Tour de France, 1. Etappe Bardet sorgt für französischen Triumph zum Tour-Start
Triumphaler Tour-Start für Romain Bardet: Der 33-jährige Franzose holte sich den Sieg auf der spektakulären ersten Etappe über 206 Kilometer von Florenz nach Rimini.
Der Tour-Zweite von 2016 setzte sich bei Temperaturen jenseits der 35 Grad vor seinem Teamkollegen Frank van den Broek (Niederlande) durch, damit sicherte sich Bardet das erste Gelbe Trikot der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt. Dritter wurde der Belgier Wout van Aert (Visma-Lease a Bike).
"Es ist verrückt"
Für Bardet, zu dessen Team auch der deutsche Etappenjäger John Degenkolb gehört, war es der vierte Tagessieg beim wichtigsten Radrennen der Welt, das Maillot Jaune hatte der Gesamtzweite von 2016 noch nie getragen. Der dänische Titelverteidiger Vingegaard (16.) und der slowenische Herausforderer Pogacar (4.) erreichten das Ziel mit der ersten Gruppe und zeigten an den sieben Bergwertungen keine Schwäche.
"Das ist verrückt. Wie es im Radsport immer noch unerwartete Momente gibt. Es war überwältigend", sagte Bardet. "Ich habe jetzt Gänsehaut, ich hatte vorhin Gänsehaut. Ich glaube, ich war noch nie so emotional bei einem Sieg, den ich nicht selbst eingefahren habe. Es ist absolut gigantisch", sagte Degenkolb am Teambus.
Spektakel von Beginn an
Von Rennbeginn an zeigte sich, dass die Veranstalter mit der extrem anspruchsvollen Start-Etappe ihrer 111. Rundfahrt für Spektakel pur gesorgt hatten. Während sich die Favoriten auf den Gesamtsieg auf das letzte schwere Renndrittel konzentrieren konnten, spielten sich im hinteren Feld rasch die ersten Dramen ab.
Betroffen war vor allem Sprinter Mark Cavendish. Der Brite, mit 39 Jahren so etwas wie ein Methusalem im Peloton, ging offenbar gesundheitlich angeschlagen in diese erste schwere Etappe, die mit 206 Kilometern und gut 3.600 Höhenmetern als echt harter Kanten daherkam.
Cavendish-Team mit gesundheitlichen Problemen
Bei großer Hitze - das Thermometer zeigte schon beim Rennstart in Florenz über 30 Grad Celsius an - musste "Cav" schon gleich am ersten Berg das Peloton ziehen lassen. Beim Anstieg auf den 930 Meter hohen Valico Tre Vaggi war auf den TV-Bildern zu sehen, wie der Brite litt, sich übergeben musste und nur mühsam von vier seiner Astana-Teamkollegen quasi über den Gipfel gezogen wurde.
Schon hier war klar: Auf der körperlich extrem anspruchsvollen Etappe würde es für Cavendish sehr schwer werden, das Ziel in der nötigen Karenzzeit zu erreichen, um nicht schon nach dem ersten Tag die Tour verlassen zu müssen. Dass womöglich neben Cavendish weitere Astana-Fahrer krank waren, zeigte sich nach etwa der Hälfte der Renndistanz, als Michele Gazzoni entkräftet vom Rad stieg.
Spitzengruppe um Mohoric zieht davon
Derweil hatte sich ganz vorn schon kurz nach dem Start eine neunköpfige Spitzengruppe abgesetzt, in der mit Matej Mohoric und Ion Izagirre zwei echte Klassiker-Fahrer steckten, die jede Menge Sieg-Potenzial für einen solchen Tag mitbrachten. Entsprechend empfindlich reagierte das Peloton und es war in der Folge zunehmend das Team EF-Education, das im Peloton für die Nachführarbeit sorgte. Der Vorsprung der Ausreißer wurde bald unter fünf Minuten gehalten.
Im Feld konnten sich die Favoriten um Tadej Pogacar, Jonas Vingegaard und Primoz Roglic - abgeschirmt von ihren Helfern - gut verstecken und Kräfte sparen. Ganz besonders fiel der Blick natürlich auf den gerade erst von seinen schweren Verletzungen geheilten Vingegaard, der seinem Team unterwegs die gute Nachricht funken konnte: "Alles in Ordnung, Jungs. Ich fühle mich gut, bin stabil!".
Pogacar-Team ergreift die Initiative
80 Kilometer vor dem Ziel aber wurde der Titelverteidiger aus Dänemark von seinem schärfsten Konkurrenten unter Druck gesetzt: Das Team UAE von Pogacar zog das Tempo im knapp sechs Kilometer langen Anstieg hinauf nach Barbotto an. Reihenweise fielen bei der wilden Hatz auf dem durchschnittlich 7,6 Prozent steilen Berg schwächere Kletterer aus dem Hauptfeld, das rasch stark ausgedünnt daherkam. Unter anderem mussten Leute wie Mathieu van der Poel oder David Gaudu, Klassement-Fahrer von Groupama-FDJ, reißen lasssen.
Vingegaard aber blieb dabei. Vor und hinter ihm ging es weiter spektakulär zu: Die Spitzengruppe, in der sich die Akteure im Kampf um die jeweiligen Bergpunkte regelrecht kaputt gefahren hatten, flog auseinander. Ganz hinten im Gruppetto hatten Cavendish und seine verzweifelten Mitstreiter schon einen Rückstand von gut 20 Minuten. Vorn aber startete mit Romain Bardet 50 km vor dem Ziel ein erfahrener Mann eine Solo-Attacke aus dem Verfolger-Feld.
50 km vor Ziel - Bardet startet Angriff
Der 33-Jährige Franzose, der schon angekündigt hat, diesmal seine letzte Tour de France zu fahren, sprang mit Hilfe seines jungen Kollegen Fank van den Broek an die Spitze. Schnell waren die beiden allein und jagten im Duo dem Ziel entgegen. In den letzten Anstieg 25 km vor dem Ziel - hinauf nach San Marino - gingen die beiden mit einem Vorsprung von rund zwei Minuten auf das Verfolgerfeld mit allen Favoriten.
Sie hielten diesen im Anstieg und gingen die letzten gut 20 km mit fliegenden Fahnen in ein rasend schnelles Flachstück Richtung Zielort Rimini. Hinter ihnen mobilisierten die übrig gebliebenen Sprinterteams noch einmal eine Aufholjagd - die aber zu spät kam. Mit letzter Kraft retteten sich die beiden Ausreißer vor dem heranrauschenden Feld mit knappem Vorsprung ins Ziel.
Und Cavendish? Mit viel Mühe und 39:12 Minuten Rückstand erreichte der Brite als Vorletzter das Ziel. Damit blieb er noch deutlich innerhalb des Zeitlimits - das lag bei der langen Etappe bei 49:11 Minuten.
Sonntag nächster Schlagabtausch
Am zweiten Tour-Tag gehen die Profis am Sonntag in Cesenatico an den Start. Die Stadt ist die Geburtsstadt des 2004 verstorbenen Tour-de-France-Siegers Marco Pantani. Die Etappe endet nach 199,2 Kilometern und einigen kurzen, aber knackigen Anstiegen in Bologna. Dort könnte ein Ausreißer mit Allrounder-Qualitäten siegen. Möglicherweise kommt es auch zu einem ersten Kräftemessen der Favoriten.