Red Bull übernimmt Bora-hansgrohe Deutsches Radsport-Team steigt finanziell in die Topliga auf
Der Deal ist jetzt auch offiziell unter Dach und Fach: Red Bull übernimmt die Mehrheit am deutschen Radsport-Team Bora-hansgrohe. Die Equipe von Ralph Denk verdoppelt damit wohl ihr Budget. Die Branche ist elektrisiert.
Der neue Name ist ein dreiköpfiges Monster. Im Radsport sind die Teams ja nach ihren jeweiligen Sponsoren benannt. Meist handelt es sich dabei um mehr oder weniger gelungene Kombinationen zweier Firmennamen. Und nun also: Red Bull-Bora-hansgrohe. So heißt das einzige in Deutschland lizensierte World-Tour-Team künftig. Ein Brocken, den die Regularien des Weltradsportverbandes gerade noch hergeben: Maximal drei Namen sind erlaubt.
Der Radsport ist elektrisiert
Aber der Einstieg des Getränkeherstellers aus Österreich ist natürlich weit mehr als ein Bandwurm-Wort für die Radio- und TV-Kommentatoren. Ende vergangenen Jahres wurde bekannt, dass Red Bull sich in das Radteam von Ralph Denk einkaufen wird. "Der Deal ist finalisiert, es war viel Papierkram in den vergangenen Monaten", erklärte Denk am Donnerstag (02.05.2024) in Turin, wo am Samstag der Giro d'Italia startet.
Die Branche ist elektrisiert. Die Investition eines milliardenschweren globalen Players mit besonderer Vermarktungsexpertise beflügelt die Fantasie im stets um seine Einnahmen ringenden Radsport. Es steht die Frage im Raum: Was bewirkt der Einstieg eines solchen Unternehmens für diesen immer noch stark in seinen Traditionen verhafteten Sport?
Abgerutscht ins finanzielle Mittelfeld
Für die Equipe von Ralph Denk bedeutet das zunächst einmal, dass es finanziell in die Spitzenklasse aufrückt, auf eine Stufe mit Teams wie Ineos-Grenadiers und UAE. Deren Budget beträgt geschätzt rund 50 Millionen Euro pro Saison. Das deutsche Team musste bislang mit knapp der Hälfte auskommen.
Für diesen Aufstieg gibt Denk nun 51 Prozent der Anteile an der Betreiberfirma seines Teams, der RD Pro Cycling GmbH & Co. KG, an Red Bull ab. Zu welchem Preis ist nicht bekannt. Zudem hat Denk mit dem Unternehmen einen Sponsoring-Deal unterschrieben, der rund 25 Millionen Euro pro Saison betragen dürfte. Denk selbst erhält einen Vertrag als Geschäftsführer. Die sportliche Kontrolle sollen er, sein Sportdirektor Rolf Aldag und die sportlichen Leiter des Teams behalten.
Red Bull erhält die Kontrolle
Mit dem Verkauf der Anteile werde sein Team nun ein "Corporate-Project" des Unternehmens wie etwa die von Red Bull betriebenen Fußballklubs oder das Formel-1-Team. "Da wollen sie die Kontrolle. Und das ist für mich auch vollkommen okay", sagt Denk im "Tourfunk" - dem Radsport-Podcast der Sportschau. "Für mich war es nicht wichtig, dass ich Anteile verkaufe und damit Geld generiere, sondern für mich war das Wichtigste, dass wir finanziell und budgetär in Zukunft ein Top-Rennstall sind."
Das ist es, was Denk in all den Jahren angetrieben hat, in denen er das Team seit 2009 von der dritten Klasse bis in die World Tour führte. Als die Mannschaft zur Saison 2017 den damaligen Radsport-Superstar Peter Sagan verpflichtete und in die World Tour aufstieg, gehörte seine Equipe auch finanziell zu den stärksten Teams. Doch mit dem Einstieg vor allem staatlicher arabischer Geldgeber in den Radsport - etwa bei den Teams UAE und Bahrain-Victorious - sei man ins Mittelfeld abgerutscht, sagt Denk.
Mit den beiden mittelständischen deutschen Unternehmen Bora und hansgrohe, die finanziell an ihre Grenzen gegangen seien, um das Team zu unterstützen, sei eine Rückkehr an die Budgetspitze nicht möglich gewesen. Auch Denk hat sich deshalb mit finanzkräftigen Geldgebern aus Arabien an einen Tisch gesetzt, um mehr Geld für sein Team zu generieren. "Aber das hat sich nicht richtig angefühlt", sagt er.
Emotionale Inhalte für das Medienunternehmen
Dass Denk nun Red Bull überzeugen konnte, in den Radsport zu investieren, und gleichzeitig seine bisherigen Sponsoren an Bord zu behalten, ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Eine Zusammenarbeit mit dem Unternehmen gibt es schon länger. Denk war 2019 bereits auf Red Bull zugegangen, um ihnen seinen Sport und sein Team schmackhaft zu machen.
Für das große Rad war das Unternehmen damals noch nicht bereit, brachte aber einen seiner Athleten, den Skibergsteiger Anton Palzer, bei Denks Team unter, der seit der Saison 2021 bei Bora-hansgrohe zum Radprofi umschulte. Darüber hinaus vereinbarte man ein gemeinsames Scouting-Programm. Zudem durfte das Team das Performance-Center der Firma in Thalgau in Österreich nutzen.
Dass Red Bull nun größer einsteigt, dürfte nun vor allem damit zusammenhängen, dass man sich emotionale Inhalte für die diversen Medienplattformen des Unternehmens verspricht. Die Dokuserie des Streamingdienstes "Netflix" über die Tour de France hat ein jüngeres Publikum angelockt.
Projekt wird zum Start der Tour de France sichtbar
Nach der Ausstrahlung vor dem Start der Tour im vergangenen Jahr besuchte dann auch Oliver Mintzlaff, der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Fußball-Bundesligisten RB Leipzig und heute für die Sport-Projekte zuständige Geschäftsführer der Red Bull GmbH, Denks Team in Frankreich und machte sich ein Bild von der Strahlkraft des wichtigsten Radrennens der Welt.
Es ist daher kein Zufall, dass der Einstieg des Unternehmens erst mit dem Start der Tour de France Ende Juni sichtbar werden wird, wenn der Radsport weltweit die größte Aufmerksamkeit erfährt. Und nicht schon beim Start des Giro d'Italia an diesem Wochenende. Erst im Sommer wird der Dreifachname offiziell und Red Bull auch auf den Trikots des Teams sichtbar werden.
Der Einstieg des milliardenschweren Unternehmens weckt allerdings jetzt schon Begehrlichkeiten. Denk hat nach eigenen Angaben schon festgestellt, dass einige seiner Fahrer mit einer "fetten Gehaltserhöhung" rechneten. Und auch Fahrerberater sind schon an ihn herangetreten, um ihm die Dienste der von ihnen betreuten Radprofis anzudienen.
Nadel im Heuhaufen statt finanzieller Keule
Doch mit der finanziellen Keule durchs Peloton schwingen, werde man nicht, verspricht Denk. "Die aktuellen Fahrer aus ihren Verträgen rauskaufen, das ist nicht unser Ansatz", sagt der Teammanager. "Im besten Fall finden wir die berühmte Nadel im Heuhaufen in den nächsten Jahren und entwickeln die zum Topfahrer, zum ikonischen Fahrer." Darum ist die Gründung eines U23-Teams, dass die Lücke zwischen dem schon existierenden Junioren-Team und der World-Tour-Mannschaft schließen soll, Teil des Projekts.
Bleibt die Frage, was sich Red Bull über zusätzlichen Content für sein Medienunternehmen hinaus vom Einstieg in den Radsport verspricht. Der finanzielle Einsatz dürfte im Vergleich zum Fußball oder der Formel 1 deutlich geringer sein. Allerdings lässt sich mit Radsport auch viel schwerer Kasse machen.
Denn die Einnahmen aus dem Verkauf der TV-Rechte etwa bleiben zum größten Teil bei den Veranstaltern wie der ASO, die die Tour de France betreibt. Seit Jahren ist das ein Streitpunkt zwischen Teams und Rennveranstaltern. Man sei überrascht gewesen, wie wenig von der Tour beim Team hängenbleibt, sagt ein Red-Bull-Mitarbeiter.
Daran wird sich in Zukunft wohl kaum etwas ändern. So bleibt zunächst nur das dreiköpfige Namensmonster mit seinem Werbewert für das Kernprodukt des Unternehmens.