Fußball Neue Dynamo-Frauen: "Es wurde längst Zeit"
Dynamo Dresden und seine Frauen: Das ist eine holprige Geschichte, die am Wochenende mit der Premiere des neuen Teams Fahrt aufnahm. Gekocht wird auf kleiner Flamme. Die Top-Stars kreuzen trotzdem demnächst in Dresden auf. Für die Dynamo-Frauen geht es gleich gegen den Chemnitzer FC.
- Mitgliederversammlung hatte 2011 die ersten Frauenfußball-Versuche bei Dynamo beendet.
- Frauen-Förderung ist Kriterium bei der Lizenz für die Männer-Bundesligen.
- Sachsens Fußball-Präsident Winkler hofft auf zweiten Erstligisten aus dem Freistaat.
Rund 200 Zuschauer waren dabei, als bei Dynamo Dresden eine neue Zeitrechnung begann: Der Fußball-Traditionsverein, einst DDR-Meister, Europacup-Halbfinalist und Bundesligist bei den Männern, hat nun auch ein Frauen-Team. Das bestritt sein erstes Spiel am Sonntag (21.07.24) im Dresdner Sportpark Ostra und schlug den Kreisoberligisten SSV Langburkersdorf in einem Test gleich mit 12:3 (3:2).
180 Bewerberinnen - Bartlick trifft historisch
Dabei lag das krachneue Team zunächst einmal mit 0:2 hinten. Aline Bartlicks 1:2 in der 21. Minute avancierte dann zum ersten Tor für die Schwarz-Gelben überhaupt. 16 Spielerinnen liefen im Dynamo-Trikot bei dem Kleinfeld-Kick "Sieben gegen Sieben" auf. Sie waren aus 180 Bewerberinnen ausgewählt worden.
Immer mehr weibliche Mitglieder und Dauerkarteninhaberinnen
"Bisher ist das Echo sehr positiv und ein großes Interesse zu spüren", sagt David Fischer, der Geschäftsführer für Kommunikation bei der SGD, im Gespräch mit MDR SACHSEN. Für ihn sei es "ganz wichtig, die Frauenabteilung als weiteres Element der Sportgemeinschaft zu haben". Jeder Fußballverein habe gemerkt, dass man für "Vielfalt und Gleichberechtigung einstehen" müsse.
Der Klub habe einen immer höheren Frauenanteil bei Mitgliedern und Dauerkarteninhabern: "Manche Dinge brauche eben etwas länger, aber im Jahr 2023 wurde es längst Zeit, dass man die Satzung für eine Frauenmannschaft öffnet, es ist ein Team, dass der SGD gut zu Gesicht steht." Dabei starte man wie Bundesligist Borussia Dortmund in der tiefsten Klasse.
Dynamos Kommunikations-Geschäftsführer David Fischer sagt: "Jeder Fußballverein muss für Vielfalt und Gleichberechtigung eintreten". (Archivbild)
Und die Mitglieder hätten es ja auch gewollt, so Fischer. Auf der Mitgliederversammlung am 18. November 2023 hatte es grünes Licht gegeben. Der Klub hätte das Thema in zahlreichen Vorgesprächen intensiv vorbereitet, berichtet Fischer.
Erste Schritte schon 2009
Zuvor war um die Frauen jahrelang gestritten worden. Der Weg zu einer Dynamo-Frauenmannschaft war entsprechend steinig. Erstmals tauchte das Logo 2009 auf einem Damen-Trikot auf. Allerdings nicht alleine, sondern zusammen mit dem Zeichen von Fortuna Rähnitz. Das kuriose Jersey mit den zwei Logos entstand aufgrund einer Zusammenarbeit von Dynamo mit den Fortuna-Frauen.
80.000 Zuschauer bei Frauen-WM in Dresden
Doch die Liasion endete bereits im November 2011, als sich die Dynamo-Mitgliederversammlung gegen eine Frauen-Abteilung aussprach. Daran änderte auch die WM in Deutschland drei Monate zuvor nichts, bei der drei Vorrundenpartien und ein Viertelfinale in Dresden ausgetragen wurden. Insgesamt strömten rund 80.000 Fans in das Harbig-Stadion.
In Dresden gab es 2011 unter anderem ein spektakuläres WM-Viertelfinale zwischen den USA und Brasilien. (Archivbild)
2022 kam das Thema wieder auf die Tagesordnung
Nach dem Votum der Mitglieder war das Thema für viele Jahre keines mehr. Erst 2022 setzte sich der damalige Sport-Geschäftsführer Ralf Becker wieder für Frauen ein und stellte im Oktober 2022 eine erneute Kooperation mit dem 1. FFC Fortuna Dresden, so hieß Rähnitz nun, vor.
Ein DFB-Länderspiel gegen Frankreich (2:1) vor fast ausverkauftem Haus in Dresden, ebenfalls im Oktober, zeigte das Potenzial. Becker bekam aber auch Ärger mit Mitgliedern, da er damit gegen den Beschluss von 2011 gehandelt habe.
November 2023: Dynamo-Mitglieder für eigenes Frauenteam
Erst ein Beschluss der Mitgliederversammlung Mitte November 2023 brachte den Durchbruch. Nach Angaben von "Tag24" hätten 92 Prozent der Mitglieder für eine eigene Frauenmannschaft gestimmt. Der Klub änderte seine Satzung und sah jetzt nicht mehr nur die Förderung von Kinder- und Herrenmannschaften vor.
B-Kriterium bei der Lizenzierung
An dieser Entwicklung mag auch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) einen Anteil haben. Denn bei einer Rückkehr der Dynamo-Männer in die 2. Liga, zuletzt wurde der Aufstieg zweimal verpasst, ist eine Frauen-Förderung mittlerweile eine Voraussetzung. Das kann über eine Kooperation oder über eigene Mannschaften laufen.
Da es sich bei der Lizenzierung nach DFL-Angaben um ein B-Kriterium handelt, könnte man theoretisch auch darauf verzichten - würde dann aber sanktioniert werden. Die DFL-Lizenz war bei der Initiierung einer Frauenmannschaft für Dynamo-Kommunikationschef Fischer nicht "die einzige Motivation, da gibt es mehrere Facetten".
Im Juni trafen sich Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU, v. li.), Dresdens Sportbürgermeister Jan Donhauser und Dynamo-Geschäftsführer David Fischer bei der Übergabe eines Fördermittelbescheid für den Neubau des Kunstrasenplatz' am Rudolf-Harbig-Stadion.
Auch politisch erscheint ein solches Engagement opportun. Denn immer wieder klang auch aus der Politik der Wunsch nach Frauenfußball bei Dynamo durch. Zunächst als Empfehlungen bei Zuschüssen. Zuletzt bekam der Klub öffentliche Gelder für einen Trainingsplatz, der auch für Frauen vorgesehen ist.
Nur ein Männer-Drittligist mit den Frauen in der 2. Liga
Von den aktuellen Männer-Drittligisten hat mit dem FC Ingolstadt nur einer ein Frauen-Team in der 2. Liga. Der Rest ist höchstens in den Regionalligen aktiv. Als einziger Verein aus Sachsen tritt RB Leipzig in der Bundesliga an. In der Regionalliga Nordost sind RB Leipzig II, der 1. FFC Fortuna Dresden und der Bischofswerdaer FV aktiv.
2023 hatte der SFV ca. 16.700 weibliche Vereinsmitglieder, wovon 2.374 Frauen und 4.575 Juniorinnen aktiv waren. Es gab 125 Frauenmannschaften und 75 Juniorinnenmannschaften. Die Anzahl der aktiven Spielerinnen ist seit den Corona-Jahren wieder steigend.
Sachsens Fußball-Präsident Winkler: "Besser spät als nie"
"Wir wollen irgendwann auch gerne mehr als einen Verein in der Bundesliga haben", sagt Sachsens Fußball-Verbandschef Hermann Winkler im Gespräch mit MDR SACHSEN. Erst einmal sei er aber froh, dass es überhaupt ein Frauenteam der Dynamos gibt: "Das ist ein Signal nach außen und praktische Gleichberechtigung, besser als Gendersternchen", kann er sich eine Spitze nicht verkneifen.
Die im Verband für Frauen zuständige Madlen Straube sieht bei Dynamo eine "gewisse Strahlkraft". Es könnte nur förderlich sein, wenn sich "große Traditionsvereine wie die SGD zum Frauenfußball bekennen".
Dass der Aufbau einer Damen-Abteilung bei den Schwarz-Gelben einige Zeit gedauert hat, bezeichnet Winkler als "besser spät als nie". Es sei eben so gewesen, dass die "erste Herrenmannschaft im Fokus steht. Und die hatten mit den verpassten Aufstiegen in der 3. Liga zuletzt ein paar Sorgen. Da kann ich mir schon vorstellen, dass andere Dinge nach hinten rückten."
Sachsens Verbandspräsident Hermann Winkler versteht, dass die Schwarz-Gelben erst jetzt den Weg für eine Frauenmannschaft freigemacht haben. (Archivbild)
Supercup Bayern München - Wolfsburg im August in Dresden
Der Zeitpunkt passt dem langjährigen Politiker, denn am 25. August steigt in Dresden der neue DFB-Supercup zwischen Meister Bayern München und Pokalsieger VfL Wolfsburg: "Für das Spiel habe ich mich auch stark gemacht. Wir wollten dahin gehen, wo noch ein weißer Fleck ist. Ich hoffe, dass viele Frauen und Mädchen kommen und sich danach bei einem Verein hier in Dresden oder in Sachsen anmelden." Schon mehr als 10.000 Karten sind verkauft. Auch die Stadt setzte sich für den Supercup ein.
Die beiden deutschen Branchenführer bei den Fußball-Frauen, Bayern München und der VfL Wolfsburg, stehen sich im Supercup in Dresden gegenüber. (Archivbild)
Erstes Ziel heißt Regionalliga - Nationalspielerin im Tor
Von Bundesliga und Supercup sind sie bei Dynamo noch weit entfernt. In der sechstklassigen Kreisoberliga wird zweimal die Woche trainiert, dazu kommt ein Spiel in der Woche: "Der wirtschaftliche Aufwand ist sehr überschaubar", sagt David Fischer. Eine gewisse "Vorsicht" ergebe sich aus der "Historie des Klubs". Dynamo musste wegen Schulden auch schon von der 1. in die 3. Liga zwangsabsteigen.
Auch sportlich gehe man die Sache dezent an: "Wir sind ambitioniert, wollen aber nichts übers Knie brechen." Eine Nationalspielerin ist sogar schon dabei: Torfrau Patricia Glöckner gehört zum Kader der Deutschen Gehörlosen Futsal-Nationalmannschaft.
Die Dynamo-Frauen (re.) traten zu ihrem Debüt gegen den SSV Langburkersdorf an.
Im Sachsenpokal gegen den Chemnitzer FC
Im ersten Pflichtspiel im Sachsenpokal kommt mit dem Chemnitzer FC ein prominenter Gegner (11.08.24, 15:00 Uhr) ins Trainingszentrum. Es wird ein erster größerer Test sein, wo das Zuschauerpotenzial liegt. Punktspielauftakt in der Kreisoberliga ist am 18. August bei der SpG Gohlis/Hirschstein.
Einzelne Spiele im großen Harbig-Stadion sind für Geschäftsführer David Fischer noch kein großes Thema: "Ich denke, dass das Interesse grundsätzlich gegeben ist. Das kann ein ehrbares Ziel sein, in der näheren Zukunft wird das aber noch kein Erfolgsprojekt sein. Bei namhafteren Gegnern kann es relevant sein."