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Herthas Dennis Smarsch Herthas Dennis Smarsch: Der Torhüter, der nicht spielen soll – und trotzdem glücklich ist
Dennis Smarsch gehörte zum "goldenen" 1999er Jahrgang der Jugend von Hertha BSC. Die große Karriere blieb dem Berliner jedoch bis heute verwehrt. Seit 2024 ist Smarsch als "Trainingstorhüter" zurück bei Hertha – ohne Spielzeit, aber mit Freude. Von Marc Schwitzky
Dennis Smarsch hat ein Grinsen im Gesicht, wenn er von früher erzählt - da sei alles noch unbeschwert gewesen. Über die Reinickendorfer Füchse, den SC Borsigwalde und den BSC Rehberge geht es 2010 für den gebürtigen Berliner zum großen Traditionsverein Hertha BSC. Mit elf Jahren wird für Smarsch ein Traum wahr: Der junge Torhüter wird Teil der Mannschaft von Palko Dardai, dem Sohn von Hertha-Rekordspieler und langjährigen Trainer Pal Dardai.
Es entsteht ein besonderes Verhältnis. Palko lädt oft in den Garten der Dardais ein - eine Grünfläche, auf der Papa Pal nicht nur seine eigenen drei Söhne mit zu Nationalspielern formt, sondern auf der er auch ihren Team-Kameraden aus der Hertha-Jugend Extra-Einheiten schenkt.
"Ich habe sehr oft da gespielt. Der Spaß stand zwar im Vordergrund, aber es hieß damals schon, dass man Gas geben muss", erinnert sich Smarsch heute.
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Der "goldene" 1999er-Jahrgang
In der U17 merkt Smarsch, dass es für ganz oben reichen könnte - auch weil Pal Dardai zu diesem Zeitpunkt Trainer der Hertha-Profis ist. Der Ungar, als Trainer selbst aus dem Nachwuchs gekommen, hat eine große Vision für den Jahrgang, den er in der U13 und U15 selbst trainiert hat. Er nennt ihn den "goldenen" 99er-Jahrgang, schwärmt davon, mit ihm ein "Mini-Ajax" mit vielen Eigengewächsen in der Profi-Startelf aufzubauen.
Großen Druck spürt Smarsch, damals Stammtorwart der Mannschaft und U-Nationaltorhüter, nicht, wie er sagt. "Für uns war es größtenteils Spielspaß und ein Treffen mit der Familie. Wir haben so lange zusammen gespielt, Tage und Nächte im Zug verbracht, die Schule zusammen absolviert, einfach alles zusammen gemacht." Und nebenbei gewinnt der 1999er Jahrgang Spiel um Spiel, Turnier um Turnier.
Die Mannschaft spielt fast acht Jahre zusammen – bis zum Sommer 2018. Ihr letztes gemeinsames Spiel ist das U19-Meisterschaftsfinale, das sie mit 3:1 gegen Schalke 04 gewinnen. "Die U19-Meisterschaft war für mich das Ende eines Kapitels", blickt Smarsch zurück. "Das war unsere Belohnung zum Abschluss."
Denn dann kommt der Cut: Manche Spieler rücken zu den Profis auf, andere schaffen den Sprung (noch) nicht, wieder andere gehen ganz.
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Dennis Smarsch hält den Pokal nach dem Gewinn der deutschen U19-Meisterschaft hoch. (Foto: IMAGO / Eibner)
Die harte Realität der Bundesliga
Smarsch, heute 26 Jahre alt und fast zwei Meter groß, erhält damals einen Profivertrag und wird ins Torhüterteam um Rune Jarstein, Thomas Kraft und Marius Gersbeck aufgenommen. Torhüter Zsolt Petry hält große Stücke auf den Nachwuchskeeper. Er ist der Ansicht, dass Smarsch irgendwann die Nummer eins des Hauptstadtklubs werden könnte.
Große Erwartungen - aber auf dem Platz sehe alles dann immer anders aus, sagt Smarsch. Im November 2019 gibt er überraschend sein Bundesliga-Debüt, als er den vom Platz gestellten Jarstein ersetzt. Die Partie endet mit einer 0:4-Niederlage, Trainer Ante Covic muss daraufhin gehen. Aus der Traum, Smarsch kommt in der harten Realität der Bundesliga an. "Ich bin danach zwar nicht in eine Krise gerutscht, aber habe mir einen Mentaltrainer genommen, weil das alles sehr viel für mich war", erzählt der 26-Jährige. "Ich stand plötzlich mehr im Rampenlicht, alles, was ich machte, wurde plötzlich auf die Goldwaage gelegt."
Die psychologische Arbeit habe ihm sehr geholfen, sagt Smarsch. Am letzten Spieltag erhält er gegen Mönchengladbach noch einmal die Chance im Bundesliga-Tor. "Wir verloren zwar, aber ich hatte meiner Meinung nach ein super Spiel gemacht - da sieht man, dass das Mentale enorm viel ausmacht.
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Zwei Schritte nach hinten, keiner nach vorne
Es sollen keine weiteren Spiele für Herthas Profis hinzukommen. Smarsch verlässt 2020 den Klub und damit seine Heimatstadt - und wechselt in Hoffnung auf mehr Spielzeit zu Zweitligist St. Pauli.
Drei Jahre soll der Berliner in Hamburg bleiben, doch zur unumstrittenen Nummer eins wird er nie. "Es war eine Achterbahn der Gefühle", erinnert sich Smarsch. "Dann merkt man zum ersten Mal, dass das Fußballgeschäft nicht immer schön ist." Zwar habe ihn Hamburg menschlich reifen lassen und Einsätze in Spielen wie dem Pokal-Achtelfinale gegen Borussia Dortmund hätten ihm sein "bisheriges Karriere-Highlight" gebracht - doch endgültig glücklich wird er bei St. Pauli nicht, wie Smarsch sagt. Er habe sich mehr Vertrauen gewünscht, vor allem als so junger Torhüter. Nach nur 16 Profi-Einsätzen endet seine Zeit in der Hansestadt.
2024 wechselt er zum MSV Duisburg in die 3. Liga. Wieder eine Liga runter und ein Schritt zurück, um endlich Stammtorhüter eines Vereins zu werden. Auf das Angebot hatte er zudem lange warten müssen. "Da merkt man: Der Profi-Fußball ist nicht geduldig und wartet auf niemanden."
Das Jahr in Duisburg wird zu einem verlorenen. Einen offenen Kampf ums Tor gibt es - anders als versprochen - nicht. Smarsch soll nur ein Spiel für Duisburg absolvieren, in der 1. Runde des Landespokal Niederrhein gegen den FSV Vohwinkel. Aber inzwischen bilanziert Smarsch: "Ich kann über die Zeit in Duisburg aber sagen: Das ist abgehakt."
Die Rückkehr nach Berlin
Nach Duisburg befindet sich Smarschs Karriere im freien Fall, trotz all der Lobeshymnen zu seiner Jugendzeit. Mitte 20 und in keiner Liga bislang zum etablierten Stammtorhüter geworden – was soll da noch kommen?
Doch im Frühjahr - als er sich bereits mental von Duisburg löst – hat ihn Andreas Menger, Herthas Torwarttrainer, kontaktiert und Smarsch die Rückkehr zur "alten Dame" angeboten. "Ich kriege heute noch Gänsehaut: Hertha und Berlin - das ist einfach meine Familie", wird der eher trockene Smarsch regelrecht rührselig, wenn er an das Telefonat zurückdenkt. "Ich kenne hier jeden Kieselstein, das ist mein Zuhause." Smarsch berät sich mit seiner Frau, ebenfalls Berlinerin. Für die beiden ist es nach dem ersten Gespräch entschieden: Es geht wieder nach Hause.
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Dennis Smarsch begrüßt die Hertha-Fans. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)
Es kann sehr schnell gehen
Menger hat eine klare Rolle für Smarsch vorgesehen: "Trainingstorhüter". Dieser steht als klare Nummer vier Herthas hinter Tjark Ernst, Marius Gersbeck und Tim Goller. Er soll im Training für gewisse Spielformen, die mehr Torhüter benötigten, bereitstehen. Zudem fährt er als Nummer drei mit zu den Spielen, hilft beim Aufwärmen und wäre der Ersatz auf der Bank, sollten Ernst oder Gersbeck kurzfristig ausfallen.
Smarsch ist Torhüter, der nicht spielen soll - aber dennoch mittendrin ist. "Ich trainiere so wie jeder andere Spieler, gebe ordentlich Gas und bin komplett integriert. Dass ausgerechnet er für jene Rolle im Kader ausgewählt wurde, kann er sich leicht erklären. "Ich habe schon vor ein paar Leuten gespielt. Tritt also der Fall ein, dass ich plötzlich spielen muss: Ich hätte keine Angst."
Dass es ganz schnell gehen kann, zeigt der Rückrundenauftakt der laufenden Spielzeit. Ernst fällt sehr kurzfristig aus, der mitgereiste Smarsch sitzt plötzlich in der 2. Bundesliga auf der Bank. Wäre Gersbeck im Spiel etwas zugestoßen, hätte Smarsch nach drei Jahren auf einmal wieder ein Zweitligator gehütet.
"Scheinbar muss ich es ja irgendwie lieben"
Doch so weit ist es bislang nicht gekommen. Für Smarsch stehen einzig ein paar Testspiele auf dem Konto. Eine Aussicht auf Spielzeit gibt es quasi nicht. Wie motiviert er sich dennoch jeden Tag? "Ich glaube, man muss es lieben. Scheinbar muss ich es ja irgendwie lieben, dass ich jeden Tag herkomme und Gas gebe", sagt Smarsch und fügt mit Inbrunst hinzu: "Ich liebe die Kabine, ich liebe es, mit den Jungs zu quatschen und im Kraftraum zu sein. Ich liebe das Training mit den anderen Torhütern, sich zu unterstützten und weiterzuentwickeln. Das macht mega Spaß."
Es sei aber auch eine Typfrage, ob man solch eine Rolle für sich annehme und dennoch weiter inneren Antrieb verspüre. So wie es aktuell ist, sei es völlig okay für ihn, bekräftigt "Smash", wie er von seinen Mitspielern genannt wird.
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Mittendrin, aber nur selten dabei: Dennis Smarsch (r.) bei Spielen von Hertha BSC. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)
Ein gemischtes Zwischenfazit
"Natürlich denkt man ab und zu darüber nach, dass es auch besser hätte laufen können. So ist es aber nicht gekommen", sagt Smarsch. "Jetzt habe ich die Möglichkeit, jeden Tag darüber nachzudenken und in Trauer zu versinken - aber das bringt mir ja nichts."
Er habe in den Jahren auch gelernt, dass es Dinge außerhalb des Fußballs gibt, der Sport nicht an allererster Stelle steht. "Familie und Freunde sind, das ist mir in der schwersten Zeit bewusst geworden, das Schönste überhaupt. Das sind die, die unabhängig von Erfolg immer da sind."
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Das kleine Träumchen
Mit 26 Jahren hat Smarsch noch viel Karriere vor sich. Als auserzählt will er sie auf keinen Fall begreifen. Klar sei für ihn: "Ich fühle mich bei Hertha sehr wohl und es ist kein Geheimnis, dass ich noch lange bleiben möchte. Hertha BSC ist mein Verein und Berlin meine Stadt. Ich bin Andi Menger sehr dankbar, dass er mir die Chance gegeben und mich wieder auf ein gutes Niveau gebracht hat." Würde ihm der Verein anbieten, in demselben Modell einfach weiterzumachen, würde er einschlagen, sagt er.
Und trotzdem: "Wenn noch ein paar Spiele dazukommen, wäre ich sehr froh", sagt Smarsch. "Ich habe noch nie in einem Pflichtspiel im Olympiastadion gespielt - das wäre schon ein kleines Träumchen."
Sendung: rbb Der Tag, 28.02.2025, 18 Uhr