Tadej Pogacar (r.) und Jonas Vineggard (l.) auf er 11. Etappe der Tour de France
Tourreporter

Däne gewinnt 11. Etappe Jonas Vingegaard nervt Tadej Pogacar

Stand: 10.07.2024 22:27 Uhr

Jonas Vingegaard gewinnt die 11. Etappe der Tour de France im Sprint gegen Tadej Pogacar. Damit ist das Duell zwischen den beiden endgültig im Gange. Tadej Pogacar ist davon sichtlich genervt.

Von Michael Ostermann, Le Lioran

Jonas Vingegaard versuchte, für einen Moment dem Trubel um den Etappensieger bei der Tour de France zu entfliehen, all den Kameras und Mikrofonen. Er fand dann tatsächlich eine Ecke hinter dem Podium in Le Lorian, wo er zumindest für ein paar Minuten unbehelligt blieb, und telefonierte mit seiner Frau Trine. Kurz zuvor hatte der Däne schluchzend erklärt, dass er das alles nicht geschafft hätte, ohne seine Familie. Und nun wollte er sein Glück mit eben dieser teilen.

14 Wochen zwischen Intensivstation und Etappensieg

"Wenn man bedenkt von wo ich in den vergangenen drei Monaten gekommen bin, dem ganzen Unglück mit dem Sturz - ich habe vor drei Monaten wirklich gedacht ich würde sterben - und jetzt hier zu sitzen mit einem Etappensieg beim wichtigsten Radrennen der Welt, das ist unglaublich", sagte Vingegaard später auf der Pressekonferenz. "Ich hätte niemals gedacht, dass ich es soweit schaffen würde."

Am 4. April war er bei der Baskenland-Rundfahrt in einen schweren Sturz verwickelt, war lange an der Strecke behandelt und dann mit schwersten Verletzungen ins Krankenhaus gebracht worden, wo er ein paar Tage auf der Intensivstation verbrachte. Und nun, ziemlich genau 14 Wochen später, hatte er auf dem Podium der Tour de France die Arme ausgebreitet. Eine wundersame Wiederauferstehung.

"Das ist ein riesiger Boost für Jonas' Selbstbewusstsein, weil wir uns das vor sechs Wochen nicht haben vorstellen können. Ich habe daran gezweifelt", sagte Frans Maassen, der Sportdirektor von Vingegaards Team Visma-Lease A Bike, und musste dabei selbst ein paar Tränen verdrücken. "Der Sturz war fürchterlich, im Krankenhaus war es fürchterlich, die Wochen danach waren fürchterlich. Die Tatsache, dass er hier ist, ist schon unglaublich. Ein Sieg. Verrückt. Der Sieg heute zeigt, dass es ein großer Kampf geben wird um diese Tour de France."

Pogacar sucht jede Gelegenheit

Nach Lage der Dinge erfährt das Duell der vergangenen beiden Jahre zwischen Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar eine Neuauflage. So sieht das auch der Slowene. "Jetzt haben wir einen großen Kampf um den Toursieg", sagte Pogacar. Er hätte diesen Kampf wohl lieber vermieden oder wäre zumindest mit etwas mehr Vorsprung in die entscheidende Phase gegangen, die am Wochenende in den Pyrenäen beginnt und in der dritten Tourwoche in den Alpen ihren Höhepunkt erleben wird.

Jedenfalls hat Pogacar in den ersten elf Tagen der Tour keine Gelegenheit ausgelassen, den Abstand zu Vingegaard zu vergrößern. Doch mehr als 1'14 Minuten hat er bislang nicht zwischen sich und den Dänen bringen können. Was ihn sichtlich nervt. Schon in den vergangenen Tagen hatte Pogacar sich beschwert, dass man sich bei Visma-Lease A Bike nur auf ihn konzentriere und die beiden anderen Mitfavoriten Remco Evenepoel, der derzeit in der Gesamtwertung noch zwischen Pogacar und Vingegaard auf Rang zwei liegt, und den Gesamtvierten Primoz Roglic außer Acht lasse.

Pogacar investiert viel - für nichts

Nach den Eindrücken der 11. Etappe tun sie bei der niederländischen Equipe recht daran. Das weiß wohl auch Pogacar. Uns so dringt sein sonst so verschmitzter Gesichtsausdruck nicht mehr durch. Und seine Worte passen nicht mehr recht zu seiner Mimik. "Ich hatte einen unterhaltsamen Tag", behauptete der Slowene in Le Lorian, guckte dabei allerdings als habe man ihm gerade übermittelt, sein Fahrrad sei gestohlen worden.

11. Etappe - die letzten 2 Kilometer

Sportschau Tour de France, 10.07.2024 16:26 Uhr

Pogacars Arbeitsgerät war selbstverständlich in Sicherheit und auch seine Arbeitskleidung ist weiterhin Gelb nach dieser 11. Etappe der Tour de France – einem epischen Rennen für die Historiensammlung der Tour de France. Aber dass dies ein guter oder gar unterhaltsamer Tag für ihn gewesen war, konnte man nicht ernsthaft behaupten. Dafür hatten er und sein Team schlichtweg zu viel investiert und am Ende eigentlich nichts erreicht. Seine UAE-Mannschaft hatte vor dem Finale im Zentralmassiv mit vier Anstiegen auf den letzten 50 Kilometern das Tempo hochgehalten, um den Angriff ihres Kapitäns vorzubereiten.

Der kam dann auch am Puy de Mary 31 Kilometer vor dem Ziel. Der Plan schien zunächst auch aufzugehen, doch im Ziel hatte Pogacar weder die Etappe gewonnen, noch einen wesentlichen Vorsprung herausgefahren. Stattdessen hatte Vingegaard zunächst die zwischenzeitlich 36 Sekunden Rückstand am vorletzten Anstieg wieder aufgeholt und Pogacar dann sogar zum ersten Mal in einem Zielsprint geschlagen.

11. Etappe - die Zusammenfassung

Sportschau Tour de France, 10.07.2024 17:29 Uhr

Ist Pogacars Plan sinnvoll?

Eine Niederlage, die vermutlich nachwirken wird im Kopf des Slowenen. Auch wenn sie beim UAE-Team das natürlich weit von sich wiesen. "Wir haben einen Plan, in die Offensive zu gehen auch im Gelben Trikot", sagte der Sportliche Leiter von Pogacars Mannschaft, Joxean Matxin Fernández. "An diesem Plan werden wir festhalten." Was Pogacar anschließend bestätigte.

Die Frage ist nur, ob dieser Plan sinnvoll ist. Es liegt in der Natur von Tadej Pogacar offensiv zu fahren. Er mag das, das Publikum auch. Aber im Gelben Trikot ist es manchmal sinnvoller defensiv zu fahren und zu reagieren, zumal wenn die Attacken wie am Mittwoch ins Leere laufen. "Ich denke das gibt Jonas einen großen mentalen Vorteil", sagte dann auch Grischa Niermann, der Sportliche Leiter von Vinegaards Team, der den Dänen unterwegs per Funk angetrieben hatte.

Sticheleien nach der Etappe

Derweil wirkt Pogacar zunehmend dünnhäutig. Zwar hat er seit dem Grand Départ der Tour in Florenz stets betont, dass er fest überzeugt sei, dass sein Rivale in sehr guter Form sei. In Le Lorian erklärte er nun fast schon gereizt: "Jonas ist vielleicht in der Form seines Lebens." Das wiederum wies Vingegaard weit von sich: "Ich glaube nicht, dass man nach nur sechs Wochen Training in der Form seines Lebens sein kann."

Pogacar gegen Vingegaard – das Duell wird die verbleibenden zehn Tage der Tour de France 2024 nun wohl prägen. Und Stand jetzt wird es anders als in den Jahren zuvor nicht mehr alleine auf dem Rad ausgetragen.