BR24 Sport Nagelsmann will EM-Titel und setzt auf Team-Spirit
Julian Nagelsmann setzt bei seinem Kader für die Heim-Europameisterschaft nicht nur auf spielerische Faktoren. Der Bundestrainer möchte das perfekte Gebilde verschiedener Charaktere formen. Wenn das klappt, ist auch der Titel möglich.
Da der DFB in den letzten Tagen ja schon einen Großteil der Namen des 26-Mann-Aufgebots eigens geleakt hatte, war die Spannung relativ überschaubar. Deutlich interessanter waren daher die Beweggründe des Bundestrainers für Nominierungen wie Nicht-Berücksichtigungen. Auf der Pressekonferenz in Frankfurt stellte Julian Nagelsmann klar: Für ihn zählen nicht nur die Qualitäten seiner Spieler auf dem Rasen.
Ein Puzzle aus 26 Charakterzügen
"Du musst versuchen, die 26 passenden Charakter- und Wesenszüge zusammenzufügen, damit eine sehr, sehr gute Mannschaft entsteht", beschrieb Nagelsmann die Zusammenstellung des Kaders. In diesem Fall nominierte er sogar 27 Profis, wird also einen am 7. Juni vertrösten müssen. Um seine Spieler charakterlich einschätzen zu können, konsultierte Nagelsmann sogar die DFB-Köche oder Physiotherapeuten und bat sie um deren Einschätzung. "Wie ist das Arbeitsklima, wie sind die Kommentare über einzelne Mitspieler?", seien Fragen gewesen, die der Bundestrainer seinen Mitarbeitern gestellt habe.
Das sei schon rund um das Länderspiel gegen Frankreich geschehen. "Das Feedback war ganz klar, dass das mit Abstand die beste Maßnahme war, was die Punkte Arbeitsklima, Umgang miteinander und mit dem Staff, angeht." In diesen zehn Tagen sei "eine Struktur gewachsen". Und auch oder gerade weil diese noch nicht stabil sei, verzichtete der Bundestrainer bewusst auf gravierende Änderungen am Kader im Hinblick auf die EM. Er wollte "das zarte Pflänzchen" (Nagelsmann) nicht gefährden.
Damit wollte er aber nicht verstanden wissen, dass die Nicht-Nominierten das Gebilde gefährdet hätten. "Das heißt nicht, dass die Spieler, die jetzt zu Hause sind, schlechte Menschen sind, überhaupt nicht. [...] Jeder Mensch hat halt seinen Charakter und manchmal passt das und manchmal eben nicht." Namen nannte er nicht, dürfte aber sicher auch Leon Goretzka und Mats Hummels gemeint haben, die kein EM-Ticket erhalten haben.
Connector Müller kann mit Rappern und Jodlern
Um die Gruppe zu verbinden und zu einer Einheit zu formen, wird es auch auf Spieler wie Thomas Müller ankommen. "Thomas ist ein, auf neudeutsch würde man sagen, Konnektor. Er kann Gruppen verbinden. Er kann mit den Rappern in der Mannschaft, er kann auch mit den Jodlern. Er kommt mit allen gut klar", lobt ihn Nagelsmann, möchte ihn aber nicht auf seine Qualitäten abseits des Platzes reduzieren. Er finde es "schwierig, Müller "nur als Gute-Laune-Onkel zu beschreiben". Dieser habe schließlich auch fußballerische Qualitäten.
Doch seine Fähigkeiten auf dem Rasen reichen nicht mehr für einen Stammplatz. "Er wird keine Spiele von Anfang an bestreiten, er ist eher einer, der reinkommt", verriet der Bundestrainer. Trotzdem sei Müller "sehr on fire" und brauche "keine große Anlaufzeit". Für Nagelsmann und sein Trainerteam ist er "der verlängerte Arm".
Kroos: Der Connector auf dem Platz
Der Konnektor auf dem Platz könnte Toni Kroos werden. Der Mann von Real Madrid kehrte im März nach zwei Jahren Pause in die Nationalmannschaft zurück und hatte sofort großen Einfluss auf das Spiel. "Er ist einer, der anderen Spielern extrem hilft durch seine Ruhe am Ball", lobt Nagelsmann. Kroos sorge bei seinen Mitspielern für das "Bewusstsein, 'ich kann ihn anspielen und im Normalfall verliert er keinen Ball'", lobt der Bundestrainer. "Er ist total normal, ganz bodenständig und auch in Gesprächen mit allen Spielern gewesen - egal, ob das ganz junge waren oder erfahrene. Er war einfach Teil der Gruppe."
Die Gefahr, dass bei lauter Gute-Laune-Onkeln, Konnektoren und Harmonie der Konkurrenzkampf auf der Strecke bleiben könnte, sieht Nagelsmann nicht. "Generell ist wichtig, dass die Spieler, die hinten dran sind, für den nötigen Konkurrenzkampf sorgen", stellt der Bundestrainer klar. "Jeder Spieler weiß auch, dass egal, ob er Spieler zwei, vierzehn oder achtzehn ist, in jedem Training immer Vollgas verlangt wird." Das sorge für den nötigen Konkurrenzkampf, ist sich Nagelsmann sicher.
Nagelsmann will EM-Titel gewinnen
Den braucht es auch, denn die Ziele sind hoch gesteckt. "Wenn wir an einem Turnier teilnehmen, sollten wir es auch gewinnen wollen", so Nagelsmanns Kampfansage. Mit den Eindrücken aus dem März lässt sich diese Aussage auch deutlich leichter treffen als noch Ende letzten Jahres. Nagelsmann traut es seinem Team zu. "Ich finde den Kader sehr gut, sonst hätte ich ihn nicht so gewählt", stellte er auf der Pressekonferenz klar.
Quelle: BR24Sport 16.05.2024 - 18:50 Uhr