Gianni Infantino neben Kronprinz Mohammed bin Salman (r.) und Sportminister Prinz Abdul Aziz bin Turki Al-Faisal

Einziger Bewerber bei der FIFA Wie sich Saudi-Arabien die WM 2034 sicherte

Stand: 29.11.2023 12:31 Uhr

Den offiziellen Beschluss durch die FIFA wird es erst Ende 2024 geben, doch an der Vergabe der WM 2034 nach Saudi-Arabien besteht kaum ein Zweifel. Die FIFA bestätigt: Es gibt keine andere Bewerbung.

Wie läuft die Vergabe?

Formell wird die WM Ende 2024 vergeben. Der FIFA-Kongress, die Versammlung aller 211 Mitgliedsverbände der FIFA, stimmt dann darüber ab, wo die WM stattfindet. Eine absolute Mehrheit von mehr als 50 Prozent der anwesenden Verbände ist nötig. Die FIFA bestätigte am Dienstagabend (31.10.2023), dass kein anderer Verband Interesse an einer Bewerbung zum Fristende angekündigt hat. Damit steht Saudi-Arabien als einziger Bewerber da - das Turnier wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dort stattfinden. Vor der formellen Vergabe muss Saudi-Arabien im Juli 2024 seine Bewerbung offiziell einreichen.

Der FIFA-Kongress stimmt über die Ausrichtung ab.

Der FIFA-Kongress stimmt über die Ausrichtung ab.

Warum bewirbt sich kein anderes Land?

Offiziell wählt der Kongress die WM-Ausrichter, das Vorgehen gilt seit der WM 2026 und wurde damals als Teil von Reformen der "neuen FIFA" verkündet. Faktisch wurden die Turniere 2030 und 2034 aber im FIFA-Rat in regelrechten Deals vergeben. Um die WM 2030 hatten sich Spanien, Portugal und Marokko aus Europa und Afrika sowie die südamerikanischen Länder Uruguay, Argentinien, Paraguay und Chile jeweils gemeinsam beworben. Südamerika war angesichts der Stimmverhältnisse offensichtlich chancenlos, doch 100 Jahre nach der ersten WM 1930 in Uruguay sollen zumindest drei Spiele dort stattfinden: eins in Paraguay, eins in Argentinien und eins in Uruguay.

Die Folge: Mit der Vergabe der WM 2030 hat die FIFA den Weg für Saudi-Arabien freigeräumt. Denn weder Südamerika, noch Europa oder Afrika können sich für 2034 bewerben. Auch die Konföderation CONCACAF für Nordamerika, Mittelamerika und die Karibik ist wegen der WM 2026 noch für 2034 zur Austragung ausgeschlossen. Es bleiben also nur Asien und Ozeanien übrig. Von den Inselstaaten Ozeaniens war ohnehin keine Konkurrenz für ein Turnier mit 48 Teams und 104 Spielen zu erwarten. Australien als Mitglied der asiatischen Konföderation und einzigem potenziellen Gegenkandidaten suchte vergeblich nach Mitstreitern für eine gemeinsame Bewerbung und teilte mit: "Wir sind nach Berücksichtigung aller Fakten zu dem Schluss gekommen, uns nicht für die WM 2034 zu bewerben."

Ein weiterer Vorteil für Saudi-Arabien: Die FIFA gab potenziellen anderen Bewerbungen kaum Zeit. Zwischen der Ankündigung, zwei Weltmeisterschaften gleichzeitig zu vergeben und dem Fristende für die Anmeldung von Interesse an einer Bewerbung lagen nur 25 Tage. Eine sehr kurze Frist, um Zusagen von Regierungen einzuholen oder um Stadien und die Infrastruktur auch nur grob zu planen.

Ist Saudi-Arabien die Mehrheit im Kongress sicher?

Daran gibt es kaum Zweifel. Schon jetzt verkündet Saudi-Arabiens Verband stolz, dass mehr als 100 Länder ihre Unterstützung für Saudi-Arabien bekannt gegeben hätten. Das gilt für Länder wie Guatemala oder Mali, aber auch für Indonesien, das noch für eine gemeinsame Kandidatur mit Australien im Gespräch war.

Saudi-Arabien reiste in den vergangenen Monaten mit Vertretern in zahlreiche Länder, um Grundsatzvereinbarungen zu unterschreiben. Oft ging es dabei offiziell um fußballerische Zusammenarbeit mit anderen Verbänden, im Ergebnis entstand darüber aber auch Unterstützung für Saudi-Arabiens Bewerbung. In einem Instagram-Beitrag am Dienstagabend teilte FIFA-Präsident Gianni Infantino mit, dass das Turnier 2034 in Saudi-Arabien "ausgetragen werden soll". Damit nahm er die Abstimmung praktisch vorweg.

Welche Rolle spielt Asiens Verband?

Die Asian Football Confederation (AFC) gilt als von den Golfstaaten kontrolliert. Präsident ist Scheich Salman bin Ibrahim Al Chalifa aus Bahrain. Seit Februar 2023 sitzt Saudi-Arabiens Verbandspräsident Yasser Al-Misehal als AFC-Abgesandter im FIFA-Rat.

Nachdem der FIFA-Rat durch die Vergabe der WM 2030 den Weg für die WM 2034 für Saudi-Arabien freigemacht hatte, dauerte es nur etwas mehr als eine Stunde, bis sowohl Saudi-Arabiens Bewerbung als auch die Unterstützung der Bewerbung durch die AFC vorlagen. "Die gesamte asiatische Fußballfamilie wird vereint die bedeutsame Initiative des Königreichs Saudi-Arabien unterstützen", teilte der Verband mit. Zu dieser Zeit stand eine mögliche Bewerbung des AFC-Mitglieds Australien aber noch im Raum.

Kann eine WM in Saudi-Arabien zum gewohnten Termin im Juni und Juli stattfinden?

Die Temperaturen sind in Saudi-Arabien teilweise mit denen in Katar vergleichbar. Falls die Stadien nicht entsprechend gekühlt werden können, wäre das erneute Ausweichen auf einen anderen Termin im Jahr denkbar. In Katar hat der Profifußball bewiesen, dass er flexibel sein kann.

Welche Beziehung verbindet die FIFA mit Saudi-Arabien?

Seit Jahren weiten FIFA-Präsident Gianni Infantino und Saudi-Arabien ihre Beziehung aus. Als Infantino eine globale Nations League einführen wollte und erstmals eine Ausweitung der Klub-WM ins Gespräch kam, galt Saudi-Arabien als möglicher Investor im Hintergrund bei der Vermarktung der neuen Wettbewerbe. Infantino pflegte zuletzt eine enge Bindung zu Saudi-Arabiens Machthaber Kronprinz Mohammed bin Salman und besuchte ihn mehrfach in Riad.

Als die FIFA zeitweise einen Zwei-Jahres-Rhythmus der WM der Männer und der Frauen in Betracht zog, brauchte Infantino für die Durchführung einer Machbarkeitsstudie einen Antrag eines Mitgliedsverbands im Kongress - der Antrag kam aus Saudi-Arabien. Das Vorhaben scheiterte später vor allem am Widerspruch aus Europa und Südamerika.

Warum will Saudi-Arabien das Turnier?

Saudi-Arabien geht es mit der WM nicht um Geld, sondern um Einfluss. Saudi-Arabien hat die Strategie von Katar und der Vereinigten Arabischen Emirate beim Thema Sportswashing für sich entdeckt. Fußball ist dabei ein maßgebliches Instrument geworden. Das Land nutzt nicht nur die FIFA, um sein Image nach außen als fortschrittlich und modern aufzupolieren.

Im europäischen Klubfußball greift Saudi-Arabien ebenfalls an und kaufte über seinen Staatsfonds Newcastle United in England. Das Team spielt mittlerweile in der Champions League. Auch der spanische Supercup findet in Saudi-Arabien statt, 2027 trägt das Land die Asienmeisterschaft aus. Firmen aus Saudi-Arabien sind Sponsoren von Atletico Madrid, Real Madrid oder AS Rom. Auch in anderen Sportarten ist Saudi-Arabien aktiv: In den USA übernahm das Land quasi den Golfsport, es gibt Formel-1-Rennen in Dschidda, die Bewerbung um Weltmeisterschaften im Handball und der Leichtathletik sind zumindest im Gespräch. Viel investiert Saudi-Arabien auch in den E-Sport.

Welche Rolle spielen die Menschenrechte?

Die FIFA fordert die Einhaltung von Menschenrechten bei der WM, das bezieht sich aber auf die Durchführung und die Vorbereitung des Turniers. Die Lage der Menschenrechte in Saudi-Arabien selbst ist katastrophal. Kronprinz Mohammed bin Salman herrscht in einer absoluten Monarchie. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen belegt Saudi-Arabien Platz 170 von 180, noch hinter Aserbaidschan oder Russland und sehr weit hinter Katar.

Es gibt keine Meinungs- oder Versammlungsfreiheit. Unfaire Gerichtsverfahren führen Menschenrechtsorganisationen zufolge zu Todesurteilen - auch gegen Personen, die bei der vermeintlichen Tat noch minderjährig waren. Frauen haben stark eingeschränkte Rechte, homosexuelle Handlungen stehen unter Strafe. Der regierungskritische saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi wurde 2018 in Istanbul von einem Killerkommando ermordet und mit einer Knochensäge in Stücke zerteilt. Eine Untersuchung der Vereinten Nationen und Berichte des US-Geheimdienst deuten auf eine Anordnung des Mordes durch Kronprinz bin Salman hin.

Jamal Khashoggi auf einem Gedenkplakat (Archivfoto: Oktober 2018)

Jamal Khashoggi auf einem Gedenkplakat (Archivfoto: Oktober 2018)

"Die Möglichkeit, dass die FIFA Saudi-Arabien den Zuschlag für die WM 2034 erteilt, obwohl das Land eine erschreckende Menschenrechtsbilanz aufweist und sich jeglicher Kontrolle verschließt, entlarvt die Menschenrechtsverpflichtungen der FIFA als Augenwischerei", sagte die Direktorin für globale Initiativen bei Human Rights Watch, Minky Worden. Steve Cockburn von Amnesty International forderte, dass die FIFA zudem darauf vorbereitet sein müsse, "den Bewerbungsprozess zu stoppen, wenn ernsthafte Menschenrechtsrisiken nicht glaubwürdig angegangen werden".

Was sagt der DFB dazu?

DFB-Präsident Bernd Neuendorf kündigte auf Anfrage der Sportschau an, die Bewerbung Saudi-Arabiens um die Ausrichtung der WM 2034 "im Hinblick auf das Thema Menschenrechte" zu prüfen. Der DFB werde sich positionieren, teilte er mit. Dem europäischen Fußball steht nun wie bei der WM 2022 in Katar eine Diskussion bevor - wie positioniert man sich? Bei der WM in Katar war oft die Rede davon, dass es für einen Boykott zu spät sei und man die Themen "damals" hätte ansprechen müssen. Dieses "damals" ist bei Saudi-Arabien 2023.

Neuendorf ist Mitglied im FIFA-Rat, der das Vorgehen für die WM 2030 beschlossen und so den Weg für Saudi-Arabien zur WM 2034 freigemacht hatte. Das Ergebnis der Abstimmung laut FIFA: einstimmig. Bei einem anderen Votum hätte Neuendorf allerdings gegen eine WM in Europa gestimmt - und das in einer Zeit, in der der DFB gemeinsam mit den Niederlanden und Belgien auf den Zuschlag für die Frauen-WM 2027 hofft. Die WM der Frauen wird im Mai vergeben, der noch ausstehende offizielle Beschluss für die WM der Männer 2023 und 2034 erfolgt soll ab Ende 2024 auf zwei verschiedenen FIFA-Kongressen erfolgen.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf

DFB-Präsident Bernd Neuendorf