
NDR-Sport Hansa-Boss Wehlend: "Wenn die Fans nicht mitmachen, wird es nicht gehen"
Hansa Rostocks Vorstandschef Jürgen Wehlend ärgert sich über die jüngste Gewalt im Umfeld des Fußball-Drittligisten. Das umso mehr, weil er den Club zuvor auf einem ordentlichen Weg wähnte - im "guten Austausch" mit einem Teil der Ultras und einem "Schulterschluss" in der Führung.
Dass es in der jüngeren Vergangenheit "hier wieder total eskaliert ist, alle am 25. Spieltag (gegen Dynamo Dresden, d. Red.) durchdrehen", sei "einfach nicht zu tolerieren", sagte Wehlend am Sonnabend im Gespräch mit dem NDR am Rande des 0:0 gegen den 1. FC Saarbrücken. "Das müssen wir ändern."
Den Vorstandschef des FC Hansa Rostock ärgert die Gewalt im Heimspiel gegen Dresden Ende Februar umso mehr, da man nach dem von schweren Ausschreitungen begleiteten Abstieg aus der 2. Liga im vergangenen Mai in dieser Saison "eigentlich einen guten Weg genommen" habe.
Zur vom 59-Jährigen angesprochenen jüngsten Eskalation zählt neben den Ausschreitungen beim Ost-Duell (1:0) vor allem das Auswärtsspiel bei Alemannia Aachen (1:2) vor der Länderspielpause, als FCH-Anhänger Toiletten verwüsteten und 700 Sitzschalen herausrissen. Es sei immer wieder eine "gewaltbereite, gewaltsuchende Minderheit, die das ausmacht", so der Vorstandschef.
Wehlend für "Prozess aus dem Inneren heraus"
Liegt in der Formel "Weniger Fans gleich weniger Ärger", also etwa einem Teilausschluss der Anhänger, ein Ansatz? Für Wehlend nicht. Der Prozess könne "nur aus dem Inneren heraus kommen, aus dem Stadion, von den Rängen. Die müssen gemeinsam dafür sorgen, dass das nicht passiert."
Was ihn positiv stimme, ist, "dass wir in einem guten Dialog mit der organisierten Fanszene sind", so Wehlend. Mit denen, "die für uns zugänglich sind".
"Die jetzt getroffenen Maßnahmen sind weiße Salbe ohne jede Wirkung."
— OLG-Präsident Kai-Uwe Theede
Und doch wurde der Club nach der Eskalation der Gewalt in Aachen tätig: Bei Auswärtsspielen gibt es nur ein Ticket pro Vereinsmitglied. Kai-Uwe Theede, Präsident des Oberlandesgerichts und selbst Hansa-Anhänger, kritisiert das: "Die jetzt getroffenen Maßnahmen sind weiße Salbe ohne jede Wirkung. Die Auswärtstickets werden nicht nur an Mitglieder verkauft, sondern auch an Fan-Gruppierungen gegeben. Das heißt auch: Wer in Essen ins Stadion hinein will, der wird auch hinein kommen."
Am nächsten Sonntag reist Hansa zu RWE - eine Partie mit Vorgeschichte. Vor dem Hinspiel attackierten Rostocker Anhänger einen Fanzug aus Essen. Das "Rückspiel" wird nun unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen stattfinden - zum einen wurde die Partie auf den späten Sonntagabend (19.30 Uhr, im NDR Livecenter) gelegt, zum anderen wird der FCH keine Sitzplatzkarten bekommen. Macht rund 600 Tickets weniger.
OLG-Präsident Theede glaubt, dass der Club externe Hilfe benötigt
Klar ist schon jetzt: Der Imageschaden für den FC Hansa, für die Region und die tausenden friedlichen Anhänger ist groß. Theede glaubt, dass der Club externe Hilfe benötigt: "Der Verein alleine hat nicht die Kapazität und die Expertise, das Problem zu lösen." Es gebe, so seine Ansicht, "allerlei fachkompetente Externe".
Ein Ruf auch in Richtung der Politik. Innenminister Christian Pegel (SPD) sagt, die Landesregierung rede regelmäßig mit der Club-Führung - auch er selbst. "Sollte der Verein also sagen, 'wir brauchen einen runden Tisch mit allen Beteiligten', wären wir die Letzten, die sich dem verschließen", so Pegel.
Innenminister Pegel nimmt Club in die Pflicht
Für ihn stehe aber auch trotz der jüngsten Ausschreitungen vor allem im Fokus, "alles, was der Verein tun kann an Sicherheitsmaßnahmen, zu ergreifen, damit es gar nicht zu Gewalt-Exzessen kommt". Sollte das nicht ausreichen, bliebe die Weiterreichung von Gebühren für Polizei-Einsätze "eine gute Möglichkeit, den Druck aufrecht zu erhalten".
OLG-Präsident Theede glaubt nicht, dass der Verein mit seinen Sicherheitsmaßnahmen alleine für eine Beruhigung sorgen werde. Nicht, weil er Wehlend das Bemühen abspricht. Was der Vorstands-Boss sage, meine er auch ernst, da habe er "keinen Argwohn. Bei anderen wäre ich da weniger sicher."
Konkret meint er die Rostocker Ultra-Szene, die sich, "was ich grundsätzlich sehr positiv finde", sehr aktiv einbringe, so Theede. "Allerdings bringt die Ultra-Szene in erster Linie eigene Interessen ein." Und hat im Aufsichtsrat nicht erst seit der Ernennung von Sebastian Eggert zum Vorsitzenden Gewicht.
"Wenn die Fans nicht mitmachen, diesen Weg zu gehen, wird es nicht gehen."
— Hansa-Vorstandschef Jürgen Wehlend
Dem geäußerten Eindruck, der Verein sei dieser Gruppe gegenüber "machtlos" und er selbst im Kampf gegen das Gewaltproblem allein auf weiter Flur, widersprach Wehlend gegenüber dem NDR: "Das würde ich überhaupt nicht so sehen" - wegen des Austauschs mit einem Teil der organisierten Anhänger, aber auch aufgrund des "Schulterschlusses von Vorstand und Aufsichtsrat, den es vorher so nicht gab".
Man könne, anders als manch externer Experte, von Wehlend als "Fan-Professoren" betitelt, die Lage "hier vor Ort sehr gut beurteilen". Entscheidend sei neben der gemeinsamen Führung des Clubs dabei vor allem eines: "Wenn die Fans nicht mitmachen, diesen Weg zu gehen, wird es nicht gehen."
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Sportclub | 29.03.2025 | 13:55 Uhr