Tour de France Femmes In der Unterzahl - Sportdirektorinnen im Frauenradsport
Im Frauenradsport ist es nicht anders als in anderen Sportarten: Wenn es um Machtpositionen geht, sind Frauen in der Unterzahl. So auch bei der Tour de France Femmes.
Die Werbekarawane läutet den Renntag ein. Wenn also Asterix und Obelix oder ein übergroßes Cordon Bleu-Schnitzel unter ohrenbetäubender Musik auf die Startgerade einbiegen, weiß man, die Teams können nicht weit sein. Dann werden Busse - meist in kleinste Stellflächen - eingeparkt, die Rollentrainer zum Aufwärmen aufgebaut oder Strumpfhosen mit Eiswürfeln gekühlt, damit die Fahrerinnen es bei mehr als 30 Grad auch angenehm haben.
Was dabei auffällt: Die Techniker sind fast ausschließlich männlich, hier und da fährt mal eine Frau den Teambus und bei den Pressesprechern tun sich beide Geschlechter nichts. Anders sieht es auf der Position der Sportdirektoren aus. In den 15 World-Teams, der ersten Liga im Frauenradsport, gibt es gerade einmal eine Handvoll Frauen auf dieser Position. Besser sieht es auch nicht bei den Renndirektorinnen aus. Marion Rousse, für die Tour de France Femmes verantwortlich, und die Chefin der Lotto Thüringen Tour, Vera Hohlfeld, stehen in ihrem Bereich allein da.
Mehr Frauen wären schön
Eine der wenigen Sportdirektorinnen bei der Tour de France Femmes ist Ina-Yoko Teutenberg. Die Deutsche ist seit vier Jahren als Sportliche Leiterin beim Team Lidl-Trek, welches 2019 gegründet wurde. Seitdem war das US-Team nie schlechter als Rang zwei in der Gesamtwertung der Women's World Tour, der höchsten Rennserie der Frauen. Darauf angesprochen, ob sie sich nicht mehr Frauen an ihrer Seite wünschen würde, nickt sie. "Ja, sicherlich, aber über die Jahre sind es schon mehr geworden", so Teutenberg gegenüber der Sportschau.
"Aber viele Fahrerinnen wollen nach der Karriere zuhause bleiben. Wenn man die ganze Zeit unterwegs war, hat man halt irgendwann die Schnauze voll. Es ist aber nicht so, dass sie keinen Job bekommen würden", ist sich die 49-Jährige sicher. Sie selbst habe nach ihrer aktiven Karriere auch erst einmal nichts mit dem Radsport zu tun haben wollen und nahm sich eine Auszeit.
Als Fahrerin nahm Teutenberg an zwei Olympischen Spielen teil, 2011 wurde sie WM-Dritte auf der Straße. Zwei Jahre später beendete sie ihre Karriere nach einem schweren Sturz beim Eintagesrennen Drentse 8. Erst Jahre später kehrte sie als Sportdirektorin von Lidl-Trek in den Radsport zurück. "Ich hätte auch was anderes gemacht und wäre gerne zuhause geblieben, aber das Angebot war einfach zu gut", erzählt sie lächelnd.
Familie und Karriere unvereinbar
Seitdem ist Teutenberg 180 Tage im Jahr unterwegs. Dass sich so viele Fahrerinnen im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen nach der aktiven Karriere gegen das Leben im Radsportzirkus - sei es als Sportdirektorin oder Trainerin - entscheiden, läge vor allem an der schwierigen Vereinbarkeit von Beruf und Familie. "Wenn man es aber wirklich will, kriegt man das schon irgendwie hin", so Teutenberg.
Ob im Radsport, Fußball oder Wintersport, generell sind Frauen in Machtpositionen im Sport in der Unterzahl. Das haben die jeweiligen Verbände erkannt und zahlreiche Initiativen ins Leben gerufen. So auch der Weltradsportverband UCI. Nachdem dieser bei sich selbst für mehr Chancengleichheit sorgte, bietet er nun auch Stipendien an, um Frauen die UCI-Ausbildung zur Sportdirektorin zu ermöglichen. Diese ist, um bei World-Teams angestellt zu sein, obligatorisch. Seit 2009 gibt es diesen Sportdirektoren-Kurs, seitdem nahmen 700 Personen teil - davon 62 Frauen.
Hauptsache mit Respekt
Teutenberg selbst sieht keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Natürlich könne sie besser nachvollziehen, wie sich eine Fahrerin fühle, wenn sie ihre Periode habe, aber ansonsten mache für sie das Geschlecht keinen Unterschied. "Frauenradsport ist taktisch gesehen zwar ein bisschen anders als der der Männer, aber die meisten Sportdirektoren waren ja früher selbst mal Profis und wissen, wie es auf dem Rad ist", sagt Teutenberg. Tatsächlich gäbe es viele Männer, die sehr viel feinfühliger seien als sie, gibt sie lachend zu: "Aber Scherz beiseite, es geht darum, seinen Job mit Respekt zu machen. Das ist das Wichtigste."
Wichtig ist aber auch das Abschneiden bei der Tour de France Femmes. Kurz vor dem Start bewertete Teutenberg den bisherigen Verlauf für ihr Team noch so: "Es ist nichts Schlechtes passiert, aber auch nichts richtig Gutes. Wir wollen eine Etappe gewinnen und am Ende auf das Podium." Zumindest, was letzteres angeht, dürfte Teutenburg nach der fünften Etappe, die Ricarda Bauernfeind sensationell gewann, zufrieden sein. Mit ihrem neunten Platz rückte Lidl-Treks Elisa Longo Borghini nämlich auf den dritten Rang in der Gesamtwertung vor.