
Handball-Bundesliga Kiel oder Flensburg? Hannover-Burgdorf der norddeutsche Trumpf im Titelrennen
Der THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt sind mit sehr großer Wahrscheinlichkeit raus aus dem Rennen um die deutsche Handball-Meisterschaft. Die TSV Hannover-Burgdorf ist nun der norddeutsche Anwärter auf den Gewinn der Schale. Diese Konstellation gab es noch nie.
Hendrik Pekeler hat in den vergangenen Jahren so manches Mal Trophäen im Konfettiregen nach oben gereckt. Sechsmal wurde der gebürtige Itzehoer mit dem THW Kiel deutscher Meister, zweimal gewann er die Champions League, dreimal den DHB-Pokal, einmal den EHF-Pokal. Der Mann, den sie beim THW nur "Peke" nennen, weiß also genau, wie wichtig es ist, dass man in der Schlussphase einer Saison die Nerven behält - und vor allem einen festen Glauben an die eigenen Chancen.
"Wir sollten uns damit momentan nicht beschäftigen."
— THW-Profi Hendrik Pekeler zu den Chancen im Titelrennen
Nach dem 22:27 bei der MT Melsungen, der zweiten Niederlage des THW in einem Topspiel in Folge nach dem 33:36 bei der SG Flensburg-Handewitt, war beim Abwehrchef jedoch nicht mehr viel Zuversicht zu erkennen, dass es für den Rekordmeister in dieser Saison etwas werden könnte mit Meisterschaft Nummer 24. "Ich glaube, wir sollten aktuell nicht auf die Tabelle schauen, sondern mehr darauf, dass wir wieder Spiele gewinnen", antwortete der 33-Jährige im NDR Interview auf die Frage nach den Chancen im Titelrennen der Bundesliga.
"Fünf Punkte sind unheimlich viel. Und es ist ja nicht so, dass nur Hannover-Burgdorf und die Füchse Berlin vor uns stehen. Es sind ja auch noch der SC Magdeburg, Flensburg-Handewitt und Melsungen. Wir sollten uns damit momentan nicht beschäftigen", führte der ehemalige Nationalspieler weiter aus.
Pekeler ging, als er am Samstagnachmittag diese Sätze sprach, offensichtlich davon aus, dass der Nordrivale Flensburg-Handewitt wenige Stunden später die Hürde TBV Lemgo Lippe überspringen und damit in der Tabelle an seinem Team vorbeiziehen würde. Es kam aber anders. Durch einen heftigen Leistungseinbruch vor der Pause gerieten die Flensburger in Lemgo entscheidend ins Hintertreffen. Am Ende ging es mit einer 29:34-Niederlage auf die Heimreise.
Zweiter Hannover-Burgdorf mit guter Ausgangsposition
Durch die Niederlagen des THW und der SG ergibt sich nun in der Bundesliga eine Konstellation, wie es sie bislang noch nie gegeben hat. Während die in der Vergangenheit so erfolgreichen schleswig-holsteinischen Clubs praktisch schon draußen sind im Titelrennen, ist zehn Spieltage vor dem Ende der Saison die TSV Hannover-Burgdorf die norddeutsche Trumpfkarte im Kampf um die Meisterschaft.
So unwirklich das für viele auch noch klingen mag: Die "Recken" befinden sich mit ihren 39:9 Punkten als Tabellenzweiter in einer hervorragenden Ausgangsposition für den Schlussspurt, zumal Spitzenreiter Berlin mit Welthandballer Mathias Gidsel nur aufgrund der Tordifferenz vor ihnen liegt. Dahinter folgt Melsungen auf Rang drei mit 38:10 Zählern. Der Sechste Magdeburg (29:11) hat angesichts von vier Nachholspielen bessere Chancen als Kiel (34:14) und Flensburg-Handewitt (33:15). Schließlich reichten in den vergangenen 22 Jahren niemals 14 Minuspunkte oder mehr zum Gewinn der Meisterschaft.
Hannover noch gegen alle fünf Topteams
Hannover-Burgdorf trifft zwar in der Schlussphase der Saison noch auf alle fünf anderen Teams aus den Top sechs der Liga, allerdings kann sich die Mannschaft von Trainer Christian Prokop auch als einziges komplett auf einen Wettbewerb konzentrieren. Es bleiben somit viel mehr Spielräume für Regeneration.
"Träume sind Träume, aber wir leben im Hier und Jetzt."
— Marius Steinhauser, TSV Hannover-Burgdorf
Über die Meisterschaft zu sprechen, trauen sich die "Recken" noch nicht. "Es hört sich abgedroschen an, aber wir konzentrieren uns nicht darauf", sagte TSV-Rechtsaußen Marius Steinhauser dem NDR nach dem Erfolg gegen die SG BBM Bietigheim, dem elften Heimsieg der Saison. "Was da am Ende in der Tabelle stehen könnte - damit habe ich mich noch nicht beschäftigt. Träume sind Träume, aber wir alle leben im Hier und Jetzt. Und wir sind realistisch genug, welche schweren Aufgaben noch auf uns warten."
Vermutlich wollen die Niedersachsen für mutigere Aussagen auch noch den April abwarten. Drei Partien stehen in dem Monat für die Mannschaft um Renars Uscins und Justus Fischer an. Die Heimspiele gegen Frisch Auf Göppingen (6. April, 16.30 Uhr) und den TBV Lemgo Lippe (25. April, 20 Uhr) müssen in jedem Fall gewonnen werden, wenn der kühne Traum vom Titel nicht platzen soll. Und dann würde ein herausragender Auftritt im Spitzenspiel in Berlin (20. April, 15 Uhr) mit einem Punkt oder vielleicht sogar mehr enorm viel bewirken.
"Recken" werben um Nationalspieler Grigic
Dass in Hannover längst in anderen, viel größeren Dimensionen gedacht wird, zeigt sich auch daran, dass der Verein den hochveranlagten Marko Grgic verpflichten möchte. Der ThSV Eisenach hat zwar am Montag bekanntgegeben, dass der Nationalspieler nach dieser Saison nicht zu den "Recken" wechseln dürfe. Aber es bleibt abzuwarten, ob der 21 Jahre alte Top-Torschütze der Bundesliga-Saison (199 Treffer) tatsächlich über den Sommer hinaus für die Thüringer spielen wird.
THW und SG noch mit Chancen in der European League
Während Hannover-Burgdorf alles versuchen wird, um sensationell erstmals deutscher Meister zu werden, hat für Kiel und Flensburg-Handewitt die Bundesliga sicherlich nicht mehr die Top-Priorität. Schließlich sind es auch auf Rang zwei und damit auf die Qualifikation für die Champions League fünf Punkte Rückstand. Für den THW geht es Mitte April um enorm viel: Dann steht in Köln das Final Four um den DHB-Pokal an. Im Halbfinale am 12. April (16.10 Uhr) treffen die "Zebras" auf die Rhein-Neckar Löwen. Zudem geht es Ende April in der European League mit dem Viertelfinale weiter - mit den Spielen gegen den Sieger des Duells HC Kriens-Luzern gegen Limoges (Frankreich).
Dann bietet sich auf der SG in jenem Wettbewerb die letzte Chance auf einen Titel in dieser Saison. Gegner im Viertelfinale ist der Gewinner des Duells GOG Svendborg (Dänemark) gegen Benfica Lissabon. Im Titelrennen um die deutsche Meisterschaft können sie dagegen de facto nur noch schauen, wie es die anderen machen, darunter auch die TSV Hannover-Burgdorf, der unerwartete norddeutsche Trumpf.
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Sportclub | 06.04.2025 | 22:50 Uhr