Kimberley Le Court-Pienaar jubelt über den Sieg bei Lüttich-Bastogne-Lüttich

Lüttich-Bastogne-Lüttich Le Court-Pienaar - Die Überraschungssiegerin aus Mauritius

Stand: 28.04.2025 12:09 Uhr

Die Quereinsteigerin Kimberley Le Court-Pienaar gewinnt überraschend Lüttich-Bastogne-Lüttich und verblüfft damit vor allem sich selbst. Der Weg der einstigen Mountainbikerin in die World Tour war sehr mühsam.

Von Stephan Klemm

Als Kimberley Le Court-Pienaar am Sonntagabend die höchste Stufe des Podiums betrat, überkam sie ein Moment des Zweifels. Was würden sie hier nun gleich bloß für eine Musik auflegen? Tatsächlich gab es kurz darauf auf der Bühne ein Happy End, die Organisatoren von Lüttich-Bastogne-Lüttich spielten ihr zu Ehren die richtige Nationalhymne ab. "Ich habe mich wirklich gefragt, ob sie meine Hymne parat haben", sagte Le Court-Pienaar später, denn sie kommt aus Mauritius, der kleinen Insel mit einer Million Einwohnern im Indischen Ozean, die bisher bei sportlichen Großveranstaltungen eher nicht in Erscheinung trat.

Favoritinnen Pieterse und Vollering im Sprint geschlagen

Le Court-Pienaar hatte zuvor eine Glanzleistung gezeigt und sich nach aufmerksamer Fahrt und dem Schließen einer Lücke elf Kilometer vor dem Ziel in einer kleinen Gruppe mit großen Favoritinnen befunden. Darin fuhren neben ihr die niederländischen Stars Puck Pieterse und Demi Vollering sowie die Französin Cédrine Kerbaol. Le Court-Pienaar gewann schließlich auf dem Quai des Ardennes im Zentrum von Lüttich sehr deutlich den Sprint vor Pieterse, die am vergangenen Mittwoch den Flèche Wallonne gewonnen hatte, und Vollering. Anschließend staunte sie über sich selbst und schien ihren Triumph nicht fassen zu können.

Kimberley Le Court-Pienaar nach dem Sieg bei Lüttich-Bastogne-Lüttich

Kimberley Le Court-Pienaar nach ihrem Sieg in Lüttich

Es gab sogar einen Bezug zu Tadej Pogacar, dem Sieger des Männerrennens in Lüttich. Le Court-Pienaar fährt für das Team AG Insurance-Soudal, bei dem auch Urska Zigart unter Vertrag steht, die slowenische Meisterin und Verlobte von Pogacar. Zigart kam fünf Minuten nach der Siegerin ins Ziel, dort umarmten sich die beiden intensiv und wunderten sich immer noch über das Ergebnis.

Siege als Mountainbikerin, Mails an World-Tour-Teams

Erst vor einem Jahr fand Le Court-Pienaar, 29 Jahre alt, Tochter einer Schottin und eines Mauritiers, den Weg in die World Tour der Straßenprofis. Sie war damit die erste Fahrerin ihres Landes, die es in die Elite des Radsports geschafft hatte. Den Weg dorthin erarbeitete sie sich mit herausragenden Ergebnissen als Mountainbikerin. Sie gewann unter anderem 2023 im Team mit Vera Looser das Cape Epic und das Swiss Epic, zwei bedeutende Etappenrennen.

Dass sie nun für ein Team der ersten Kategorie fahren kann, hat sie allerdings ihrer Hartnäckigkeit und einer Reihe von E-Mails zu verdanken. Denn ihr Ehemann Ian Pienaar schrieb zwischen August und Dezember 2023 alle World-Tour-Teams an und bat um eine Chance für seine Frau. Angebissen hatte daraufhin nur das niederländische Team, für das sie nun erfolgreich fährt.

Top-Resultate im Frühjahr und bei der Tour de France

Schon in ihrem ersten Jahr überzeugte Le Court-Pienaar und gewann eine Etappe des Giro d’Italia. Im Frühjahr 2025 jedoch gelang ihr der große internationale Durchbruch: Platz fünf bei Mailand-Sanremo und der Flandernrundfahrt, Rang sechs beim Flèche Wallonne und nun der Sieg in Lüttich: "Dieses Rennen wollte ich unbedingt gewinnen, darauf habe ich das gesamte Frühjahr hingearbeitet."

Bei der Tour de France im Vorjahr endete die vierte Etappe ebenfalls in Lüttich, sie führte über das schwere Ardennen-Terrain, das auch am Sonntag Teil des Parcours war. Damals wurde Le Court-Pienaar Vierte hinter der Tagessiegerin Pieterse, Vollering und der späteren Toursiegerin Katarzyna Niewiadoma. "Da spürte ich, dass ich hier etwas bewegen kann", sagte Le Court-Pienaar am Sonntagabend. In den Rennen zuvor sei sie immer sehr nah dran gewesen am Podium, deshalb habe sie diesen Sieg "unbedingt gewollt". Mission erfüllt.

Kimberley Le Court-Pienaar auf dem Siegerpodest von Lüttich-Bastogne-Lüttich

Kimberley Le Court-Pienaar auf dem Siegerpodest in Lüttich

Das Trikot der Meisterin von Mauritius beinhaltet die Farben rot, blau, gelb und grün, sie sind von oben nach unten angeordnet. Dieser Dress ähnelt daher sehr dem Regenbogen-Shirt, das die Weltmeisterin tragen darf. Dafür musste sich Le Court-Pienaar schon "böse Kommentare in den sozialen Medien anhören, aber ich kann ja nun wirklich nichts dafür, dass wir diese Nationalfarben haben". Sie denke daher nicht daran, ihr Meistertrikot variieren zu lassen.

Mauritius-Fahnen am Streckenrand

Sie hoffe nun, mit ihrem Sieg etwas dafür getan zu haben, "diese Farben und mein Land in der Welt des Sports bekannter gemacht zu haben. Es ist eine kleine Insel, es ist Afrika, und ich bin sehr stolz, dass ich meinem Land diesen Erfolg geben konnte." Wobei: "Während des Rennens habe ich schon gespürt, dass etwas passiert ist. Ich habe viele Fahnen meines Landes am Streckenrand gesehen, das hat mich motiviert, bis zum Ende alles zu geben." Sie sei "unglaublich stolz, dass ich diesen Erfolg für ein unbekanntes Land einfahren konnte. Vielleicht findet man nun dank meines Siegs unsere Insel leichter auf der Landkarte."

Bisher gab es stets große Verwirrung, wenn Le Court-Pienaar am Start stand. Bei einem Rennen in Australien sei die britische Fahne neben ihrem Namen in der Startliste erschienen, "ich war auch schon mal Französin und in Belgien wurde ich als Niederländerin geführt", sagt Le Court-Pienaar. Außerdem sei sie gefragt worden, ob sie nicht Niederländerin werden wolle - "nein habe ich gesagt, denn ich bin Mauritierin".

Nun wird sie ihre Straßenmaschine zunächst etwas zur Seite stellen. Ihre nächsten Starts plant sie bei Mountainbike-Rennen. Welche genau, ist noch offen.