Geschichte Sportler als Versuchskaninchen: Neue Studie zum Doping im DDR-Sport
In Erfurt ist eine neue Untersuchung zum systematischen Doping im DDR-Sport vorgestellt worden. Betroffen waren demnach nicht nur Spitzensportler. Gerade der Anschlusskader sei oft als Versuchskaninchen benutzt worden. Die Betroffenen leiden bis heute.
Beim Doping im DDR-Sport sind unerlaubte Mittel nicht nur bei Spitzensportlern eingesetzt worden. Das ist das Ergebnis einer Studie des Zentrums deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg, die im Auftrag der Thüringer Staatskanzlei und des Landesportbundes erarbeitet wurde. Demnach wurden neue Substanzen zuerst an sogenannten Anschlusskadern getestet.
Diese Sportler seien Versuchskaninchen gewesen, um keine wertvollen Olympioniken im Rahmen von riskanten Medikamententests zu schädigen, sagte die Co-Autorin Jutta Braun am Dienstag bei der Präsentation der Forschungsarbeit in Erfurt.
"Die Verantwortlichen wussten, dass sie gegen das Arzneimittelgesetz verstießen. Sie wussten, dass sie mit Leben spielten. Das macht das mögliche Mitwissen der Sportler*innen völlig irrelevant, da es ohnehin nicht hätte passieren dürfen", so Braun.
Verantwortliche spielten mit Leben der Sportler
Wichtig sei ebenso, dass der Kreis der Betroffenen, die heute teilweise immer noch an den physischen und psychischen Nachwirkungen leiden würden, wesentlich höher sei, als oft angenommen. Braun betonte immer wieder, dass alle Beteiligten einen Systemdruck verspürten. Die DDR habe dabei "eingebunden in ein internationales System des Sportbetrugs" gehandelt.
Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nicht nur als wissenschaftliche Abhandlung publiziert werden, sondern darüber hinaus künftig als Leitfaden und juristischer Beistand dienen. Zudem werden die Ergebnisse im Rahmen der am Mittwoch eröffneten Kunstausstellung "Mein Sport. Meine Seele. Meine Kunst." im Thüringer Landtag gezeigt.
Thüringer Landesregierung gibt Forschungsarbeit in Auftrag
Zusammen mit René Wiese und einem Historikerteam hat Braun vor allem Gerichtsakten der Dopingprozesse der 1990er-Jahre ausgewertet. Untersucht wurden dabei beteiligte Personen, Mechanismen und gesamtgesellschaftliche Umstände. Den von Jutta Braun und René Wiese angeleiteten Forscherinnen und Forschern ging es weniger um die Frage, ob die betroffenen Sportler und Sportlerinnen wissentlich gedopt haben, sondern vielmehr um den gesamten gesellschaftspolitischen Kontext.
Die Forschungsarbeit wurde 2020 von der rot-rot-grünen Landesregierung und dem Landessportbund in Auftrag gegeben.
MDR (wh/jn)/dpa