St. Paulis Spieler sind enttäuscht

Bundesliga So kann Blessins St. Pauli in der Bundesliga nicht bestehen

Stand: 17.09.2024 13:15 Uhr

Drei Spiele, drei Niederlagen - und wenig Aussicht auf Besserung. Das ist nach drei Bundesliga-Spieltagen die Bilanz von Aufsteiger FC St. Pauli, der in dieser Verfassung nicht in der Liga bestehen wird. Kaderstärke, individuelle Qualität und Spielsystem von Trainer Alexander Blessin - die Kiezkicker haben zu viele Problemherde.

Von Martin Schneider

Es ist ja nicht so, dass die Spieler der Braun-Weißen nach dem verunglückten Saisonstart unkritisch mit sich oder der Situation umgehen würden. "Ich bin sprachlos, ich bin traurig. Drei Niederlagen - es ist eine schwierige Situation", sagte etwa der beim 1:3 in Augsburg eingewechselte Elias Saad, während Kapitän Jackson Irvine über die wieder einmal kassierten "billigen Gegentore" fluchte. St. Paulis erster Bundesliga-Torschütze seit 13 Jahren, Carlo Boukhalfa, schob noch eine Durchhalteparole hinterher: "Wir müssen dranbleiben, dann werden die Punkte auch kommen." 

Aufstiegs-Sommer mit großem Aderlass

Die Frage ist: wie? Viele der Probleme von St. Pauli sind hausgemacht und haben ihren Ursprung in einem turbulenten Sommer, in dem der Club seinen Coach Fabian Hürzeler an Brighton Hove & Albion verlor. Der Trainer des Monats August in der Premier League formte am Millerntor ein fußballerisch starkes Kollektiv, was gemeinsam und positionsübergreifend gegen den Ball arbeitete - und vor allem ansehnlichen Offensiv-Fußball spielte.

Blessins System ohne Saad und Afolayan ein Problem

Von dieser spielerischen Leichtigkeit der Vorsaison ist unter Hürzelers Nachfolger Alexander Blessin nichts mehr zu sehen. Statt im 3-4-3-System agiert das Team nun in dem von Blessin verordneten 3-5-2. Damit beraubt sich der Verein seiner Stärken aus der Aufstiegssaison, da die zwei Aufstiegshelden Saad und Oladapo Afolayan nicht in das System des neuen Trainers passen und draußen sitzen müssen.

In bislang jedem Bundesliga- und Pokalspiel dieser Saison wurde es immer erst besser, wenn die beiden eingewechselt wurden. Davor agierte St. Pauli bieder, uninspiriert und vor allem offensiv vollkommen harmlos.

Transfererlöse nicht in den Kader investiert

Das liegt auch daran, dass Top-Scorer Marcel Hartel die Hamburger ablösefrei in Richtung USA verließ - und nicht adäquat ersetzt wurde. Generell ist der Kader der Hamburger schwächer als in der Vorsaison. Dem Vernehmen nach haben die Norddeutschen 7,5 Millionen Ablöse für Hürzeler erhalten und noch einmal 1,5 Millionen für U17-Weltmeister Eric da Silva Moreira, der zu Nottingham Forrest wechselte. So gut wie nichts davon wurde von Sportchef Andreas Bornemann in den Kader reinvestiert.

Mit Morgan Guilavogui und Robert Wagner kamen zwei Leihspieler, zudem kosteten Fin Steven, Scott Banks und Ersatz-Torwart Ben Voll kleinere Ablösen. Während die drei Letztgenannten in der Bundesliga überhaupt keine Rolle spielen, müssen Wagner und vor allem Guilavogui ihre Bundesligatauglichkeit noch unter Beweis stellen.

Ist das Team gut genug?

Unter Blessin sind beide allerdings gesetzt, weil sie in sein System passen. Und wegen eben jenes 3-5-2 rutschen auch laut GSN-Datenindex "solide Zweitliga-Spieler" wie Boukhalfa und Lars Ritzka in die Startelf der Hamburger, während Profis mit deutlich mehr Potenzial wie Saad, Afolayan und Manolis Saliakas auf der Bank schmoren.

Aktuell scheint es so, als passen Trainer und Kader nicht richtig zusammen. Für den Fußball, den Blessin spielen lassen will, fehlen ihm Qualität und Tiefe in seiner Mannschaft. Offensiv hofften die St. Paulianer in jeder Partie bisher auf einzelne Momente, die sie nutzen wollten. Dafür fehlt ihnen die Durchschlagskraft und die individuellen Fähigkeiten. Defensiv bekamen die Hamburger immer dann Probleme, wenn der Gegner das Tempo anzog.

RB Leipzig kommt ans Millerntor

Mit Heidenheim, Union Berlin und dem FC Augsburg zum Start hatte der Club zwar schwierige, aber nicht unlösbare Aufgaben vor der Brust - und konnte nicht punkten. Und die dicken Brocken für die Braun-Weißen kommen erst noch. Am Sonntag (19.30 Uhr, im NDR Livecenter) empfangen die Hamburger dann RB Leipzig, eine individuell sehr gut besetzte und spielerisch starke Mannschaft. "Im Heimspiel gegen Leipzig wollen wir noch mutiger agieren", sagte Blessin nach der Niederlage in Augsburg, ohne dabei konkret zu werden.

Guilavogui angeschlagen - schlägt Saads Stunde?

Vielleicht ist der Trainer ohnehin zu einer taktischen Umstellung gezwungen: Guilavogui ist angeschlagen und könnte gegen die Sachsen ausfallen. Eine Chance für Afolayan und/oder Saad? "Ich komme immer raus aus dem Training und hoffe, dass ich am Wochenende von Anfang an spiele", sagte der tunesische Nationalspieler in Augsburg ganz offen. "Aber der Trainer hat gerade sein System und seinen Plan. Das ist halt so. Dementsprechend bekommen andere Spieler den Vorzug. Aber irgendwann kommt meine Chance."

31 Spiele und Chancen nachzuweisen, dass St. Pauli in die Bundesliga gehört, hat Blessin mit seiner Mannschaft noch. Wenn es, spielerisch und stimmungstechnisch, bei den Hamburgern so weiter läuft wie bisher, ist das Ziel Klassenerhalt schon früh in der Saison in akuter Gefahr.

Dieses Thema im Programm:
Hamburg Journal | 17.09.2024 | 19:30 Uhr