Turnen | Paris 2024 Medaillentraum dahin? Turnerin Schäfer-Betz dämpft Olympia-Erwartungen
Bei der dritten Teilnahme endlich die erste Olympia-Medaille holen, das war das große Ziel von Turnerin Pauline Schäfer-Betz. Doch zwei Monate vor dem sportlichen Höhepunkt des Jahres muss die Chemnitzerin zurückrudern. "Kleinere Brötchen backen", gibt ihr Trainer nun als Motto vor.
Von der Olympia-Medaillenhoffnung zum "Dabeisein ist alles" in nur vier Monaten: Die frühere Turn-Weltmeisterin Pauline Schäfer-Betz blickt mit deutlich gedämpften Erwartungen auf die Ende Juli in Paris beginnenden Olympischen Sommerspiele.
Schäfer-Betz: "Finale wäre ein großer Traum"
"Ein olympisches Finale wäre ein großer Traum. Aber erstmal ins Finale zu kommen, ist eine große Herausforderung", sagt die 27-Jährige im Interview mit SPORT IM OSTEN. Und auch ihr Chemnitzer Trainer Kay-Uwe Temme dämpft die Erwartungen: "Wir müssen jetzt kleinere Brötchen backen."
Schäfer-Betz: "Mir fehlen acht bis zehn Wochen"
Ende Januar schaute Schäfer-Betz im ARD-Mittagsmagazin noch hoffnungsfroh auf Olympia und formulierte als Ziel: "Ich will ganz vorn sein. Ich will um die Medaillen kämpfen." Doch statt an einer neuen Übung zu feilen, musste die gebürtige Saarländerin im Frühjahr lange im Training zurückstecken.
Die Schwebebalken-Weltmeisterin von 2017 hatte mit Problemen an der Halswirbelsäule zu tun. "Mir fehlen acht bis zehn Wochen Training. Das merke ich", so Schäfer-Betz. "Die Verletzungen haben uns immer wieder von einem guten Stand zurückgeworfen", sagt Temme. "Wir mussten das Programm anpassen und die Sachen nehmen, wo sie wettkampffähig ist. Die gesundheitliche Situation hat nicht mehr zugelassen."
Kein Vierkampf, nur Balken und Boden
So wird Schäfer-Betz, die bei Weltmeisterschaften bisher einen kompletten Medaillensatz und zudem neun deutsche Meistertitel und EM-Bronze 2022 sammelte, auf den Mehrkampf verzichten und lediglich am Boden und ihrem Paradegerät am Schwebebalken an den Start gehen.
Temme: "Stehen im Schwierigkeitsniveau hintenan"
Außerdem wird Schäfer-Betz keine neue Übung zeigen, sondern das Programm turnen, mit dem sie bei der WM 2023 Achte am Balken wurde. "Wir stehen dadurch im Schwierigkeitsniveau ein bisschen hintenan im Weltniveau", erklärt Temme. Schäfer-Betz ergänzt: "Ohne Verletzung wäre ich mehr ins Risiko gegangen. Ich hätte versucht, meinen Ausgangswert am Balken um mindestens einen halben Punkt hochzuschrauben. Das macht einen großen Unterschied aus."
Hoffnung auf perfekte Übung und Fehler der Konkurrenz
Kampflos will Schäfer-Betz die Medaillenträume aber dennoch nicht sausen lassen. "Ich versuche, mich auf meine Stärken zu konzentrieren. Das ist auf jeden Fall meine Erfahrung der letzten Jahre. Ich versuche, über meine Ausführungen an meine Punkte zu kommen." Trainer Temme weiß, dass seine Sportlerin mit nur geringen Medaillenchancen nach Paris fährt. Wichtig sei erstmal die Qualifikation: "Da brauchen wir eine perfekte Übung. Ohne Wackler und im Abgang stehen. Dann haben wir eine Chance. Ein bisschen müssen wir auch auf Fehler der Konkurrenz hoffen."
Start bei den Finals in Frankfurt/Main
Immerhin sicherte sich Schäfer-Betz bei der WM 2023 bereits einen Quotenplatz für Paris und muss sich über die Deutschen Meisterschaften nicht noch für Olympia qualifizieren. "Das war eine wahnsinnige Erleichterung. Es ist auch eine große Belohnung, wenn man die dritte olympische Teilnahme mitnehmen kann." Bei den Finals 2024 vom 6. bis 10. Juni in Frankfurt/Main wird Schäfer-Betz dennoch am Start stehen. "Die deutschen Meisterschaften werden mein erster Wettkampf seit der WM letztes Jahr sein", so die Chemnitzerin. Danach, so Trainer Temme, wolle man mit dem Deutschen Turnerbund (DTB) absprechen, ob weitere Wettkämpfe sinnvoll seien.
2017 gewann Pauline Schäfer sensationell WM-Gold am Schwebebalken (Archivbild).
Zu ihren bisherigen Olympischen Spielen war Schäfer-Betz 2016 und 2021 als Medaillen-Mitfavoritin gereist und dann Sechste und Neunte geworden – allerdings im Team. Für 2024 hatten die deutschen Frauen knapp die Team-Qualifikation verpasst.
Kein Karriereende 2024
Während die Olympia-Platzierung 2024 noch nicht klar ist, hat Schäfer-Betz eine Entscheidung über ihre sportliche Zukunft bereits getroffen: "Nach Paris werde ich mir ein paar Wochen Auszeit genehmigen. Mein Körper wird die Pause brauchen. Aber ich werde meine sportliche Karriere noch nicht an den Nagel hängen."
Das komplette Interview
Dirk Hofmeister/Steffen Reichert