Fußball | Rückblick Vollversammlung im Niemandsland – die Regionalliga-Saison aus mitteldeutscher Sicht
Die mitteldeutschen Regionalliga-Teams hatten unterschiedlichste Ambitionen. Nun treffen sich Jena, Chemie, CFC, Lok, Meuselwitz, Zwickau und RWE im Niemandsland der Tabelle. Derweil bejubelt Eilenburg den Klassenerhalt.
Mit unterschiedlichsten Ambitionen waren die acht mitteldeutschen Teams in die Regionalliga-Saison 2023/24 gestartet. Am Ende trifft sich ein Septett aus dem FC Carl Zeiss Jena, der BSG Chemie Leipzig, dem Chemnitzer FC, 1. FC Lok Leipzig, ZFC Meuselwitz, FSV Zwickau und FC Rot-Weiß Erfurt zur Vollversammlung im Niemandsland der Tabelle. Noch etwas weiter unten bejubelt Aufsteiger FC Eilenburg den Klassenerhalt. SPORT IM OSTEN blickt zurück.
Fußballspieler in Aktion
Applaus von Henning Bürger: Unter dem Fußballlehrer spielte der FC Carl Zeiss Jena eine stabile Rückrunde, die immerhin noch Rang sieben einbrachte.
Platz sieben in der Abschlusstabelle liest sich für den durchaus mit Ambitionen angetretenen FC Carl Zeiss Jena eher enttäuschend. Doch nach einer turbulenten Saison sind die für den Thüringer Traditionsverein letztendlich herausgesprungenen 53 Punkte aller Ehren wert. Zumal die Blau-Gelb-Weißen mit dem am kommenden Samstag erhofften Pokalsieg gegen den ZFC Meuselwitz wieder wichtiges Geld in die nicht eben üppig gefüllten Kassen spülen- und für einen versöhnlichen Abschluss sorgen könnten.
Danach sah es in der Winterpause noch nicht aus. Zu diesem Zeitpunkt hatte Jena gerade einmal 23 Punkte eingefahren. Grund genug für den Verein, sich dennoch recht unverhofft von Cheftrainer René Klingbeil zu trennen. Mit Henning Bürger, der Anfang Januar offiziell vorgestellt wurde, kehrten Ruhe und am Ende auch Kontinuität ein. Der Coach besitzt noch einen Vertrag bis 2025. Seine Bilanz kann sich sehen lassen. In 17 Partien unter Bürger holte der FCC ansprechende 30 Punkte, blieb zuletzt acht Mal ungeschlagen. "Am Anfang hat es gerumpelt", gestand Bürger im Interview mit Ostsport. Für Spieler und Trainerteam sei es nicht einfach gewesen. Aber "die Mannschaft hat immer gute Antworten gegeben. Da muss ich mich beim großen Kern bedanken." Balsam für die Jenaer Seelen brachte nicht zuletzt der 3:1-Sieg Mitte März im Thüringenderby gegen Rot-Weiß Erfurt.
Jena-Offensivmann Elias Löder war der alles überragende Spieler der Regionalligasaison 2023/24.
Eine Lebensversicherung des FCC war Elias Löder. Der offensive Mittelfeldmann knipste 25 Mal, sicherte sich so die Torjägerkanone in der Regionalliga Nordost. Und was viel wichtiger ist: Löder besitzt beim FCC noch einen Vertrag bis 2025. Ein womöglicher Wechsel in diesem Summer würde also zumindest eine ordentliche Ablösesumme bringen. Der 24-Jährige war im Vorjahr von der Ersatzbank des Hallschen FC in die Kernberge gekommen und lehrte der Liga-Konkurrenz das Fürchten.
Raupe nach dem Derbysieg in Probstheida – Chemie Leipzig feiert Anfang Mai das Saisonhighlight.
Den bevorstehenden Familienurlaub an der Adria hat sich Trainer Miroslav Jagatic mehr als verdient. Hinter der BSG Chemie Leipzig liegt eine überaus zufriedenstellende Spielzeit, die mit 50 eingeheimsten Punkten auf Rang acht endete. Die symbolträchtige "Stadtmeisterschaft" hatten sich die Grün-Weißen bereits beim Saisonhighlight am 5. Mai durch den verdienten 2:0-Derbysieg vor über 10.000 Zuschauern beim ewigen Rivalen 1. FC Lok Leipzig gesichert.
Aus vergleichsweise wenig möglichst viel herauszuholen – wie etwa bei der 3:0-Demontage des späteren Aufsteigers Energie Cottbus –, das ist für den 47-Jährigen in seinen mittlerweile auch schon fünfeinhalb Jahren als Chef an der Seitenlinie in Leipzig-Leutzsch zur Gewohnheit geworden. Es passt bestens ins kollektive Gedächtnis der Grün-Weißen, die jüngst feierlich das 60-jährige Jubiläum der DDR-Sensationsmeisterschaft ihrer Ahnen von 1964 zelebrierten.
"Nicht so viel negativ denken. Wenn du denkst, dass du hängst, hängst du tiefer, als du denkst", sinnsprüchelte Jagatic kürzlich im SPORT IM OSTEN-Interview. Mit dieser positiven Lebenseinstellung wird der erst zu Jahresbeginn zum UEFA-Pro-Lizenzinhaber Gekürte auch die anstehenden anspruchsvollen Aufgaben bei der BSG angehen. Trotz der weiterhin semiprofessionellen Voraussetzungen im Alfred-Kunze-Sportpark verlängerte Jagatic seinen Vertrag unlängst bis 2027: "Ich hoffe, wir können – alle gemeinsam – die Professionalisierung im Verein weiter vorantreiben."
Trotz aller Querelen und Existenzängste im vergangenen Sommer hat Trainer Christian Tiffert den Chemnitzer FC in sportlich sichere Bahnen geführt.
Als Trainer Christian Tiffert die Pressekonferenz nach dem kurzweiligen 2:2-Remis des Chemnitzer FC gegen Rot-Weiß Erfurt gleichsam zu einem kurzen Saisonfazit nutzte, sprach aus jedem Wort des früheren Bundesligaprofis die Genugtuung über den "versöhnlichen Abschluss" eines wiederum denkwürdigen Jahres der Himmelblauen. Zur Erinnerung: Im vergangenen Sommer und Herbst durchlebte der CFC einmal mehr eine existenzielle Krise.
Der Vorstand um Romy Polster und Sportchef Marc Arnold trat zurück, zuvor waren die Verträge von neun mehrheitlich prominenten Profis wegen der offenkundigen Finanzprobleme des Klubs nicht verlängert worden. Angesichts der weiter großen Herausforderungen für die neue Führung ist das Abschneiden der frühzeitig in sicherer Tabellenregion beheimateten Chemnitzer Mannschaft umso bemerkenswerter.
"Aber was ich besonders hervorheben möchte", führte der seit über zwei Jahren in Verantwortung stehende Tiffert aus, "ist die Zuschauerzahl und die Stimmung im Stadion. Wir sind Neunter, haben nach oben und unten nichts mehr zu bewegen, haben drei Spiele in Folge verloren und es kommen hier am Pfingstsonntag 7.000 Fans. Das ist sensationell und eine Belohnung für meine Jungs."
Es sei "schwer in Ordnung, was wir in dieser Saison gemacht haben", schwärmte der 42-Jährige und beobachtete zudem, dass "im Zusammenspiel mit unseren Fans etwas entstanden ist". Darauf soll nun weiter aufgebaut werden. Tiffert und sein Co-Trainer Niklas Hoheneder verlängerten Anfang März bis 2026 an der Gellertstraße.
Luca Sirch war Lichtblick und Lebensversicherung in einer allzu tristen Saison des 1. FC Lok Leipzig.
Hängende Köpfe bei Lok Leipzig trotz eines 2:0-Sieges zum Abschluss gegen Zwickau. "Wir haben uns diese Saison alle ein bisschen anders vorgestellt", lautet die kurze Einleitung von Kapitän Djamal Ziane zum Fazit nach einem unruhigen Jahr auf und neben dem Platz. Am Ende steht Rang zehn in der Abschlusstabelle zu Buche, zu wenig für den Club aus Probstheida.
Dabei starteten die Blau-Gelben vielversprechend in die Spielzeit, holten neun Punkten aus vier Spielen, doch dann ging es bergab. In den folgenden 15 Partien gelangen nur zwei Dreier, Lok steckte plötzlich im Abstiegskampf. Trainer und Sportdirektor Almedin Civa, der schon länger in der Kritik stand, musste gehen. Dazu gesellten sich öffentlich ausgetragene Streitereien in den Vereinsgremien, die letztlich zur Demission von Präsident Torsten Kracht führten. Einer, der sich von alldem nicht anstecken ließ, war Luca Sirch. Der 24-Jährige etatmäßige Verteidiger avancierte mit 13 Toren und fünf Assists zum überragenden Lok-Akteur.
Sportlich gelang es immerhin, sich unter dem Interimstrainer-Duo Tomislav Piplica und Robin Hintz zu stabilisieren und dem Abstiegsgespenst zu entkommen, mehr aber auch nicht. Im Sachsenpokal schied man als Titelverteidiger im Viertelfinale bei Oberligist Bischofswerda aus. Zudem setzte es im Ortsderby gegen Chemie eine enttäuschende Heimniederlage vor Rekordkulisse, damit ging auch die inoffizielle Stadtmeisterschaft nach Leutzsch. Lok steht nun einmal mehr vor einem Umbruch. Mindestens zehn Spieler werden gehen. Jochen Seitz und Toni Wachsmuth – Trainer und Sportgeschäftsführer in spe – arbeiten im Hintergrund bereits fleißig am Kader der neuen Saison. Und daran den Verein wieder "zu beruhigen" und "dann schrittweise zu entwickeln".
Zufriedene Gesichter in Meuselwitz – die ZFC-Kicker hielten sich aus sämtlicher Bedrohungslage in dieser Saison heraus.
Nach Jahren in der Achterbahn und mit viel Abstiegsangst hatte sich der ZFC Meuselwitz eine sorgenfreie Saison gewünscht. Dafür wurde mit Georg-Martin Leopold ein neuer Trainer geholt, der auch einschlug. Der 46-Jährige war zuvor viele Jahre im Nachwuchs des FC Carl Zeiss Jena und bei Darmstadt 98 aktiv, was ihm mit Blick auf die überwiegend junge Mannschaft zu Gute kam.
Die Meuselwitzer absolvierten ein ordentliches Jahr, mit einem starken Herbst (Platz acht nach 14 Spieltagen), einem schwachen Winter und einem wieder stabilen Frühjahr. Schlussendlich stand Rang elf zu Buche. Vor allem spielerisch machten die Thüringer einen Schritt nach vorn, ohne die typischen ZFC-Tugenden zu vernachlässigen. Der Lohn: Bereits am 31. Spieltag machte des ZFC durch einen Sieg in Chemnitz den Klassenerhalt perfekt. Einzig die relativ schwache Heimbilanz fällt ins Auge: In 17 Spielen gab es auf der Glaserkuppe zwar oft Spektakel, aber eben auch nur 21 Punkte.
Und die Kontinuität soll bleiben. Trainer Leopold weitete sein Arbeitspapier bis 2026 aus. Zudem konnte der Stamm um Kapitän René Eckardt gehalten werden. Mittlerweile wurden acht auslaufende Verträge verlängert. Der Weggang von Urgestein und Topscorer Andy Trübenbach (zehn Tore, acht Assists) zum FC Rot-Weiß Erfurt schmerzt natürlich. Hier muss der Verein in der Offensive nachlegen. Auch ein gestandener Abwehrmann würde der jungen Mannschaft gut zu Gesicht stehen. Oldie Nils Miatke hängt nach abgeschlossener Ausbildung die Fußballschuhe an den Nagel.
Torjäger Routinier Marc-Philipp Zimmermann und Trainer Rico Schmitt waren zwei wegweisende Garanten des Zwickauer Aufbruchs.
Nach dem Abstieg aus der 3. Liga musste man sich ernsthafte Sorgen um den FSV Zwickau machen. Die Westsachsen standen kurz vor dem finanziellen Kollaps, konnten diesen durch eine sagenhafte Unterstützung der Fans aber abwenden. Trotzdem wurde der Kader mit der heißen Nadel gestrickt. Der neue Trainer Rico Schmitt hatte erst kurz vor dem Saisonstart ein richtiges Team zusammen.
Entsprechend gab der erfahrene Übungsleiter erstmal nur den Klassenerhalt als Ziel aus. Und auch der schien nach lediglich zwei Siegen aus den ersten 14 Spielen schwerer als gedacht. Doch seit Winter lief es plötzlich richtig rund beim FSV. In elf Spielen gelangen acht Siege und damit der Anschluss ans gesicherte Tabellenmittelfeld. So konnte man sich der Abstiegssorgen entledigen. Auch wenn am Ende die Luft raus war und die letzten vier Spiele allesamt verloren wurden, kann man aus Zwickauer Sicht zufrieden sein mit dem Abschneiden.
Das Team fand im Laufe der Spielzeit immer besser zusammen und hatte im nimmermüden Teilzeit-Fußballer Marc-Philipp Zimmermann seinen besten Torschützen (13). Im Landespokal war für die Schwäne erst im Halbfinale beim "Freundschaftsduell" gegen Dynamo Dresden (1:2) Endstation. Aber viel wichtiger: Der Verein scheint einstweilen wieder in ruhigerem Fahrwasser angekommen zu sein. In der Sommerpause gehe es laut Trainer Schmitt nun darum, die "Gedanken zu sortieren" und dann "mit neuem Mut und neuer Überzeugung ans Werk zu gehen". Dafür habe man – wohl auch finanziell – wieder "mehr Luft nach oben". Nicht mehr dabei sein wird Klublegende Davy Frick, der seine Schuhe nach 13 Jahren und gut 430 Partien im FSV-Dress an den Nagel hängt.
Fabian Gerber wird im Sommer einmal mehr einen großen Umbruch mit dem FC Rot-Weiß Erfurt zu meistern haben.
Für die Anhänger des FC Rot-Weiß Erfurt war es sicher eine Saison zum Vergessen. Nach Platz drei im vorangegangenen Rückkehrjahr träumten die Anhänger der Thüringer von einer zweiten mindestens so erfolgreichen Saison. Trainer Fabian Gerber aber hatte schon zuvor gewarnt und sieht sich nun bestätigt: "Wir hatten wichtige Leistungsträger abgegeben, mit Verletzungspech zu kämpfen, es gab aber eine Riesen-Erwartungshaltung", erinnerte der 44-Jährige im Gespräch mit SPORT IM OSTEN.
Zunächst schien die Mannschaft trotz besagter Einschnitte und Langzeitausfällen von Ben-Luca Moritz und Robin Fabinski (beide Kreuzbandriss) genau da anzuknüpfen, wo sie zuvor aufgehört hatte. "Nach sechs Spieltagen waren wir Spitzenreiter, dann kam das Knackspiel gegen Meuselwitz, danach was das Selbstvertrauen ein wenig weg", resümierte Gerber. RWE gewann keines der anschließenden fünf Spiele. Darüber hinaus mussten die Rot-Weißen das Pokal-Viertelfinal-Aus im Elfmeterschießen gegen Meuselwitz hinnehmen.
Artur Mergel und der FC Rot-Weiß Erfurt erlebten nach dem Höhenflug des Vorjahres nun eine enttäuschende Saison. Der Publikumsliebling nimmt nun Abschied in Richtung Chemnitz.
Auch aus finanziellen Gründen wurden dann in der Winterpause die Leistungsträger Sidney Lopes Cabral (Viktoria Köln) und Samuel Biek (Miami FC/USA) abgegeben. Der Start ins neue Jahr mit sieben Punkten aus drei Spielen, u.a. ein 2:0 gegen Energie Cottbus, verlief trotzdem hoffnungsvoll. Aber es folgte ein regelrechter Einbruch mit neun Spielen ohne Dreier, teils deutlichen Niederlagen und zu allem Übel dem verlorenen Thüringenderby mitsamt der negativen Begleiterscheinungen auf den Rängen.
Am Ende steht ein ernüchternder 13. Platz zu Buche. Und auch für die neue Saison schwört Cheftrainer Gerber die Fans auf Abstiegskampf ein. "Wir werden einen großen Umbruch haben, viele Abgänge und viele Zugänge. Wir wollen und müssen den Kader verkleinern. Wirtschaftlich sind wir nicht in der Lage, die Topspieler zu halten oder Unterschiedsspieler zu holen." Dennoch freue er sich auf die neue Spielzeit – in der mit Andy Trübenbach zumindest schon ein Spieler in die Landeshauptstadt gelotst wurde, der als Stürmer des ZFC Meuselwitz die Erfurter gleich mehrfach geärgert hatte.
Trainer Sascha Prüfer hat die Feierabendkicker des FC Eilenburg zum Klassenerhalt in der Regionalliga geführt.
Der FC Eilenburg wird auch in der kommenden Saison die Regionalliga bereichern. Im Gegensatz zu ihrem ersten Abenteuer vor zwei Jahren haben die Feierabendkicker aus der Muldestadt diesmal die Klasse gehalten. Vor der Saison war allen Beteiligten um Cheftrainer Sascha Prüfer klar, dass es nur darum gehen kann, den Abstieg zu vermeiden und dass es wohl bis zum Ende eng bleiben wird.
Der Start in die Spielzeit verlief dann für den Aufsteiger richtig miserabel, die ersten vier Spiele gingen allesamt verloren, die "Rote Laterne" war die Folge. Anschließend aber gelang den Nordsachsen eine Serie von fünf Liga-Spielen ohne Niederlage und der Sprung über den Strich. Angesichts der Konstellation im Keller und der unklaren Anzahl an Absteigern aus der 3. Liga musste schließlich – wie vermutet – fast bis zum Ende der Saison gezittert werden. Am vorletzten Spieltag waren nach einem 3:2 gegen den Chemnitzer FC dann die letzten Zweifel beseitigt und die Mannschaft hatte sich den Abstecher nach Mallorca redlich verdient. "Unfassbar stolz" war Prüfer auf das Erreichte, der die "gute Arbeit" aller Vereinsverantwortlichen heraushob.
Der Coach will auch in der kommenden Saison seinen Anteil dazu beitragen und hat sein Arbeitspapier verlängert. Ihm nachgemacht haben es die Stammkräfte Michael Schlicht und Noah Baumann. Allerdings wird man sich unter anderem auf die Suche nach einer neuen Nummer 1 machen müssen, da Kapitän Andreas Naumann zu Lok Leipzig wechselt. Zudem braucht es Ersatz für Sieben-Tore-Mann Tim Bunge, der zu Chemie Leipzig zurückkehrt, und Abwehrkante Quentin Seidel.