Robert Glatzel (r.) vom Hamburger SV im Duell mit Karol Mets vom FC St. Pauli

Hamburger Stadtderby St. Pauli will, der HSV muss gewinnen

Stand: 01.05.2024 15:36 Uhr

Der FC St. Pauli kann am Freitagabend im Hamburger Stadtderby vorzeitig den Bundesliga-Aufstieg perfekt machen. Für den Kiezclub wäre es die Krönung einer nahezu perfekten Saison - und für den noch um den Relegationsplatz kämpfenden Gastgeber HSV fraglos eine Demütigung. Aufgrund der brisanten Ausgangslage werden Ausschreitungen befürchtet.

13 Jahre ist es nun her, dass der FC St. Pauli zum bis dato letzten Mal den Sprung in die Beletage des deutschen Fußballs schaffte. "Wir waren ein Haufen voller Bekloppter. Das weiß inzwischen auch jeder. Ich war noch nie mit einer Horde auf dem Platz, die nur aus Gescheiterten bestanden hat. Ich glaube, dass es deswegen auch so gut funktioniert hat", erinnerte sich Timo Schultz, seinerzeit Mittelfeldakteur beim Kiezclub und aktuell Coach des 1. FC Köln, später an die Aufstiegssaison zurück.

Über zwei Jahrzehnte später klopft wieder eine Mannschaft des FC St. Pauli ans Tor zur Bundesliga. Von einem "Haufen Gescheiterter" oder einer "Horde von Bekloppten" zu sprechen, würde dem aktuellen Team jedoch beileibe nicht gerecht werden. Der Fußball hat sich in der langen Zeit verändert - auch am Millerntor. Auch beim Kiezclub, der gerne noch mit dem Klischee spielt, ein etwas anderer Profiverein zu sein.

Das mag zwar auch auf viele Bereiche zutreffen. Dass die Zweitliga-Mannschaft am Freitagabend (18.30 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) im Stadtderby den Aufstieg perfekt machen kann, gründet aber einzig und allein auf drei Dingen, die im Berufsfußball schon immer zum Erfolg geführt haben: seriöses Management, kluge Personalpolitik und ein ausgezeichneter Trainer.

Hürzeler gegen den HSV noch sieglos

Seit knapp eineinhalb Jahren hält Fabian Hürzeler nun bei St. Pauli das Zepter in der Hand. Seit knapp eineinhalb Jahren eilt der Stadtteilverein unter dem erst 31 Jahre alten Coach beinahe von Sieg zu Sieg. Der einzige Makel in der ansonsten fast tadellosen Bilanz des gebürtigen US-Amerikaners: Er hat noch keinen Erfolg gegen den Nachbarclub gefeiert. Das soll sich nun unbedingt ändern. "Ich habe jetzt als Cheftrainer zweimal gegen den HSV gespielt und zweimal nicht gewonnen, also liegt es auch an mir, den Fans etwas zurückzugeben", sagte der Coach.

Sollte der Wunsch des Übungsleiters in Erfüllung gehen, ist der Aufstieg perfekt. Dem Tabellendritten Fortuna Düsseldorf würde ein Erfolg im parallel stattfindenden Spiel gegen den 1. FC Nürnberg nichts mehr nutzen.

Dem Tabellenvierten HSV wäre indes bei einer Niederlage gegen St. Pauli und einem gleichzeitigen Dreier der Düsseldorfer auch die letzte Chance genommen, die Fortuna vom Aufstiegs-Relegationsplatz zu verdrängen. Der Traum von der Rückkehr in die Bundesliga wäre ausgerechnet im Spiel gegen den Stadtrivalen erneut geplatzt.

Baumgart: "Will lieber Held als Depp sein"

Obwohl der Druck bei seiner Mannschaft liegt und der HSV ohne fremde Hilfe in seine siebte Zweitliga-Saison gehen müsste, saß Coach Steffen Baumgart am Mittwoch nicht mit finsterer Miene oder einem Rechenschieber in den Spieltagspressekonferenz. Ganz im Gegenteil: Der 52-Jährige war bester Laune und fiebert seinem ersten Stadtderby sichtlich entgegen.

"Ich bin in solchen Spielen im Positiven immer ein bisschen drüber, mein Gegenüber geht da aber ja genauso mit. Emotionen von den Bänken werden wir also auf jeden Fall haben. Denn ein Derby ist immer etwas Besonderes. Wenn du das Derby gewinnst, bist du der Held, wenn nicht, dann bist du der Depp. Und ich will lieber Held als Depp sein", sagte Baumgart. Er freue sich auf das Spiel, "weil ich das von klein auf haben wollte. Es ist das Spiel, auf das ich mich am meisten gefreut habe, als ich den Job übernommen habe."

HSV hat Relegationsplatz noch nicht aufgegeben

Für den Ex-Profi - seit seiner Jugend bekennender HSV-Fan - wäre ein Erfolg gegen St. Pauli nach seinem schwierigen Start an der Elbe fraglos auch ein gutes zusätzliches Argument für eine Weiterbeschäftigung über den Sommer hinaus an der Sylvesterallee.

"Derbysieg und Sprung auf Platz drei", gab der Coach als Ziele für die drei letzten Spieltage der Saison an. St. Paulis Aufstieg im "Wohnzimmer" seiner Mannschaft wollen Baumgart und seine Spieler unbedingt verhindern. "Wir wollen das Spiel mit aller Macht gewinnen", sagte der HSV-Trainer. "Es kann für den Hamburger Fußball ein Riesenabend werden", frohlockte der 52-Jährige.

Besondere Regeln für St.-Pauli-Fans bei Hochrisikospiel

Seine Vorfreude auf die Partie wird aber nicht allerorts geteilt. Die Polizei stufte das Stadtderby erneut als Hochrisikospiel ein und wird mit zahlreichen Einsatzkräften anwesend sein. Das Volksparkstadion ist mit 56.100 Zuschauern ausverkauft. Das offizielle Gästekontingent beträgt dabei 5.576 Karten. 900 Plätze wurden aufgrund von Trennungsmaßnahmen der rivalisierenden Fan-Gruppierungen nicht verkauft.

Für St. Paulis Anhänger gelten besondere Regeln. Das Tragen von Fanutensilien des Kiezclubs außerhalb des Gästebereichs ist nicht gestattet, um eine strikte Fantrennung zu gewährleisten. Dazu gehören unter anderem Trikots, Schals, Totenkopfpullis und Ähnliches. Wer diese Regel nicht befolgt, erhält keinen Zugang zum Stadion, teilten beide Clubs mit.

Dass in HSV-Fanforen im Falle eines für die Hausherren ungünstigen Spielverlaufs über einen herbeigeführten Spielabbruch diskutiert wird, hat die Polizei sowie beide Vereine zusätzlich sensibilisiert. Hürzeler zeigte sich aber optimistisch, dass es zu keinen Ausschreitungen kommen wird. "Ich glaube, dass alle, die dafür verantwortlich sind, das Maximale tun werden, um die Sicherheit zu garantieren", sagte St. Paulis Trainer.

Dieses Thema im Programm:
Hamburg Journal | 02.05.2024 | 19:30 Uhr