Feuerzeug-Eklat beim Bundesliga-Spiel zwischen dem 1. FC Union und dem VfL Bochum (Quelle: IMAGO / Jan Huebner)

Sportrechtler über Feuerzeug-Eklat Sportrechtler über Urteil gegen Union: "Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters muss unantastbar sein"

Stand: 25.02.2025 18:22 Uhr

Union Berlin wehrt sich gegen die Umwertung des Spiels gegen Bochum. Im Interview spricht Sportrechtler Paul Lambertz über die Tragweite des Falls und erklärt, warum ein Urteil gegen Union "schlimmer für den Fußball als der Videoschiedsrichter" wäre.

rbb|24: Herr Lambertz, am Freitag geht es vor dem DFB-Bundesgericht in Frankfurt am Main um eine sportrechtliche Grundsatzfrage und um Punkte im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga. Der 1. FC Union hat gegen das Urteil des DFB-Sportgerichts, das Spiel zwischen den Berlinern und dem VfL Bochum nach dem Feuerzeug-Eklat nachträglich mit 2:0 für die Gäste zu werten, Einspruch eingelegt. Wie erfolgsversprechend ist diese Berufung?
 
Paul Lambertz: Ich fand schon das erste Urteil überraschend und nicht richtig. Von daher hoffe ich natürlich, dass die Berufungsaussichten extrem hoch sind.

Warum war das Urteil des DFB-Sportgerichts in Ihren Augen falsch?
 
In der Rechts- und Verfahrensordnung ist klar geregelt, wie damit umgegangen werden soll, wenn ein Spiel abgebrochen wird. Sprich: Wenn der Schiedsrichter die Sicherheit der Spieler oder die Sicherheit der Durchführung eines Spiels als gefährdet ansieht, kann er das Spiel abbrechen. Das Spiel wird dann gegen die Mannschaft gewertet, die den Spielabbruch verschuldet hat. Als Mannschaft hafte ich nach Paragraph 9a der Rechts- und Verfahrensordnung sogar verschuldensunabhängig für ein Fehlverhalten meiner Fans.
 
In diesem Fall ist es aber so, dass der Schiedsrichter – obwohl er gesehen hat, dass der Bochumer Keeper [von einem Feuerzeug; Anm. d. Red.] getroffen worden ist – mit seinen Assistenten und in Absprache mit dem "Kölner Keller" entschieden hat, dass dieses Spiel nicht abgebrochen wird.
 
Hierfür sehen die DFB-Regularien keine Regelung vor. Die erste Instanz des DFB-Sportgerichts fand das aber offensichtlich so ungünstig, dass sie nach einer Lösung gesucht haben, dieses von ihnen empfundene Unrecht geradezubiegen. So haben sie sich einer Analogie bedient und verkürzt gesagt: Das Spiel hätte abgebrochen werden müssen und Union hätte den Spielabbruch verschuldet. Für eine Analogie ist aber für mich kein Raum, deshalb finde ich diese Entscheidung auch so falsch.

Das Urteil ist auch deshalb brisant, weil es ganz unmittelbare Auswirkungen auf den Abstiegskampf hat – und das auch für Teams, die an diesem Spiel gar nicht beteiligt waren.
 
Ich sehe das auch kritisch, weil der Schiedsrichter [im vorliegenden Fall: Martin Petersen; Anm. d. Red.] nun mal derjenige ist, der das Spiel leitet. Er hat eine Entscheidung getroffen – sehr wahrscheinlich eben nicht leichtfertig und im Bewusstsein über die Tragweite der Auswirkungen im Abstiegskampf [sportschau.de].

Bochum-Torwart Patrick Drewes umringt vom medizinischen Personal und Spielern, nachdem er im Spiel beim 1. FC Union Berlin von einem Feuerzeug getroffen wurde (Bild: Imago Images/Matthias Koch)
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Die Frage ist doch, wo das hinführt, sollte die Entscheidung der ersten Instanz nicht aufgehoben werden. Das führt meines Erachtens dazu, dass man jeglichen Einsprüchen Tür und Tor öffnet. Jede Mannschaft könnte mehr oder weniger zwanglos behaupten, da hätte ein Spiel eigentlich abgebrochen werden müssen – aufgrund von Beleidigungen aus der Kurve oder Ähnlichem.
 
Und dann sitzen die Sportschiedsrichter in der nächsten Woche zusammen, um darüber zu entscheiden, wie der Schiedsrichter in der Hitze des Gefechts eigentlich hätte reagieren müssen. Das würde nicht nur die Sportgerichte lahmlegen und den sportlichen Wettbewerb verhindern, sondern vor allem auch die Position der Schiedsrichter massiv schwächen.
 
Denn damit wäre ihre Autorität untergraben, weil ihre Entscheidungen ständig von Sportgerichten überprüft werden würden. Dazu kommt noch, dass man dann wohl auch bei Spielabbruchsentscheidungen nachträglich würde eingreifen dürfen, wenn man sich nicht in Widerspruch zu seinen eigenen Regeln setzen wollte. Das kann aber nun wirklich keiner mehr wollen. Die Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters muss dem Grunde nach unantastbar sein. Würde die Entscheidung so bestehen bleiben, wäre das schlimmer für den Fußball als der Videoschiedsrichter.
 
Erhöht es Unions Erfolgsaussichten, dass auch die beiden Wettbewerber Kiel und St. Pauli Einspruch eingelegt haben?
 
Auf jeden Fall erhöht es den Druck und zeigt die Bedeutung des Verfahrens für die Liga – auch wenn sich die Richter am DFB-Bundesgericht dem wohl ohnehin schon bewusst sind. Es gibt eine Rechtsfrage, die es zu beantworten gilt. Die rechtlichen Argumente sind schnell ausgetauscht. Es kann theoretisch sein, dass Pauli und Kiel Argumente vorbringen, die Union nicht gebracht hätte.

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Man muss ehrlicherweise sagen: Dieses Verfahren geht die ganze Liga und den gesamten deutschen Fußball etwas an. Denn die Fußballregeln des DFB gelten mehr oder weniger Eins zu Eins in sämtlichen Landesverbänden und damit in allen Spielklassen des deutschen Fußballs. So eine Entscheidung hat also absolute Signalwirkung.
 
Ähnlich wie bei Schiedsrichterentscheidungen auf dem Rasen geht es auch am Freitag vor Gericht um Auslegung. Welches Urteil erwarten Sie?
 
Ich hoffe, dass Bochums Einspruch gegen die Spielwertung als unbegründet zurückgewiesen wird. Alles andere fände ich unfair. Entscheidung B, mit der ich auch noch leben könnte, wäre die Ansetzung eines Wiederholungsspiels. Das Spiel sportlich umzuwerten, findet für mein Verständnis aber weder eine Grundlage im Regelwerk noch besteht die Notwendigkeit, eine analoge Regelung zu finden.
 
Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview führte Anton Fahl.