Enttäuschung bei Union Berlin (imago images/Matthias Koch)

Unions 0:6-Klatsche in Dortmund in der Analyse Unions 0:6-Klatsche in Dortmund in der Analyse: Mittendrin und doch nicht dabei

Stand: 23.02.2025 07:17 Uhr

Die deutliche Niederlage des 1. FC Union Berlin bei Borussia Dortmund brachte viele Besonderheiten mit sich. Weil sich die Klatsche zunächst gar nicht andeutete. Und schließlich erschreckende Probleme zu Tage beförderte. Von Ilja Behnisch

Selbst als alles vorbei war, selbst als mit dem 0:6 bei Borussia Dortmund die sechsthöchste Pflichtspielniederlage in der Geschichte des 1. FC Union besiegelt war, selbst als die Spieler schon vor ihren mitgereisten Fans standen, um sich gegenseitig nochmal ein herzliches "Eisern" zu wünschen, trafen sie noch die falsche Entscheidung. Wer in die Gesichter von Rani Khedira, Frederik Rönnow und Co. blickte, sah grenzenlose Leere.
 
Dabei wäre so etwas wie Fassungslosigkeit weitaus angebrachter gewesen. Denn es war ein reichlich absurdes Spiel, dass die beiden Mannschaft da in den Abend gestellt hatten.
 
Absurd, weil das Ergebnis noch deutlich höher hätte ausfallen können für die Dortmunder, die allerdings, absurd absurd, gar nicht mal sonderlich gut spielten. Und dann, absurd, absurd, absurd, war Union gar nicht mal so richtig, richtig schlecht. Wobei die beiden letzten Punkte den Vorbehalt haben, nur für die ersten 75 bis 80 Minuten der Begegnung zu gelten.

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Deutliche Kräfteverhältnisse

Bis dahin konnte man sich viele Gedanken über den Fußball im allgemeinen und die beiden darbietenden Mannschaften im speziellen machen. Zum Beispiel darüber, was die Startaufstellungen zu bedeuten hatten. Bei Union Berlin etwa rückte Tom Rothe für den verhinderten Robert Skov auf die Linksverteidiger-Position. Rothe durfte eine Weile als einer der wenigen Lichtblicke dieser Union-Saison gelten, im Früh-Herbst 2024 wurde er sogar in die Nähe der Nationalmannschaft gemunkelt.
 
Das ist deshalb bemerkenswert, weil Rothe in Dortmund auf seinen Ex-Verein traf, der ihn vor der Saison trotz erheblichen Personalmangel auf der Linksverteidiger-Position nach Berlin ziehen ließ. Nur, um einmal die Kräfte-Verhältnisse dieser beiden Klubs zu veranschaulichen.
 
Ein Kräfte-Verhältnis, dass sich dann auch nahtlos auf den Rasen übertrug. Auf dem der Luxus-Kader aus Dortmund lange Zeit alles andere als gut spielte und den Berlinern dennoch haushoch überlegen war. Die es zwar über weite Strecken der ersten Halbzeit defensiv ordentlich machten und wenig Räume boten, dabei aber offenbar vergessen hatten, so etwas wie eine offensive Idee auszuhecken für den Abend.

Dortmund zunächst nur scheinbar dominant

Das hätte nicht weiter ins Gewicht fallen müssen, denn die Überlegenheit der Borussia war zunächst beeindruckend wenig zielführend und so ein 0:0 hätte doch durchaus Charme gehabt. Der BVB rollte zwar immer wieder an, nur eben wie ein Rammbock, dem nie jemand erzählt hat, wie so eine zu öffnende Tür eigentlich ausschaut. Wie zunehmend die Verzweiflung darüber war, ließ eine Szene in der 23. Minute durchblicken, als Dortmunds Julien Ryerson tief in der eigenen Hälfte zum Einwurf schritt und dabei verbale Hilfestellung seines Trainers Niko Kovac erhielt, der gewinnbringend zuzurufen hatte: "Nach vorne!"

Dortmund-Trainer Niko Kovac (imago images/Max Maiwald)
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Was Kovac keine zwei Minuten später genau rief, ist nicht bekannt, vermutlich aber einfach: Tor. Oder: Juhu. Nach der Führung der Dortmunder durch Ryerson, dem Ex-Unioner, der nicht jubeln wollte nach seinem Treffer, der vielleicht auch ein Eigentor von Diogo Leite war. Die Entscheidung darüber ist philosophischer Natur. Fakt ist, dass der Gewaltroller Ryersons ohne gegnerisches Zutun niemals ins Glück gefunden hätte. Aber was ist schon ein Eigentor? Was nur abgefälscht? Und warum ging es danach dahin mit Union?

Was mehr Sorgen bereitet als das Ergebnis

Fußballerisch gibt es wenig klare Antworten darauf. Eine lautet, dass Dortmund zumindest in einer Disziplin nahezu überragend war an diesem Abend. Das Gegenpressing, also das Ball jagen nach Ballverlust, klappte, als sei der Geist von Gegenpressing-Guru und Ex-Dortmund-Trainer Jürgen Klopp ins Stadion gefahren, um persönlich zu klären. Allerdings stellte sich Union diesen Anstrengungen auch zunehmend wie Kerzenwachs entgegen.
 
Das war bis zum 3:0 in der 75. Minute zumindest in Sachen Resultat nicht weiter schlimm. Und doch alarmierend. Denn wie das Berliner Spiel spätestens nach rund einer Stunde so vor sich hin plätscherte, wie teilnahmslos Unions Spieler teilweise über den Platz schlufften, als seien sie Teil einer Hochzeitskapelle, die den halben Saal leer gespielt hat, aber eben für 90 Minuten bezahlt wurde und also einfach weiter dudelt - das sollte den Verantwortlichen der Köpenicker mehr zu denken geben als die Höhe der Klatsche.

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Dass Josip Juranovic vor dem 0:3 am eigenen Strafraum über seinen Gegenspieler lupfen (!) wollte, dass Dortmunds Maximilian Beier vor dem 4:0 im Berliner Strafraum gleich zwei Mal mit der Sohle über den Ball streicheln durfte und ihn anschließend mit der Sohle quer legen konnte, dass eben jener Beier beim 6:0 aus fünf Metern freistehend zum Kopfball kam, obwohl Union mit Leopold Querfeld kurz zuvor einen dritten Innenverteidiger eingewechselt hatte - groteske Episoden eines Spielverlaufs, der irgendwann ein Eigenleben entwickelte.
 
Doch wenn es stimmt, dass es zumeist nur wenige Prozentpunkte und Details sind, die auf Bundesliga-Niveau den Unterschied ausmachen, sollte Union bestens darauf achten, dass aus der angebrachten Fassungslosigkeit nach Spielschluss keine Methode wird.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.02.2025, 09:15 Uhr