Beckenbauer als Teamchef Weltmeister-Teamchef 1990: "Geht's naus und spuits Fußball!"
Als Teamchef war Franz Beckenbauer Weltmeister, deutscher Meister und UEFA-Pokalsieger. Auch weil er sich seine Leichtigkeit als Spieler nach der Fußballerkarriere beibehalten hat.
Dieser kleine Videoschnipsel aus dem BR-Archiv bleibt im Gedächtnis haften. Der 20-jährige Fußballer Franz Beckenbauer vom FC Bayern München steht da, das Bild schwarz-weiß, er blickt in die Kamera und sagt voller Überzeugung: "Mit Fußball möchte ich später nichts mehr zu tun haben. Und ein Trainerberuf kommt für mich nicht infrage."
Kurzer Schnitt zum nächsten Videoschnipsel, den vermutlich jeder deutsche Fußballinteressierte kennt: Franz Beckenbauer spaziert da 25 Jahre später gedankenversunken im Anzug über den WM-Finalrasen unter dem Nachthimmel von Rom, eine Goldmedaille wippt über seiner Krawatte. Beckenbauer ist einer von vier Weltmeister-Coaches der deutschen Nationalmannschaft – nach Sepp Herberger 1954 und Helmut Schön 1974 (mit Beckenbauer als Spieler) gewann er 1990 mit der deutschen Auswahl den Titel, 2014 folgte Joachim Löw.
Als Nationaltrainer eine Ausnahme
Ja, es ist eine Binsenweisheit, aber: Es kommt im Leben halt doch immer anders, als man denkt. Gerade im Leben von Franz Anton Beckenbauer, in dem sich die Dinge immer wieder fügten. Aber so wie Beckenbauer schon auf dem Fußballfeld ein anderer war als seine Mit- und Gegenspieler, so erfand er in gewisser Weise auch den Trainerberuf neu.
Im Video: Klaus Augenthaler über Franz Beckenbauer
Denn ein "normaler" Fußballtrainer war der Kaiser nicht, allein schon, weil er keinen Trainerschein hatte – und Deutschlands Fußball-Nationalmannschaft deshalb von 1984 an sechs Jahre lang als "Teamchef" führte - wie später auch Jürgen Klinsmann beim WM-Sommermärchen 2006. Seine Co-Trainer mit Trainerschein: Horst Köppel (1984-86) und Holger Osieck (bis 1990).
Brehmes Elfmeter macht Beckenbauer zum Weltmeister als Spieler und Trainer
Sein Trainerstil? Ein wenig wie als Fußballer: zuvor wenig gekannt, nie dogmatisch, aber immer frei heraus: "Geht's naus und spuits Fußball!" Nicht mehr und nicht weniger soll er seiner Mannschaft vor der WM-Finale 1990 in Rom zugerufen haben.
Sie war nach Beckenbauers Ansicht die beste des Turniers, das musste reichen. Am Ende gewann sie 1:0 durch einen Elfmeter von Andreas Brehme gegen Argentinien. Das Kunststück, als Spieler und als Trainer Weltmeister zu werden, haben neben Beckenbauer nur Mario Zagallo und Didier Deschamps geschafft.
Im Video: Ikonische Bilder aus Rom - Beckenbauer allein auf dem Rasen
Bewerbung via Zeitung – kuriose Berufung zum Nationalcoach
Vor Beckenbauer war auch durchaus eiserne Disziplin eines der Gebote im deutschen Fußball-Nationalteam. Mit Beckenbauer wurde es ein bisschen lockerer, schon als Spieler sagte ihm selbst bei der WM 1974 die Abgeschiedenheit der Sportkaserne Malente überhaupt nicht zu. Und so ließ er seinen Spielern etwas mehr Freiraum, auch die Spielerfrauen und Familien durften ins WM-Quartier. Beckenbauer selbst war auch als Babysitter gefragt.
"Das war wie Urlaub. Wir waren zwei Monate zusammen, es gab nicht ein einziges Mal Theater", erzählte Brehme in einer BR-Dokumentation von 2010 anlässlich des 20-jährigen Jubiläums. Das Team machte auch einmal einen Bootsausflug auf dem Comer See - auf dem Boot von Lothar Matthäus, damals Spieler bei Inter Mailand. Beckenbauers Hintergedanke, mit der im wahrsten Sinne des Wortes familiären Atmosphäre auch den Teamgeist zu stärken und für Entspannung zu sorgen, ging vollends auf.
Kurios war auch Beckenbauers Berufung zum Nationalcoach. Nach der verkorksten EM 1984 trat Jupp Derwall zurück, die Nachfolgersuche gestaltete sich schwierig, Beckenbauer sagte zur "Bild-Zeitung", dass er sich eine Stelle als Technischer Direktor vorstellen könnte, nicht aber als Trainer. Prompt titelte diese am nächsten Tag: "Derwall vorbei – Franz: Bin bereit". Schon hatte er den Job – und der 20-jährige Fußballer eingangs des Textes war widerlegt.
Dokumentation "Italia 1990 - Deutschland ist Fußball-Weltmeister"
Auch mit dem FC Bayern als Trainer erfolgreich
Schon 1986 führte der Münchner das deutsche Team ins WM-Finale, das gegen Argentinien mit Diego Maradona verloren ging. Der Traum vom Heim-EM-Titel 1988 endete dann im Halbfinale, ehe zwei Jahre später der goldene Abend in Italiens Hauptstadt gelang. Als er allein übers Rasenfeld von Rom spazierte, wusste er schon, dass er sein letztes Spiel als DFB-Teamchef hinter sich hatte. Die Spieler durften ihn nun "Franz" nennen.
Eigentlich hätte sich also nun der Kreis schließen können für Beckenbauer, doch im Leben kam es dann doch wieder anders, als er sich dachte. Erst begann er ein unvorhergesehenes Intermezzo als Teamchef von Olympique Marseille, dann sprang er nochmal als Coach ein – während seiner Zeit als (Vize-)Präsident des FC Bayern München. 1993/94 übernahm er den Posten des beurlaubten Erich Ribbeck und gewann die deutsche Meisterschaft, 1996 folgte er interimsweise auf Otto Rehhagel – und gewann den UEFA-Pokal. FCB-Präsident blieb er bis 2009.
Beckenbauer verpasste das Weltmeister-Treffen im Jahr 2023
Nicht nur als Spieler, auch als Trainer steht Beckenbauer also für eine erfolgreiche Ära. Aber dabei durfte – wie schon angemerkt – auch hier der Spaß nicht zu kurz kommen. Aus der Weltmeister-Mannschaft von 1990 ist dadurch eine so eingeschworene Truppe geworden, dass sie sich in Erinnerung an ihren Titel immer noch Jahr für Jahr im Sommer trifft.
Eigentlich immer dabei: Franz Beckenbauer. Im Jahr 2023 fehlte er dann allerdings aus gesundheitlichen Gründen – und war doch irgendwie dabei: Seine Ex-Spieler sangen gemeinsam seinen Schlager "Gute Freunde", einigen standen die Tränen in den Augen. "Diesen einmaligen Zusammenhalt in dieser Mannschaft hat Franz Beckenbauer geschaffen. Kein anderer. Ihm haben wir alles zu verdanken!", sagte der 1990er-Kapitän Lothar Matthäus der "Bild".
Am vergangenen Sonntag verstarb Franz Beckenbauer im Alter von 78 Jahren.
Dokumentation: "Der Ball war mein Freund"
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Quelle: Beckenbauer 08.01.2024 - 20:30 Uhr