Immanuel Pherai vom Hamburger SV

NDR-Sport HSV-Profi Immanuel Pherai in Suriname: Das Abenteuer seines Lebens

Stand: 06.06.2024 14:06 Uhr

Immanuel Pherai hat am Mittwochabend sein Debüt für die Nationalmannschaft von Suriname gefeiert. Der Offensivspieler des HSV tauchte dabei in eine andere Fußball-Welt ab.

Von Hanno Bode

Das Leben eines Kabelträgers, es kann verdammt anstrengend sein - und zuweilen auch gefährlich. Der Mitarbeiter des lokalen TV-Senders, der vor dem Anpfiff des WM-Qualifikationsspiels von Suriname gegen St. Vincent/Grenadinen dafür verantwortlich zeichnete, dass dem Kameramann nicht der Strom ausging, wäre jedenfalls beinahe gestolpert. Grund dafür war ein rasanter Sprint des Mannes mit dem Aufnahmegerät auf der Schulter in Richtung Immanuel Pherai. Der 23-Jährige hatte sich nach dem Einlaufen und Aufstellen beider Teams ganz links positioniert und sollte nun beim Abspielen der Nationalhymne wie es üblich ist als erster Akteur gefilmt werden.

Pherai hielt wie alle seine neuen Teamkameraden während der Klänge von "God Be With Our Suriname" die linke Hand auf sein Herz. Mitgesungen hat der Neu-Nationalspieler zwar nicht. Doch ihm stand der Stolz über sein bevorstehendes Debüt für das Heimatland seines Vaters ins Gesicht geschrieben. Es folgten das obligatorische Mannschaftsfoto sowie ein paar kräftige Schlücke aus der Wasserpulle, schon bevor die Partie angepfiffen wurde. Denn bei fast 90 Prozent Luftfeuchtigkeit und Temperaturen über 30 Grad in der Hauptstadt Paramaribo hatten alle Akteure bereits vor ihrem ersten Ballkontakt Schweißperlen auf der Stirn.

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Polizisten mit Pistolen direkt am Spielfeldrand

Doch nicht nur die Witterungsbedingungen waren für Pherai außergewöhnlich. Auch der Untergrund - gespielt wurde auf Kunst- statt Naturrasen - sowie das ganze Ambiente hatten nicht viel gemein mit dem, was der 23-Jährige sonst gewohnt ist. So ist das André-Kamperveen-Stadion, Austragungort der Qualifikationspartie für die WM 2026, weit von den Standards einer modernen Fußball-Arena entfernt.

Wer zu schnell unterwegs ist, läuft beispielsweise Gefahr, auf den Gehwegplatten auszurutschen, die zwei Meter hinter einem der Tore verlegt wurden. Und auch der Bauzaun, der die Haupttribüne vom Spielfeld trennt, entspricht nicht den höchsten Sicherheitsstandards. Dass kurz hinter der Eckfahne ein Krankenwagen stand und sich davor ziemlich grimmig dreinschauende Polizisten mit Pistolen im Halfter sowie Schlagknüppeln aufgestellt hatten, mag das Sicherheitsgefühl der Akteure erhöht haben. Für Außenstehende war diese Szenerie eher schaurig.

Das erste Tänzchen gab's direkt am Flughafen

Dass die Uhren bei seinem Ausflug in eine andere Fußball-Welt anders ticken würden, das war Pherai natürlich bewusst, als er sich Ende Mai zum Abenteuer seines Lebens aufmachte. Was sich dann bei der Ankunft des Nationalteams auf dem Johan Adolf Pengel International Airport südlich von Paramaribo abspielte, dürfte seine Erwartungen übertroffen haben.

Denn auf Pherai und Co. warteten nicht nur einige in sehr engen Fußballhosen und -Trikots bekleidete Frauen, die von einem TV-Sender geschickt worden waren, sondern auch eine Kapelle, die der Auswahlmannschaft ersteinmal tanzend ein Ständchen spielte. Das wirkte ansteckend. Und so schwangen auch die Kicker schließlich vor dem Flughafengebäude die Hüften. "Es ist richtig geil hier", schilderte der HSV-Profi dem "Hamburger Abendblatt" seine ersten Eindrücke von seinem Trip in das Heimatland seines Vaters: "Suriname ist eine ganz andere Welt."

Pherais Traum: Mit Suriname zur WM 2026

Seine Entscheidung, für den kleinen südamerikanischen Staat aufzulaufen, kam durchaus überraschend. Schließlich hatte der in Amsterdam geborene Edeltechniker - seine Mutter ist Brasilianerin - diverse Partien für die niederländischen Junioren-Nationalmannschaften bestritten. Der Sprung in die A-Nationalmannschaft von "Oranje" schien für den 23-Jährigen in Anbetracht seines großen Potenzials perspektivisch keinesfalls illusorisch. Doch Pherai sah die bessere Perspektive für sich im Trikot des Fußball-"Zwergs" Suriname, aktuell 144. der FIFA-Weltrangliste.

Er träumt davon, sich mit dem Land für die WM zu qualifizieren. Immerhin sind für die Mannschaften aus der nord- und zentralamerikanischen und karibischen Fußballkonföderation (CONCACAF), wozu Suriname gehört, noch bis zu fünf Plätze zu vergeben für die WM 2026, die erstmals mit 48 Teams gespielt wird.

Sollte es nicht klappen, blieben ihm die nicht minder wertvollen Erfahrungen, die er bereits jetzt gemacht hat. "So etwas würde ich woanders nie erleben", hatte der frühere Braunschweiger und Dortmunder vor seinem Debüt gesagt: "Ich bin sehr froh über meine Entscheidung."

HSV-Profi überzeugt beim Sieg gegen St. Vincent/Grenadinen

Sein Einstand für Suriname verlief dann auch nach Maß. Pherai, der mit der Rückennummer sechs auflief, war maßgeblich daran beteiligt, dass die Gastgeber die Partie nach einem 0:1-Rückstand noch mit 4:1 gewannen. Zunächst holte der HSV-Profi einen Strafstoß heraus, den der frühere Bundesliga-Angreifer Sheraldo Becker zum Ausgleich verwandelte (39.). Kurz vor dem Seitenwechsel bereitete der 23-Jährige die 2:1-Führung mit einer präzisen Flanke auf Jeredy Hilterman vor (45.).

Nach 75 Minuten wurde Pherai beim Stand von 4:1 für Suriname unter großem Applaus der Fans ausgewechselt. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die Dunkelheit über Paramaribo hereingebrochen. Der Hamburger verschwand im pfahlen Licht im Bauch des Stadions - aber noch nicht aus Suriname. Am Sonnabend steht eine weitere Partie für ihn und seine neue Teamkameraden an. Dann geht es auswärts gegen Anguilla. Der Weg dorthin wird das nächste Abenteuer für den HSV-Kicker. Denn zunächst wird die Mannschaft mit dem Flugzeug nach Sint Maarten reisen und von dort aus per Schiff auf die Karibikinsel fahren. Es gibt fraglos tristere Dienstreisen im Leben eines Zweitliga-Fußballers...

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