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Nordische Ski-WM Nathalie Armbruster trotzt WM-Druck: Favoritin mit viel Vorfreude
Nathalie Armbruster geht bei der Nordischen Ski-WM in Trondheim als Weltcup-Führende und Favoritin an den Start – mit dabei: Vorfreude auf die Kulisse und Sorgen um die Zukunft der Kombiniererinnen.
Während gewaltige Radlader große Absperrgitter über die Wege fahren, auf denen sich schon jetzt Rollsplit und Schlamm mischen, unweit der Schanze hektisch die letzten Fenster geputzt und mit norwegischen Fähnchen geschmückt werden, lässt Nathalie Armbruster ihren Blick durch das leere Stadion schweifen und strahlt. Die Nordische Ski-WM in Trondheim – sie ist für die gerade einmal 19 Jahre alte Nordische Kombiniererin etwas ganz Besonderes. "Ich freue mich einfach auf die Atmosphäre hier, weil ich glaube: Das wird einzigartig", sagt Armbruster im Gespräch mit SWR Sport. "Die Menschen hier in Norwegen sind völlig skiverrückt und ich hoffe, dass einige unsere Wettkämpfe anschauen werden."
Vorfreude auf Fans und Familie
Die Vorfreude auf die besondere Atmosphäre, das Kribbeln und vielleicht sogar die Anspannung – all das begleitet Armbruster und ihre Teamkolleginnen schon lange vor dem ersten Start. Schließlich sind für die WM schon bevor am Donnerstag die ersten Entscheidungen anstehen 200.000 Tickets verkauft – einige davon auch in den Nordschwarzwald, in Armbrusters Heimat Freudenstadt. "Meine Familie ist da, mein Freund, mein Heimtrainer, mein bester Kumpel", zählt sie auf. "Da habe ich auch die Unterstützung."
Die hatte die damals 17-Jährige auch schon bei ihrer ersten WM – vor zwei Jahren in Planica fieberten Freunde und Familie in Slowenien mit, hatten sich mit Tröten und Plakaten ausgestattet, sich schwarz-rot-goldene Fähnchen auf ihre Wangen gemalt. Die Farbe mischte sich nach Armbrusters überraschender Silbermedaille mit Freudentränen.
Familie und Freunde als Rückhalt
Dass ihre Eltern sie auf ihrem Weg begleiten und auch in diesem ersten großen WM-Moment an ihrer Seite waren, bedeutet der Kombiniererin viel. "Ich bin ein Familienmensch", sagt Armbruster, mit Nachdruck. "Meine Eltern sind meine größte Stütze." Dass sie auch in Trondheim an Strecke und Schanze sind, macht für die 19-Jährige einen Unterschied. "Das gibt mir einfach Halt."
Das strahlt Armbruster auch aus, wirkt als sei diese Sicherheit, dass die Familie als Anker immer da, der Rückhalt immer gegeben ist, tief in ihr verwurzelt. Wenn Armbruster über die Menschen spricht, die ihr so viel bedeuten, muss sie fast unwillkürlich lächeln. "Die letzten zwei Jahre waren total verrückt – was da alles passiert ist. Natürlich hat das auch etwas mit mir gemacht", verrät sie.
Mit Sorgen in die Zukunft?
Zwei Jahre seit Planica, zwei Jahre, in denen Armbruster sich von der Überraschungs-Athletin zur Hoffnungsträgerin der Nordischen Kombinierinnen entwickelt hat. "Manchmal gibt es schon Momente, wo ich mir Bilder anschaue oder auf meinem Instagram-Profil durchscrolle und denke: Wahnsinn." Aber selbst dafür hat sie eigentlich keine Zeit. Denn Armbruster kämpft – und das nicht nur für ihre eigene Karriere, ihren sportlichen Erfolg, sondern mit Teamkolleginnen und Kombinierinnen aus anderen Nationen auch um die Zukunft der Sportart.
Schon jetzt ist klar: Bei den Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina d'Ampezzo sind sie nicht dabei. Die Premiere bei Olympia muss warten. Ob es sie dann 2030 in Frankreich gibt, steht noch nicht fest. Während die Verantwortlichen dieses Thema kurz vor dem Start der WM in Trondheim lieber aussparen wollen, sind die Sorgen der Athletinnen in vielen Gesprächen fast greifbar. "Wenn uns das IOC die Grundlage Olympia nehmen sollte, dann stehen wir vor einer Situation, wo wir nicht wissen, was dann kommt", sagt Armbruster.
Vorfreude statt Druck
Denn – die Sportart, aber auch die Sportlerinnen brauchen die Bühne Olympia. Da geht es um Sichtbarkeit, aber auch Fördergelder, Nachwuchsarbeit und in ferner Zukunft auch um Chancengleichheit. "Da macht man sich schon gerade als junge Sportlerin seine Gedanken", verrät die 19-Jährige. Ihre Worte wählt sie mit Bedacht – ist im Gespräch reflektiert und gibt doch viele persönliche Einblicke.
Der Druck, er ist zwei Jahre nach Planica jetzt in Trondheim ein anderer – und das nicht nur, weil Armbruster und ihre Mitstreiterinnen auch bei der WM für die Nordische Kombination werben wollen. Als erste Deutsche feierte Armbruster einen Weltcup-Sieg, holte das Seefeld-Triple, führt die Gesamtwertung an und ist damit Favoritin. "Es ist nicht leicht, mit diesem Druck umzugehen", verrät sie. Deshalb hat sie einen Plan: "Ich habe mir vorgenommen, dass ich mich auf die WM, auf das Großereignis, auf diese Woche und die Momente freue. Dass ich den Druck außer Acht lasse und mehr die Vorfreude mitnehme."
Athletin zwischen Alltag und Abitur
Genau so ist sie auch in die aktuelle Saison gegangen, in der neben Weltcup-Wochenenden und WM, fernab von Loipe und Schanze auch noch das Abitur ansteht. Armbrusters Alltag ist auch deshalb nur allzu oft ein Puzzle aus Training und Terminen, Schule und Sport. Dass sie dabei zu sportlichen Höchstleistungen auflaufen kann – und auch die Vorbereitung auf die wichtigen Prüfungen klappt, überrascht die 19-Jährige sogar selbst ein wenig.
"Sie ist oft Beifahrerin bei mir. Da dauert es keine drei Minuten, bis sie das iPad rausholt und irgendwas lernt“, erzählt Bundestrainer Florian Aichinger und lobt das Zusammenspiel der Verantwortlichen in Leistungssport und Schulbetrieb. "Und dann versucht sie, in 20 Minuten irgendwas zu lernen. Das ist schon enorm."
Nicht die Lieblingsschanze, aber Medaillenhoffnung
Vielleicht wirkt Armbruster auch deshalb, kaum angekommen in Trondheim, schon wieder fokussiert. "Das ist nicht meine Lieblingsschanze", sagt sie nach den ersten Trainingssprüngen. "Das ist einfach eine Gefühlssache." Steigern konnte sich Armbruster, sorgt mit ihrer Einordnung aber für eine Art Erwartungsmanagement vor der ersten Medaillen-Entscheidung. Bis dahin werden dann auch die letzten Gitter aufgestellt und die Fenster mit Blick auf die Schanze geputzt sein – Nathalie Armbruster freut sich drauf.
Sendung am Do., 27.2.2025 6:00 Uhr, SWR Aktuell am Morgen, SWR Aktuell