Dylan Groenewegen entscheidet den Zielsprint der 6.Etappe für sich
Tourreporter

Drei Sprints, drei Sieger Philipsen ohne die Dominanz des Vorjahres

Stand: 04.07.2024 20:59 Uhr

Dylan Groenewegen gewinnt die 6. Etappe der Tour de France in Dijon. Der Niederländer ist bereits der dritte Sieger im dritten Sprint. Es fehlt diesmal ein dominanter Sprinter. Das frustriert vor allem Jasper Philipsen und lässt andere hoffen.

Von Michael Ostermann, Dijon

Als Jasper Philipsen mit grimmiger Miene im Teambus hinter dem Ziel der 6. Etappe der Tour de France in Dijon verschwand, da ahnte er noch nicht, dass die Rennkommissäre ihn wegen eines unsauberen Sprints ans Ende des Feldes auf Rang 107 relegiert hatten. Zuvor war er knapp hinter dem Etappensieger Dylan Groenewegen über den Zielstrich gerauscht, das reichte schon für ordentlich Frust.

Philipsen verlässt die Linie

Ein Anruf der UCI bei seinem sportlichen Leiter Christoph Roodhooft verdarb dem dominanten Sprinter der Tour de France im vergangenen Jahr dann endgültig den Tag. Philipsen hatte 50 Meter vor dem Ziel seine Linie verlassen, war rechts rübergefahren und hatte damit Wout van Aert behindert.

Ein Foul, das die Jury zu Recht bestrafte. Eine Strafe, die sich manch einer schon im vergangenen Jahr gewünscht hätte, als Philipsens Verhalten im Sprint fast jedes Mal für Diskussionen gesorgt hatte.

Mit der Zurücksetzung des Belgiers ist für ihn nun in allererster Linie das Grüne Trikot schon fast außer Reichweite. Was ihm und seinem Team aber vor allem Sorgen bereiten dürfte, ist die Tatsache, dass Philipsen bei mittlerweile drei Sprints nicht einmal als Erster am Zielstrich war.

Beim ersten Sprint in Turin stoppte ihn ein Sturz, bevor er überhaupt loslegen konnte. Auf der 5. Etappe lag er eine Radlänge hinter dem Sieger Mark Cavendish. Und diesmal war Groenewegen schneller gewesen.

Philipsens Team reagiert dünnhäutig

Dementsprechend dünnhäutig reagieren sie inzwischen beim Team Alpecin-Deceuninck, wo sie im vergangen Jahr vier Etappensiege ihres Sprinters feiern konnten. Philipsen selbst wollte gar nichts sagen in Dijon und überließ das Reden lieber seinem sportlichen Leiter, von dem man wissen wollte, ob vielleicht zu viel Druck auf Philipsens Schultern laste, weil er diesmal als der Topfavorit in die Sprintetappen gehe.

"Druck? Was hat das mit Druck zu tun?", antwortete Roodhoft recht unwirsch: "Er ist zweimal Zweiter geworden, das ist für mich völlig okay. Eine Etappe zu gewinnen ist nicht einfach, es ist erst Tag sechs."

Das ist richtig, aber nach Lesart der Sprinter ist damit zwar die Tour noch lang, aber ihre Chancen schwinden. Drei bis vier Chancen werden sie noch bekommen bis zum Finale am 21. Juli in Nizza, wo diesmal ein Zeitfahren und kein Sprint die Tour beenden wird. Man kann also auch sagen: Fast die Hälfte der Sprint-Gelegenheiten sind also verstrichen.

"Alle sind auf einem ähnlichen Level"

Und anders als in den vergangenen Jahren scheint sich diesmal kein dominanter Sprinter herauszukristallisieren, der auf der Welle des ersten Sieges surft und weitere Erfolge einfährt. Drei verschiedene Sieger haben die drei bisherigen Sprintetappen hervorgebracht. "Alle sind auf einem ähnlichen Level", stellte der deutsche Sprinter Phil Bauhaus in Dijon fest, wo er als Fünfter angekommen und auf Platz vier gewertet worden war. "Da entscheiden Kleinigkeiten."

Bauhaus war in diesem Fall zu früh ohne Teamkollegen, wie er später beklagte: "Da kann ich dann nicht mehr so viel machen." Gleiches galt für den zweiten deutschen Sprinter Pascal Ackermann. Der Pfälzer verlor im Kreisverkehr 600 Meter vor dem Ziel ein wenig den Anschluss und musste dann zu viel Kraft aufwenden, um sich wieder in die richtige Position zu bringen. Er wurde später auf Rang neun geführt.

Mann gegen Mann: Groenwegen ist schneller

Die richtige Position ohne zusätzlichen Kraftaufwand hatte derweil Dylan Groenewegen, der am Ende auf der linken Seite der Straße gegen Philipsen auf der rechten Seite um den Sieg sprintete. "Ich mag diese Sprints Mann gegen Mann, wo es sich auf der Ziellinie entscheidet", sagte Groenewegen später.

Dabei wurde auch deutlich, dass der Niederländer in diesem Fall die größere Endschnelligkeit hatte als Philipsen, dem der Sprint diesmal von seinem Team und vor allem Weltmeister Matthieu van der Poel so perfekt vorbereitet worden war. Im vergangenen Jahr der Schlüssel zu seinen Erfolgen.

"Wir haben ihn in die Position gebracht, damit er sprinten kann. Das ist das erste Ziel", erklärte Philipsens Teamkollege Soeren Kragh-Andersen: "Alles andere ist work in progress."

Bauhaus freut sich, Girmay auch

Dass die Arbeiten bei Alpecin-Deceuninck anders als im vergangenen Jahr noch nicht abgeschlossen sind, freut vor allem die Konkurrenz. Das Fehlen eines dominanten Sprinters findet etwa Phil Bauhaus "definitiv schön, weil dadurch die Chancen größer sind, dass man irgendwann mal oben steht".

Dort oben auf dem Podium durfte auch der Eritreer Biniam Girmay in Dijon wieder stehen, der den ersten Sprint dieser Tour in Turin gewonnen hatte. Seit der 5. Etappe trägt er das Grüne Trikot des Punktbesten, was ihm nun schon zum zweiten Mal übergestreift wurde.

Auch Girmay gefällt die Diversität bei den diesjährigen Sprints. "Je mehr verschiedene Sprinter gewinnen, desto besser ist das für mich mit Blick auf das Grüne Trikot", sagte er. Denn das bedeutet, dass nicht ein Konkurrent immer die volle Punktzahl abgreift.

Um das Maillot Verte will sich Girmay in den kommenden Tagen deshalb weiter bemühen, obwohl das gar nicht sein Plan gewesen ist. Auf die Frage nach seinen Ambitionen auf Grün hätte er vor der Tour "zu 99 Prozent nein" gesagt: "Jetzt sage ich zu 100 Prozent ja."