Podcast-Macher über Fall Hoyzer Interview zum Fall Hoyzer: "Gehe davon aus, dass nicht alles aufgeklärt wurde"
Robert Hoyzer steht für einen der größten Wettskandale im deutschen Fußball. Am Dienstag ist es 20 Jahre her, dass die Enthüllungen ins Rollen kamen. Laurenz Schreiner hat für seinen Podcast den Fall recherchiert. Für ihn ist er heute noch relevant.
rbb|24: Sepp Herberger soll einmal gesagt haben: "Die Leute gehen ins Stadion, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht." Es ist eine Grundvoraussetzung des Spiels, dass es offen ist. Vor diesem Hintergrund: Wie sehr war der Fußball in Gefahr, als vor 20 Jahren bekannt wurde, dass Begegnungen von Robert Hoyzer so verschoben wurden, dass sie dem erwünschten Ergebnis entsprechen?
Laurenz Schreiner: Wir gehen davon aus, dass es theoretisch möglich ist, dass jedes Team das Spiel gewinnen kann. Auf diese Grundregel konnte man sich im Fußball jedenfalls verlassen. Wenn man aber erfährt, das Ganze ist im Vorfeld abgesprochen, wird es plötzlich zu einem vorgetäuschten Spektakel. Als herauskam, dass die unparteiische Instanz, die über die Grundregeln dieses Spiels wachen soll, gekauft wurde, da ging für einige sicher der Glaube an den Fußball verloren.
Für den Podcast "Verrat am Fußball" haben Sie mit Ihrer Kollegin Zita Zengerling den Wettskandal um Hoyzer ausgeleuchtet. Was hat Sie überrascht?
Am meisten hat mich überrascht, dass jemand wie Hoyzer das überhaupt macht. Er war ja schon sehr weit oben in dem Schiedsrichter-System, das recht hierarchisch aufgebaut ist: Du musst lange arbeiten, um von unten nach oben zu kommen, musst immer wieder Prüfungen absolvieren, musst in den richten Spielen perfekt performen, sobald du unangekündigt beobachtest wirst von einem erfahreneren Schiedsrichter. Das ist alles nicht einfach. Und Hoyzer war damals ja schon Zweitliga-Schiri. Er hatte gute Chancen, noch höher zu kommen. Im Zuge der Recherchen wurde uns zum Beispiel berichtet, dass Hoyzer über eine außergewöhnliche Präsenz auf dem Platz verfügt habe. Das alles aufs Spiel zu setzen, für vergleichsweise wenig Geld, das wunderte mich.
Hoyzer hat für 67.000 Euro und einen Plasmafernseher mehrere Spiele verpfiffen, unter anderem eine Pokalpartie zwischen dem damaligen Spitzenklub Hamburger SV und dem Regionalligisten SC Paderborn. Haben Sie nach Ihren Recherchen eine Antwort, was ihn motiviert hat?
Es gibt verschiedene Erklärungen. Eine davon: Er wollte irgendwie dazu gehören. Er hat ja damals mit den Drahtziehern auch neue Freunde gewonnen, die ein Café in Charlottenburg hatten. Sie waren zusammen feiern und da wurde angesprochen, ob Hoyzer nicht etwas drehen könnte. Vielleicht ging es ihm dabei auch darum, so das schnellere Geld zu verdienen. Oder um Nervenkitzel. Schwierig einzuschätzen. Hoyzer äußert sich dazu heute nicht mehr.
Nachdem Hoyzer eine Beteiligung an Manipulationen zunächst abstritt, wurde er später zum Kronzeugen in dem Fall, gab Interviews, ist zu Johannes B. Kerner in die Talkshow gegangen. Wieso der Schritt in die Öffentlichkeit?
Man muss sich vor Augen führen: Die WM 2006 im eigenen Land stand vor der Tür. Die Ansage von ganz oben, vom Bundesinnenminister Otto Schily, lautete, dieses Ding müsse jetzt schnellstens aufgeklärt werden. Es ging darum, nicht mit einem offenen Korruptionsskandal in das größte Fußballturnier der Welt gehen. Das waren die äußeren Umstände. Hoyzer selbst könnte die Motivation gehabt haben, dass er diese Geschichte selbst erzählen wollte. Ich würde da aber keine riesige Strategie vermuten.
Wie hat sich seither der Blick auf Schiedsrichter verändert?
Die Schiedsrichter standen danach richtig unter Beschuss. Ihnen wurde für den Moment das wichtigste genommen, was sie haben und das ist Glaubwürdigkeit, außerdem Unparteilichkeit. "Du Hoyzer" war eine gängige Beleidigung in Stadien. Auf der anderen Seite hat sich der Ruf auch schnell wieder erholt.
Sie selbst pfeifen als Schiedsrichter in der Landesliga.
Genau. Ich nehme wieder eine Wertschätzung des Schiedsrichterwesens wahr. Klar gibt es immer wieder Diskussionen. Aber den Vorwurf der Käuflichkeit, den gibt es 20 Jahre später so eigentlich nicht mehr. In den oberen und unteren Ligen geht man davon aus, dass der Referee kein Geld bekommt.
Tatsächlich gab es Deutschland seither nur noch wenige Verdachtsfälle.
Aber ich glaube, die Gefahr, dass so etwas passiert, die ist immer da, solange auf Fußball gewettet wird und man Geld mit den Ergebnissen von Fußballspielen machen kann. Da müssen gar nicht so viele Menschen dahinterstecken.
Um die bereits angesprochenen Pokalpartie zwischen Paderborn und dem HSV zugunsten der Wettpaten zu manipulieren, pfiff Hoyzer unter anderem wahnwitzige Strafstöße. Wären solche offensichtlichen Fehlentscheidungen eines Schiedsrichters überhaupt noch möglich - wo heute noch mehr Kameras die Spielszenen einfangen und wo es, zumindest im Spitzenfußball, den VAR gibt?
In den oberen Ligen sind mittlerweile einige Sicherheitsnetze gezogen, beispielsweise auch deutlich kurzfristigere Spielansetzungen oder eben die stärkere Beobachtung von Spielen. Solche krassen Fehlentscheidungen wie von Hoyzer bei der Pokalpartie, die hast du fast nicht mehr. Wir streiten zwar ständig über Schiedsrichterentscheidungen in der ersten und zweiten Liga. Aber dass da mal was dabei ist, wo man sagt, das ging völlig daneben, das ist eher selten. Aber man kann halt auch in den Ligen weiter unten wetten, wo die Beobachtung nicht so stark ist.
Glauben Sie, es sind im Betrugsfall um Robert Hoyzer alle Details offengelegt worden?
Nein, das glaube ich nicht. Das haben wir gemerkt bei unserer Recherche. Wir haben auch noch mal mit Spielern gesprochen, die womöglich auch drin hingen, die vom Skandal erzählt haben und gesagt haben, sie wollen aber auf keinen Fall öffentlich darüber reden. Ich gehe davon aus, dass nicht alles aufgeklärt wurde, auch weil der Druck vor der Heim-WM damals so groß war. Die größten Stränge mit Hoyzer und den Haupttätern, die wurden aber aufgedeckt, das glaube ich schon.
Heute sind Sportwetten populär. Die Fußballklubs werben aktiv damit. Wie absurd hätte man das vor 20 Jahren wohl gefunden?
Sportwetten waren schon damals populär. Aber klar: Heute sind Wettanbieter auf den Trikots, wir sehen TV-Experten regelmäßig in entsprechenden Werbespots. Nach der Auflösung des Falls Hoyzer hätte man erwarten können, dass Sportwetten einen schlechteren Ruf bekommen und dass damit niemand mehr etwas zu tun haben will. Wie sich das gewandelt hat, war sicher nicht abzusehen gewesen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Shea Westhoff, rbb Sportredaktion
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.01.2024, 13:15 Uhr