Deutsche Radfahrerin Liane Lippert

Vor Lüttich-Bastogne-Lüttich Liane Lippert - "Ich will unbedingt einen Ardennen-Klassiker gewinnen"

Stand: 21.04.2023 11:25 Uhr

Die Chance, einen ihrer Radsportträume zu verwirklichen, hat Liane Lippert bereits am Sonntag (23.04.2023). Da steht die deutsche Straßenmeisterin bei Lüttich-Bastogne-Lüttich an der Startlinie. Als eine der Top-Favoritinnen, nach einer fast perfekten Generalprobe.

Von Florian Kurz

Jede Kurbelumdrehung schmerzt, ihre Beine brennen, doch der Kopf treibt Liane Lippert weiter voran. Die berüchtigte Mauer von Huy hinauf, den bis zu 26 Prozent steilen Schlussanstieg des Flèche Wallone Feminine am vergangenen Mittwoch. Nur eine Konkurrentin ist noch stärker als die deutsche Straßenmeisterin, die Siegerin Demi Vollering. Rang zwei für Liane Lippert bei einem der härtesten Eintagesrennen der Frauen World Tour, das beste Ergebnis, das sie je bei einem der großen Highlights des Rennkalenders eingefahren hat.

Tapetenwechsel als Karriereschritt

Vor dieser Saison hat die 25-Jährige ihr Leben als Profi-Radsportlerin komplett umgekrempelt. Nach sechs Jahren im DSM-Team wechselte sie zum spanischen Movistar-Rennstall. Dort fährt sie jetzt an der Seite der wohl besten Straßenfahrerin der Welt, der Niederländerin Annemiek van Vleuten – mehrmalige Weltmeisterin, Siegerin bei allen großen Landes-Rundfahrten. Ein Gewinn für beide Seiten. "Annemiek will ihr Wissen weitergeben. Davon kann ich sehr profitieren. Beim Flèche Wallone hat sie mir die entscheidenden Tipps gegeben, wie ich mir den Schlussanstieg einteilen soll. Das hat sehr geholfen", schwärmt Lippert von ihrer prominenten Ratgeberin.

Noch ist van Vleuten das Aushängeschild beim Movistar-Team. Doch die Niederländerin ist bereits 40 Jahre alt, wird am Jahresende zurücktreten. Danach soll Liane Lippert ihre Leader-Rolle übernehmen.

Mentalitätsunterschied

Als größten Unterschied zwischen ihrem alten und dem neuen Team beschreibt die Friedrichshafenerin die dortige Mentalität. "Bei Movistar ist alles gelassener, viel weniger Kontrolle, mehr Freiheiten, aber trotzdem absolut professionell." Ein Beispiel: Im März absolvierte Liane Lippert das erste Höhentrainingslager ihres Lebens, drei Wochen auf dem Teide in Teneriffa.

Im Profibereich bei den Männern gehören solche Vorbereitungen auf die Saison-Höhepunkte längst zum Standard. Auch im Männer-Team von DSM – nicht aber in deren Frauen-Mannschaft. "Wir hätten uns so etwas selbst organisieren müssen. Und selbst bezahlen. Von der Team-Leitung gab es keinerlei Unterstützung." Das Training in der Höhe, für Liane Lippert einer der Schlüssel für ihre aktuellen Top-Leistungen. Auch beim Pfeil von Brabant fuhr sie aufs Podest, beim Amstel Gold Race war die Deutsche die vielleicht stärkste Fahrerin des gesamten Feldes.

Umso überraschender, dass Lippert in den vergangenen drei Jahren nur ein Rennen gewinnen konnte, die deutsche Straßenmeisterschaft 2022. National ist Liane Lippert längst die klare Nummer eins. Bei der Straßen-WM in Australien im vergangenen Herbst verpasste sie eine Medaille als Vierte nur denkbar knapp.

Hart, hügelig, aber nicht unbedingt im Hochgebirge – so sieht das perfekte Rennprofil für sie aus. Deswegen steht der Gewinn des WM-Titels auch ganz oben auf Liane Lipperts sportlicher To-do-Liste.

Tour de France

Das dritte große Highlight ihres Radsportjahres 2022 war das Comeback der Tour de France Femmes. Auch wenn Lippert einen Etappensieg verpasste, weiß sie, dass dieses Rennen die Wahrnehmung ihrer Sportart erheblich verändert hat. "Wenn ich heute beim Friseur sitze, sorgt mein Job als Radprofi noch immer für Fragezeichen, aber mit der Tour de France kann wirklich jeder etwas anfangen."

Die Frankreich-Rundfahrt Mitte Juli hat sie schon jetzt fest im Blick. Höhentrainingslager im Vorfeld und eine Streckenbesichtigung der Schlüsselstellen hat ihr Team längst geplant. Denn Movistar geht dort als Titelverteidiger an den Start. 2022 triumphierte Annemiek van Vleuten ganz überlegen. In diesem Jahr steht bei der Frauen-Tour erstmals auch eine der Berg-Ikonen im Streckenplan, der Tourmalet in den Pyrenäen. Das perfekte Szenario aus Sicht ihrer Mannschaft: Van Vleuten gewinnt die Rundfahrt, Lippert feiert einen Etappensieg.

Lüttich-Bastogne-Lüttich

Beide Top-Fahrerinnen werden sich auch am Sonntag bei Lüttich-Bastogne-Lüttich die Kapitänsrolle teilen. 142 Kilometer, neun harte Anstiege in den Ardennen. "Vielleicht das härteste Rennen des Jahres. Bei der Länge der Anstiege werde ich an meine Grenzen geraten", beschreibt die Mitfavoritin die Herausforderung. Umso erfolgversprechender für ihre Mannschaft, gleich zwei Siegeskandidatinnen zu haben. "Das Podium ist unser Minimalziel, aber eigentlich wollen wir gewinnen." Nach ihrer Vorstellung am Mittwoch beim Flèche Wallone, es wäre keine Überraschung, wenn diese Siegerin Liane Lippert hieße.