Fußball Sicherheitsgipfel - Stadionverbote sollen künftig zentral geregelt werden
Die Politik macht Druck auf den Fußball und verlangt mehr Sicherheit in den Stadien. Im einem ersten Schritt sollen Stadionverbote künftig zentral geregelt werden. Fanvertreter reagierten mit Unverständnis und kündigten Widerstand an.
Um das Gewalt-Problem im Fußball in den Griff zu bekommen, haben sich am Freitag (18. Oktober 2024) in München Vertreter aus Politik und Sport getroffen. Man habe in drei Stunden nicht alle Probleme lösen können, habe aber einen Schritt gemacht, der größer sei, als alles, was man in den letzten neun Jahren gemeinsam erreicht habe, sagte der Hamburger Innensenator Andy Grote.
Sachsens Innenminister Armin Schuster sprach nach "sehr klaren und deutlichen Gesprächen" von einem "großen Durchbruch". Die Ergebnisse geben das erste Mal Zuversicht. Es werde künftig eine dauerhafte Zusammenarbeit mit regelmäßigen Treffern und im engen Austausch geben. Die Politiker versprühten Euphorie, konkret wurde es aber nicht, es bleibt in zahlreichen Punkten noch sehr viel Arbeit.
Stadionverbote: Zentrale Stelle geplant
Die wichtigste und klarste Veränderung: Es soll eine zentrale Stelle geben, die Stadionverbote bearbeitet und konsequent verhängt. Die Innenministerien und die Spitzen von DFB und DFL einigten sich darauf, Krawallmacher und Gewalttäter künftig einheitlicher von den Stadien auszuschließen. Eine entsprechende Kommission soll gebildet und bei der Deutschen Fußball Liga angesiedelt werden, schilderte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann im Anschluss an das Gespräch. Details dieses neuen Vorgehens sollten noch besprochen werden. Die Politik glaubt, durch einen konsequenteren Ausschluss von Fans aus den Fußballarenen für weniger Gewalt zu sorgen.
Vereine sollen in Technik investieren
In einem weiteren Schritt sollen die Vereine in die Stadiontechnik investieren. Die befürchteten hohen Kosten, die auf die Klubs zu kommen, wollten die Politiker nicht als Argument dagegen gelten lassen. Man könne bei der Sicherheit keine Abstriche machen. Es gehe nicht darum, es zu übertreiben. Man wolle Niemanden übermäßig belasten, aber es dürfe keiner auf Kosten der Sicherheit sparen. "Es kann nicht sein, dass die Vorschriften, wie grün der Rasen zu sein hat, sich intensiver gestaltet, als die Frage, wie sicher das Stadion für die Zuschauer gestaltet wird", so Herrmann.
Es kann nicht sein, dass die Vorschriften, wie grün der Rasen zu sein hat, sich intensiver gestaltet, als die Fragen, wie sicher das für die Zuschauer gestaltet wird. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann |
Auch Schuster wird in dieser Sache deutlich. "Was wir erzielen wollen, ist für die Vereine sparsamer. Wenn man verhindern will, dass die Innenminister, die Polizei oder die Stadt Rechnungen wegen Polizeikosten schreiben, dann gilt es jetzt, dass wir das zum Erfolgsprinzip machen, was wir hier vereinbaren, dann brauche ich das nicht. Und das ist günstiger."
Verbot von Pyrotechnik soll bleiben
Zudem wurde besprochen, dass an einem Verbot von Pyrotechnik in den deutschen Fußballstadien weiter festgehalten wird. "Wir reden nicht über eine Riesenkatastrophe, aber nichtsdestotrotz ist es einfach gefährlich. Und wir sind der Veranstalter und demzufolge können wir das auch nicht erlauben", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Fußball Liga (DFL), Hans-Joachim Watzke. Der 65-Jährige sagte, es sei nach derzeitigen Standards nicht möglich, Pyrotechnik zuzulassen.
Bezüglich Datenaustausch seien sich Politik und Fußball einen Schritt nähergekommen, der DFB will zudem das Thema Ordnerausbildung intensivieren. Des Weiteren soll eine ständige gemeinsame Kommission mit Vertretern aus Fußball und Politik gebildet werden. Dabei nehme man "einen Fanvertreter dazu", kündigte DFB-Präsident Bernd Neuendorf an: "Wir müssen Betroffene zu Beteiligten machen."
Fanbündnis: "Wenn Unwissenheit regiert..."
Peter Jost, 1. Vorsitzender des Fanbündnisses "Unsere Kurve" begrüßte diese "Ankündigung der Einbindung" zwar, dennoch reagierte die Organisation mit einer Mischung aus Kritik und Sarkasmus auf die beschlossenen Maßnahmen. "Wenn Unwissenheit regiert...", leitete das Fanbündnis seine Stellungnahme nach dem Treffen von Politik und führenden Fußballbossen ein: "Hunderttausende Stadiongänger:innen wundern sich über ein vermeintliches Problem, das gar nicht existiert. Um es vorab klar zu sagen: Es gibt kaum eine sicherere Veranstaltung als ein Profifußballspiel in Deutschland." Dies sei durch Statistiken der Polizei belegt.
Kritik an zentraler Stadionverbotskommission
Die Einführung einer zentralen Stadionverbotskommission mit einheitlichen Kriterien für gewalttätige Fans halten die Anhänger für wenig sinnvoll. "Lokale Stadionverbotskommissionen haben sich über mehr als 10 Jahre bewährt", sagte Sprecher Thomas Kessen: "Im Gegensatz zu den geforderten Repressionen werden hier Wege gefunden, die bei Delinquent:innen tatsächlich zu Verhaltensänderungen und Weiterentwicklungen führen." Beim Thema Pyrotechnik müsse die Politik erst mal "auf den nötigen Sachstand" kommen, bevor man über Details rede.
Der Umgang mit Pyrotechnik ist seit langem Streitpunkt zwischen Politik, Sportfunktionären und Fans.
Sachkenntnis ist nirgends zu erkennen. Fanbündnis "Unsere Kurve" |
Beim Sicherheitsgipfel seien generell nur "populistische Forderungen herausposaunt worden, aber Sachkenntnis ist nirgends zu erkennen", so "Unsere Kurve". Dies passiere, "wenn man nicht miteinander, sondern nur übereinander spricht".
Dachverband der Fanhilfen: "Fans werden sich entschieden wehren"
Auch der Dachverband der Fanhilfen e.V. kritisierte die angekündigten Verschärfungen im Umgang mit Stadionverboten. Die Bildung einer zentralen Kommission für die Bearbeitung von Stadionverboten "bedeutet eine deutliche Verschärfung und mehr Repression gegen Fußballfans", teilte der Dachverband in einer Pressemitteilung mit.
"Stadionverbote werden schon heute großteils völlig willkürlich und ohne abgeschlossene Gerichtsverfahren ausgesprochen. DFB und DFL sind viel zu weit weg, um Vorfälle individuell beurteilen zu können. Wenn dieses Vorgehen nun sogar noch verschärft wird, widerspricht dies massiv rechtsstaatlichen Grundsätzen. Gegen dieses Vorgehen werden sich Fans entschieden wehren."
Gewerkschaft der Polizei: Vereine müssen in die Pflicht genommen werden
Aus Sicht der Polizei sind die "Hauptprobleme nicht die Fußballfans, die überwiegend friedlich sind", sagte Michael Mertens von der Gewerkschaft der Polizei dem MDR, "sondern die wenigen, aber dafür sehr intensiven Menschen, die den Fußball nutzen, um Gewalt auszuüben und Straftaten zu begehen."
Das Ausmaß der Gewalttätigkeiten hat sich in den "letzten Jahren nach Corona" erhöht, so Mertens. In erster Linie müssen die Vereine in die Verantwortung genommen werden, deren Werte oft im Kontrast zu ihren Fans stehen. "Hier müssen klare Strukturen gefasst, Stadionverbote ausgesprochen und professionellere Einlasskontrollen durchgeführt werden, damit die Sicherheit in Stadien und drumherum gewährleistet wird."
Fanvertreter nicht eingeladen
Zu dem Gipfel waren keine Fans eingeladen. Dies führte zu reichlich Kritik im Vorfeld. "Es ist in unseren Augen eine völlig absurde Veranstaltung, weil mal wieder über Fans gesprochen werden soll, ohne diese oder Vertreter dort mit einzubeziehen", erklärte Oliver Wiebe, Sprecher der Fanhilfe Magdeburg, im Gespräch mit SPORT IM OSTEN.
Clara Bünger, rechtspolitische Sprecherin der Gruppe die Linke im Bundestag, bezeichnete das Fehlen von Fanverbänden beim Sicherheitsgipfel als "anmaßend". "Fußballfans werden kollektiv als Sicherheitsrisiko beurteilt, dabei spricht die Polizeistatistik eine andere Sprache", wird Bünger in einer Pressemitteilung zitiert. "Die Anzahl der Verletzten bei Fußballspielen liegt im Promillebereich. Jedes Wochenende besuchen hunderttausende Menschen friedlich Spiele im ganzen Land, beim Gipfel werden sie wie Staatsfeinde behandelt."
Clara Bünger (Die Linke).
SpiO/dpa/sid