um diese auszurichten. Wann die nächsten Entscheidungen fallen werden? Es werden bei den ATP-Finals im Hintergrund Gespräche geführt werden. "Es gibt einen gewissen Zeitdruck, das spüren wir schon. Aber wir setzen uns als ATP keine Deadline", so Straka.