Para-Radsport-Bahn bei den Paralympics Ulbricht will mit "Quadzilla" Förstemann zu Gold sprinten
Bahnradfahrer Thomas Ulbricht und sein Guide Robert Förstemann wollen am Sonntag (01.09.2024) bei den Paralympics in Paris Gold im Sprintwettbewerb gewinnen. Ein gewichtiger Vorteil des Duos sind dabei die XXL-Oberschenkel des Anfahrers, die ihm seinen Spitznamen und viele Fotos einbrachten.
Wo er auch hinkommt, immer und überall muss der selbsternannte "Quadzilla" Förstemann sie herzeigen: Seine kräftigen Oberschenkelmuskel (engl. quad muscle), XXL-Modelle, sind ein wahres Pfund. In ihnen steckt die Kraft, die das deutsche Bahnrad-Duo braucht, um das Tandem im Rennen auf eine Geschwindigkeit von mehr als 70 Stundenkilometer zu beschleunigen.
Unglaubliche 800 Kilo schafft Förstemann in der Beinpresse, 290 beim Kniebeugen. Seine Schenkel messen im Umfang jeweils 75 Zentimeter. Sogar Fußball-Startrainer Jürgen Klopp posierte mit hochgekrempelter Hose mit dem Bahnradsportler - konnte aber bei Weitem nicht mithalten mit dessen Oberschenkelumfang. Kein Wunder: Förstemann fehlt ein Enzym, das den Muskelaufbau hemmt.
Auf der schnellen Bahn im Vélodrome National von Saint-Quentin-en-Yvelines unweit Paris will das deutsche Duo, wuchtig "angetreten" von Förstemanns starken Beinen, eine persönliche Bestzeit abliefern und erstmals unter 60 Sekunden bleiben. Ob das dann reicht, um sich gegen die britischen Weltmeister und Paralympicssieger von Tokio Neil Fachie und Matthew Rotherham durchzusetzen und am Ende ganz oben auf dem Podest zu stehen, muss sich zeigen.
Förstemann: "So schnell waren wir noch nie"
Mit dem "Warmfahren" bei den Paralympics in Paris waren Ulbricht und Förstemann auf jeden Fall voll zufrieden: In der Qualifikation im Verfolgungsrennen über 4000 m, die die beiden als Voraussetzung für die Sprintteilnahme bestreiten mussten, machten sie nur über die ersten beiden Runden ernst. "Dieser Anfahrtsversuch war ein voller Erfolg, wir sind deutschen Rekord gefahren, wenn man so will. So schnell waren wir mit dem Tandem über 500 m noch nie. Das gibt Motivation für Sonntag", sagte Förstemann im Sportschau-Interview.
In der Qualifikation über 1000 Meter (11 Uhr) müssen sie unter die ersten Sechs kommen, um im Finale ab 13.51 Uhr (im Livestream auf sportschau.de) dann um die Medaillen mitfahren zu können.
Ulbricht: Von der Laufbahn ins Rad-Velodrom
2023 sind Ulbricht und Förstemann zusammen Vize-Weltmeister im Sprint geworden. In Paris sind die beiden jedoch erstmals als Team zusammen bei Paralympischen Spielen am Start.
Der 39 Jahre alte Ulbricht, der eine Sehbehinderung hat, startet zum fünften Mal bei Paralympics, aber zum ersten Mal als Radfahrer. Zwischen 2004 und 2016 nahm er als Leichtathlet teil. 2008 in Peking (Silber im Fünfkampf) und 2016 in Rio (Bronze über 100 m) gewann er seine beiden Medaillen. Nun möchte er eine dritte einfahren - und zwar möglichst aus Gold. "Dafür müssen wir beide unsere Leistung vereinen", ist sich Ulbricht der Schwierigkeit bewusst, nun nicht mehr als Einzelkämpfer unterwegs zu sein, sondern als Team funktionieren zu müssen.
Förstemann will Platz vier aus Tokio vergessen machen
Der 38-jährige Förstemann hat in seiner sportlichen Karrierebilanz eine Olympia-Bronzemedaille im Teamsprint aus London 2012 stehen. Bei seinen ersten Paralympics als Guide musste er vor drei Jahren aber eine bittere "Niederlage" einstecken: Mit seinem damaligen Partner Kai-Kristian Kruse verpasste er Bronze um 82 Tausendstel, wurde Vierter.
"An dem Ergebnis habe ich jetzt drei Jahre geknabbert", so Förstemann in der Sportschau. "Damals hat es nicht gereicht für eine Medaille. Wir haben hart gearbeitet, das Rad wurde komplett überarbeitet, ich habe einen neuen Partner. Aktuell sieht es gut aus für Sonntag."
Intensive Arbeit in der Werkstatt soll sich auszahlen
Wichtig sei, dass beide im Rennen absolut synchron agieren, erklärte Förstemann im Vorfeld - und lobte dabei auch das Vertrauen, das der sehbehinderte Ulbricht in ihn als Piloten habe. "Der hat da nie mit sich gehadert. Direkt beim ersten Mal mit mir auf dem Tandem, sind wir im Velodrom in Berlin mit 70 km/h zusammen um die Kurve geheizt."
Außerdem schraubte das Team um intensiv am Rad, das nun deutlich leichter ist als noch vor drei Jahren in Tokio. "Wir haben jetzt auch Motorsporttechnik dabei, und das haben wir in den Trainingszeiten gemerkt. Da ging es in den vergangenen Wochen noch mal voran", sagte Förstemann. "Wir sind nahe dran, haben einen Riesenschritt gemacht." Ein neues Kettenblatt soll nun den erhofften Erfolg möglich machen.
Ulbricht: "Jetzt wollen wir es auf die Bahn knallen"
Auch Ulbricht ist optimistisch und selbstbewusst, dass sich das Duo beim "Showdown" in Paris seinen Traum von der gemeinsamen Medaille erfüllen kann: "Wir haben uns drei Jahre lang vorbereitet, die Trainingszeiten waren top. Jetzt wollen wir es auf die Bahn knallen."