Gelebte Inklusion Gelebte Inklusion: Beim B.R.C. Hevella in Spandau sitzen alle gemeinsam in einem Boot
Beim Club Hevella rudern Menschen mit und ohne Handicap oft zusammen. Wo die Inklusion gut funktioniert und warum es auch Hürden gab und gibt, hat unser Special-Olympics-Reporter Sebastian Stuart bei einem Trainingsbesuch herausgefunden.
Ich habe am 17. März am Training des Ruderclubs Hevella auf der Spree bei Spandau teilgenommen. Mit der Trainerin und Betreuerin Monika Tampe waren wir insgesamt elf Personen und sind in drei gesteuerten Gig-Booten, einem Bootstyp für das Wanderrudern, zusammen gerudert. Und es war wie es oft beim B.R.C. Hevella ist, saßen Menschen mit körperlicher und geistiger und ohne Einschränkung in einem Boot.
Zum Abschluss gab es ein gemeinsames Zusammensitzen bei heißer Schokolade, Kaffee und Keksen im Vereinshaus. Die Mannschaft und ihre Trainerin haben mir von ihrem gemeinsamen Vereinsleben und der dort gelebten Inklusion berichtet.
Schwerpunkt: Wanderrudern
Im Verein Hevella wird vor allem Wanderrudern betrieben. Beim Wanderrudern geht es nicht um Wettkämpfe, sondern das Erreichen selbstgesteckter Ziele, etwa eine gewisse Kilometeranzahl am Stück zu rudern sowie eine Teilnahme an Wander- und Sternfahrten. Zu den besonderen Anlässen, wie dem Berliner An- und Abrudern, der Berliner Sommerregatta sowie der Fahrt "Quer durch Berlin" nehmen die Clubmitglieder gemeinsam und besonders gerne teil. Hierbei sitzen Menschen mit und ohne Handicap gemeinsam in einem Boot.
Handicap-Gruppen-Mitglied Clara hat bereits an einer Weltmeisterschaft teilgenommen. Die 40-Jährige erzählte mir, "in unserem Verein ist es wie in einer Familie". Die Trainerin Monika Tampe betont: "Wir verstecken uns hier nicht, sondern wir gehen auch nach außen und zeigen, dass wir von Hevella sind […] und treten dort gemeinsam auf. Und dadurch sind wir überall bekannt."
Zu Beginn Hürden für die Handicap-Abteilung
Ein Teil des Ruderprogramms des Vereins Hevella sind Zielfahrten, diese finden von April bis Oktober statt und bedeuten, dass mindestens 20 Kilometer am Stück gerudert werden. Wanderfahrten können abenteuerlich sein, das ist auch ihr Reiz. So berichtet Mitglied Rudi, dass er bei einer Zielfahrt im starken Regen vom Steg ins Wasser gefallen ist. Hierüber kann die ganze Mannschaft gemeinsam mit Rudi und der Trainerin lachen. Spaß gehört dazu, ohne Spaß gibt es auch keine guten Leistungen.
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Als die Handicap-Abteilung 2003 gegründet wurde, gab es durchaus einige Hürden zu überwinden. Manche Mitglieder hatten ihre Probleme mit der Handicap-Abteilung. Ihre Angst war, die Menschen mit Handicap würden die Qualität des Ruder-Trainings verschlechtern, da sie angeblich schlecht rudern würden. Jetzt gibt es keine Berührungsängste mehr. Heute übernehmen einige Mitglieder der Handicap-Gruppe selbstverständlich Aufgaben im Verein und sitzen auch in Gremien wie dem Sportausschuss. Clara lobt dies: "Das ist sehr angenehm, da man so weiß, wie der Hase läuft."
Teambuilding auch außerhalb des Rudersports
Die Handicap-Gruppe trainiert vor allem für Wettkämpfe. Am Dienstag arbeitet die Handicap-Gruppe zusammen und verbessert ihre Ruder-Technik für Special-Regatten. Mittwoch, Samstag und Sonntag trainieren alle Mitglieder gemeinsam. Kurz vor Wettkämpfen trainiert die Handicap-Gruppe zwei Mal wöchentlich allein, um sich konzentriert auf die Wettkämpfe vorzubereiten. Die Erfolge der Handicap-Gruppe haben nach Einschätzung der Trainerin den gesamten Verein bekannter gemacht. Dies hat zu einer deutlichen Wertschätzung der Ruderer mit Beeinträchtigung geführt.
Special-Olympics-Reporter Sebastian Stuart bei seinem Trainingsbesuch beim BRC Hevella.
Die Handicap-Gruppe betreibt auch außerhalb des Rudersports Teambuilding, z.B. beim Kinobesuch, gemeinsamen Tischtennisspiel oder dem Besuch des Grips-Theaters. Beim monatlichen Mittwochsessen sitzen dann aber alle Mitglieder des Vereins gemeinsam am gedeckten Tisch.
Menschen mit geistiger Behinderung finanziell oft benachteiligt
Allerdings ist die Teilnahme an teuren Wanderfahrten für die Handicap-Gruppe sehr eingeschränkt. Dies liegt daran, dass alle Mitglieder in Werkstätten für Menschen mit Behinderung arbeiten und nicht mehr als 200 Euro im Monat verdienen. Da ist eine Wanderfahrt für 80 Euro leider nicht drin. Hier fehlt es an Unterstützung und das zeigt, dass Menschen mit geistiger Einschränkung finanziell oft sehr benachteiligt sind. Zum Ausgleich organisiert die Trainerin jedoch Tagesfahrten und gelegentlich ein gemeinsames Ruder-Wochenende.
Außerdem gab es letztes Jahr bei den Special Olympics Weltspielen in Berlin zu Anfang durchaus Probleme mit der Freistellung durch die Werkstatt. Tom und Dennis berichteten, dass sie für ihre Öffentlichkeitsarbeit für das Special-Rudern während der World Games erst nicht freigestellt werden konnten. Erst der Einsatz der Trainerin und des DRV (Deutscher Ruderverband) konnte die Werkstätten zum Umdenken bewegen.
Barrierefreiheit ist auch die Barrierefreiheit in den Köpfen, von den Menschen, die ablehnen mit Behinderten Sport zu treiben.
Die Gruppe ist stolz auf ihre Trainerin Monika Tampe, die sehr für die Anerkennung von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung im Rudersport kämpft. Diese sagt zum Abschluss: "Barrierefreiheit ist auch die Barrierefreiheit in den Köpfen, von den Menschen, die ablehnen mit Behinderten Sport zu treiben." Mich hat die gelebte Inklusion bei Hevella sehr beeindruckt und ich kann dem Schlusswort der Trainerin nur sehr zustimmen.