Neujahrsvorsätze Neujahrsvorsätze: Fünf Lehren, die Union aus 2023 ziehen sollte
Das neue Jahr steht vor der Tür und der 1. FC Union Berlin will vieles anders machen. Im letzten halben Jahr wurden Schwachstellen deutlich. Vereinspräsident Dirk Zingler und seine Mitarbeiter können daraus einige Lehren ziehen. Von Till Oppermann
1. Alles geht vorbei
Seit dieser Saison ist es Wettanbietern in Deutschland verboten, Quoten auf Trainerentlassungen anzubieten. Aber auch ohne diese Zahl als Beleg anführen zu können: Dass Urs Fischer in der Winterpause nicht mehr Union-Trainer ist, damit hätte vor der Saison niemand gerechnet.
Der Schweizer prägte in seinen fünfeinhalb Jahren beim 1. FC Union die erfolgreichste Zeit des Vereins. Ein Aufstieg, ein Pokal-Halbfinale und jeweils einer Qualifikation zu allen europäischen Klubwettbewerben übertrafen jede Erwartung. Gemeinsam mit Sport-Geschäftsführer Oliver Ruhnert, der die Spieler einkaufte, die er jeweils zu erfolgreichen Fußballmannschaften formte, war Fischer das Gesicht des Erfolgs.
Im Laufe der Hinrunde wurden dann die Sorgenfalten auf diesem Gesicht immer tiefer. Nach zwei Siegen zu Saisonstart blieb Fischer so lange sieglos, bis er völlig ratlos war. Gemeinsam mit Union-Präsident Dirk Zingler entschied er im November, sein Engagement bei Union zu beenden. Alle mussten lernen: Auch die schönste Geschichte endet irgendwann.
2. Spielerische Entwicklung erfordert einen guten Plan
Als Grund für Fischers Misserfolg identifizierten viele Beobachter eine vermeintlich veränderte Transferpolitik. Mit Stars wie Robin Gosens und Leonardo Bonucci habe Union seinen Weg verlassen. Das stimmt so nicht, schließlich verpflichtete Ruhnert schon in der Vergangenheit immer wieder Spieler, die einen größeren Namen als der restliche Kader hatten, Stichwort: Max Kruse.
Präsident Zingler wies die Kritik deshalb kürzlich in einem Interview mit den Vereinsmedien zurück: "Wir haben gar nichts verändert, nichts", sagte er. Und vielleicht lag genau darin Unions Problem. Ein erklärtes Ziel im Sommer war die spielerische Weiterentwicklung der Mannschaft.
Oliver Ruhnert holte deshalb technisch beschlagene Spieler wie Brenden Aaronson und Kevin Volland oder den dribbelstarken Benedict Hollerbach. Sein Trainer Urs Fischer konnte mit keinem dieser Neuzugänge etwas anfangen.
Sie passten nicht in sein System. So spielte Volland häufig auf der falschen Position und Hollerbach gar nicht. Ihre Klasse zeigen sie erst seit Fischers Abgang. Es reicht nicht, einfach neue Spieler zu holen: Wer sich weiterentwickeln will, braucht einen gemeinsamen Plan.
3. Jugendarbeit ist wichtig
Eine der wenigen positiven Nachrichten des letzten halben Union-Halbjahrs war die Fertigstellung des neuen Nachwuchsleistungszentrums. Mit dieser verbesserten Infrastruktur wollen die Unioner eines ihrer größten Probleme in den Griff bekommen.
Während Stadtnachbar Hertha BSC für den Wiederaufstieg den "Berliner Weg" ausgerufen hat und auf zahlreiche Talente setzt, hat bei den Eisernen seit langen Jahren kein Eigengewächs mehr den Durchbruch geschafft. Gerade in den letzten Wochen, als die Leistungen der Mannschaft von fehlendem Selbstvertrauen und Angst geprägt waren, hätte junge Unbekümmertheit helfen können.
Mit Nachwuchsnationalspielern wie Aljoscha Kemlein, Yannic Stein und Levis Asanji lauern einige gute Spieler auf eine Chance. Trainer und Transfers können nicht immer funktionieren. Ein guter Unterbau bleibt auch bei Misserfolg.
4. Zusammenhalt ist wichtig und zeichnet Union aus
Trotz der beispiellosen Negativserie von 16 Spielen ohne Sieg wurde Unions Mannschaft nie ausgepfiffen. Stattdessen erinnerten sich die Fans an einen alten Klassiker aus ihrem Liederheft und sangen bei Rückständen: "Always look on the bright side of life".
Damit erstaunten sie sogar einen 36-jährigen Routinier: "Das habe ich nicht oft in Italien erlebt, der Support ist schon verrückt", sagte Leonardo Bonucci als die Fans mal wieder trotz einer Niederlage bis zum Ende gesungen hatten.
In den letzten Monaten mussten die alten und die neuen Fans bei Union beweisen, dass sie noch leiden können. Es ist ihnen gelungen. Trotz der sportlichen Talfahrt, trotz des Endes des Fanlieblings Urs Fischer und trotz der Champions League-Spiele im ungeliebten Olympiastadion ist der 1. FC Union eine Einheit geblieben. Womöglich war es nach den letzten Jahren ganz gut, das mal wieder zu überprüfen.
5. Der Verein braucht dringend ein größeres Stadion
Union hat sich in den letzten Jahren rasant verändert. Aus 21.000 Vereinsmitgliedern im Jahr 2018 sind mittlerweile knapp 63.000 geworden. Besonders deutlich wurde das bei den drei ausverkauften Spielen im Olympiastadion: "Wir haben am Ende über 210.000 Zuschauer gehabt, wir haben eine Menge neue Kontakte beim Sponsoring gewonnen", bilanzierte Dirk Zingler.
Gegner wie Neapel und Real Madrid leisteten sicherlich ihren Beitrag, aber in erster Linie waren die Spiele ein Beleg für die neue Zugkraft des 1. FC Union Berlin, der seiner beschaulichen Heimat in Köpenick längst entwachsen ist.
Die größte Aufgabe des Vereins wird es in den kommenden Jahren sein, endlich den seit 2017 geplanten Ausbau der Alten Försterei umzusetzen. "Wir wollen hier 2026/27 ein Stadion eröffnen mit einer Kapazität von knapp über 40.000 Zuschauern", kündigte Zingler an. Sein Verein braucht dieses größere Stadion dringend.
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.12.2023, 14:15 Uhr