Paralympics 2024 in Paris Schwarz feiert Comeback - "Die Erfolgsgeschichte meines Lebens"
Para-Schwimmerin Naomi Maike Schwarz fehlte wegen Depressionen bei den Paralympics 2021 in ihrem Geburtsland Japan. In Paris kehrt sie zurück - schon das ist ein riesiger Sieg.
Kurz vor dem Wunschziel Tokio ging bei Naomi Maike Schwarz gar nichts mehr. "Es wurde von Tag zu Tag schlimmer, ich konnte nicht mehr aus dem Bett. Ich konnte nicht mal meinem normalen Alltag mit Essen und Duschen nachgehen", erzählte die Schwimmerin mit brüchiger Stimme. Die hochgehandelte Medaillenkandidatin musste wegen Depressionen die Notbremse ziehen: "Am Ende war es keine Entscheidung mehr, die ich bewusst treffen konnte. Es ging einfach nicht mehr."
2021: Angst und Zweifel statt Paralympics-Teilnahme
Bei der einstigen Frohnatur dominierten plötzlich Selbstzweifel, Angstzustände, Mutlosigkeit und Überforderung, der Traum vom Paralympics-Triumph platzte. Doch mit drei Jahren Verspätung kann sie den nun in Paris vielleicht doch noch erfüllen, am Samstag springt sie in der Arena "La Defense" über 100 m Rücken erstmals ins Wasser. Der Weg zurück in den Schwimmsport und gar in die Weltspitze war durch die tückische Krankheit überaus steinig.
Corona-Verschiebung macht alles schlimmer
"Es war viel schwieriger als gedacht, ich habe es enorm unterschätzt", so Schwarz rückblickend im April. Dennoch nahm sie im August 2023 das Training wieder auf, löste mit zwei vierten Plätzen bei der EM im April endgültig ihr Paralympics-Ticket. Es sei "ein Wunder, dass es wieder so klappt", betonte die Paralympics-Zweite von Rio, die eine Sehbehinderung hat. Bereits seit 2018 habe sie sich parallel zum Leistungssport "durchgeschleppt", sei nebenbei mit Anti-Depressiva in Therapie gewesen.
In dem Moment, wo klar war, dass ich noch ein Jahr durchhalten muss, war es vorbei.
Die coronabedingte Verschiebung der Paralympics in ihrem Geburtsland Japan habe ihr "das Genick gebrochen. Ich bin auf Reserveflamme gelaufen. In dem Moment, wo klar war, dass ich noch ein Jahr durchhalten muss, war es vorbei." Nach einem Nervenzusammenbruch musste sie für 18 Wochen stationär in eine Klinik, setzte in Folge ambulant ihre Therapie fort. "Der Weg hat sich Jahre hingezogen und ich muss sagen, dass ich immer noch nicht ansatzweise da bin, wo ich früher war", sagte die gebürtige Bünderin.
Schwarz - "Ich brauche Kontrolle"
Und sie "bezweifele auch, dass es jemals wieder wird wie davor". Ihren geliebten Sport sehe sie als Part der Lösung. Sie spüre die Symptome immer noch "in abgeschwächter Form", erklärte die Doppelweltmeisterin von 2017: "Aber für meine Verhältnisse in den letzten Jahren geht es mir heute gut." Dennoch habe sie "das Gefühl, dass alles schwerer ist. Alles was ich mache, kostet mich viel, viel mehr Kraft, als es mich früher gekostet hat".
Menschenmengen, spontane Planänderungen oder gar Interviews - all das bereite ihr Probleme. "Ich brauche Kontrolle", sagte Schwarz, die wegen einer Zapfen-Stäbchen-Dystrophie mittlerweile weniger als ein Prozent Sehkraft hat. Und es gebe generell "nach wie vor Tage und Phasen, an denen es mir nicht gut geht." Beim Thema Sport muss sie deshalb ihren unbändigen Ehrgeiz bremsen, Medaillen oder Titel sind erstmal zweitrangig.
Wieder dabei sein ist alles
Wenn sie "in Paris auf dem Block stehe, reinspringe, am Ende anschlage und mein Bestmögliches gegeben habe, dann ist das eigentlich die Erfolgsgeschichte meines Lebens", sagte Schwarz, "weil das hätte ich vor einem Jahr niemals gedacht." Der Ausgang sei "eine Wundertüte".