IOC-Präsident Thomas Bach leitet die 142. IOC-Sitzung

Nachfolge von Thomas Bach IOC-Präsidentschaftskandidaten - Wahlkampf im Vakuum

Stand: 29.01.2025 20:21 Uhr

Beim IOC steigt am Donnerstag die erste und einzige Wahlkampfveranstaltung für die sieben Bewerber um die Nachfolge des deutschen Präsidenten Thomas Bach. Viele Kandidaten haben kaum öffentliches Profil, dafür sorgen auch die sonderbaren Rahmenbedingungen.

Thomas Bach hatte sich lange bitten lassen. Trotz der Tatsache, dass im März seine zweite Amtszeit endet und er sich laut IOC-Regelwerk nicht erneut zur Wahl stellen darf, hatten Mitglieder in der Vergangenheit immer wieder für seinen Verbleib geworben. Nach monatelanger Koketterie verkündete er dann bei der Abschlusssitzung der Spiele von Paris am 10. August 2024, der olympischen Charta treu bleiben zu wollen und abzutreten.

Bis dahin hatten sich etwaige Anwärter auf Bachs Nachfolge mit ihren Ambitionen öffentlich zurückgehalten, doch nun war die Bühne frei, um für Ideen und um die Gunst der Mitglieder zu werben. Es passierte: nichts dergleichen.

Ohne viel Fanfare gab das IOC im September eine Listen von sieben Kandidaten auf seiner Website bekannt. Darunter fanden sich bekannte Namen wie Juan Antonio Samaranch Junior, Sohn des gleichnamigen Ex-Präsidenten des IOC, oder Sebastian Coe, Präsident von World Athletics. Ein hierzulande eher unbeschriebenes Blatt ist David Lappartient, Präsident des Weltradsportverbandes. Innerhalb des IOC machte er sich jedoch durch die Vermittlung der "Olympic Esports Games" nach Saudi-Arabien einen Namen. Außerdem treten weitere internationale Verbandspräsidenten mit Johan Eliasch (Ski) und Morinari Watanabe (Turnen) an, sowie die IOC-Mitglieder Kirsty Coventry und Prinz Feisal Al Hussein, Thronfolger des jordanischen Königshauses.

Strenge Richtlinien für den Wahlkampf

Nur zwei Tage nach Bachs Rückzug in Paris hatte das IOC zudem per Pressemitteilung eine Liste von "Direktiven" für die Zeit bis zur Wahl bekannt gegeben, die bei der IOC-Session vom 18. bis 21. März in Griechenland abgehalten wird. Darin ist minutiös festgelegt, welche Rechte und Pflichten die Kandidaten in der Wahlkampfperiode haben, um Stimmen zu sammeln. Vordergründig geht es darum, faire Rahmenbedingungen zu schaffen, so dürfen beispielsweise keine finanziellen Zuschüsse akzeptiert werden, um sich Vorteile zu verschaffen. Doch in Gänze betrachtet sorgen sie vor allem dafür, dass von einem Wahlkampf nicht viel übrig bleibt.

Abgesehen von theoretischer Chancengleichheit sorgt das IOC auch dafür, dass die Kandidaten nahezu ausschließlich hinter verschlossenen Türen um die Stimmen der Mitglieder buhlen können. So sind keine öffentlichen Debatten oder "Vergleiche" mit anderen Anwärtern gestattet. In den Richtlinien wird das damit begründet, keine "Vorurteile" zu befeuern. Als Nebenwirkung verhindert es aber auch jegliche inhaltliche Auseinandersetzungen oder einen echten Stresstest der Ideen, die in den Wahlprogrammen zu finden sind. Selbst Videos, in denen die Kandidaten für sich werben könnten, sind verboten.

Ideen ohne Plattform

Das kommt einer Beschneidung der Debatte gleich - inmitten von Zeiten, in denen dem IOC richtungsweisende Entscheidungen ins Haus stehen. In den Wahlprogrammen finden sich durchaus neue Ansätze - der Japaner Morinari Watanabe beispielsweise will die Olympischen Spiele auf fünf Städte in fünf Kontinenten verteilen und ein parlamentarisches Zweikammersystem einführen.

Es gibt weitere drängende Fragen, die auch über den Sport hinaus von Belang sind. Spätestens zu den Winterspielen 2026 steht wieder eine Entscheidung zur Teilnahme russischer Athleten an. Und wie soll die Organisation eigentlich umgehen mit Herausforderungen wie klimatischer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit oder dem technologischen Fortschritt? In den Wahlprogrammen finden sich Ideen zu diesen und mehr Themen, doch die meisten von ihnen werden lautlos verschwinden, ohne je ernsthaft diskutiert worden zu sein.

15 Minuten und 30 Sekunden für jeden Kandidaten

Um ihre Visionen für die Zukunft vorzulegen, bleiben den Kandidaten bei der Zusammenkunft am Donnerstag in Lausanne exakt 15 Minuten und 30 Sekunden, danach verstummt das Mikrofon. Die Präsentationen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, es gibt bloß eine interne Aufzeichnung für das Archiv. Am Eingang des Saals werden alle Mobiltelefone eingesammelt. Für eine Organisation, die sich als oberstes Ziel ihrer Charta die Förderung von Ethik und guter Verbandsführung gesetzt hat, sind das ungewöhnliche strikte Maßnahmen.

Aber nicht alle dürften sich an dieser Form des Wahlkampfes stören. Als im September die Kandidatenliste veröffentlicht wurde, war ohnehin klar, dass nur wenige ernsthafte Chancen auf einen Wahlsieg besitzen. Eine von ihnen ist die ehemalige Olympiasiegerin im Schwimmen, Kirsty Coventry, die als Bachs persönliche Protegée gilt. Glaubt man ihrem Wahlprogramm, wird sie die Geschäfte in seiner Tradition weiterführen. Coventry ist zudem Teil des Exekutivkomitees, das aus nur zehn Mitgliedern besteht und weitreichende Entscheidungsbefugnisse im IOC besitzt. Dadurch ist sie im Verband gut vernetzt, besitzt jedoch ein wenig ausgeprägtes öffentliches Profil.

Thomas Bach (l.) und seine langjährige Vertraute Kirsty Coventry

Thomas Bach (l.) und seine langjährige Vertraute Kirsty Coventry

Coventry ist nicht unumstritten - insbesondere aufgrund ihrer Doppelfunktion als Sportministerin in ihrer Heimat Simbabwe. Sie gehört dem Kabinett von Präsident Emmerson Mnangagwa an, einem Kompagnon des langjährigen Diktators Robert Mugabe. Die Bedingungen seiner Wiederwahl 2023 wurden von den Wahlbeobachtern der EU aufgrund von Einschüchterungen und der Beschneidung von Grundrechten als unfair eingestuft. Zu diesem Umstand muss sie sich, auch dank der Richtlinien, keine Fragen gefallen lassen. Durch die Verbannung des Wahlkampfs in die Hinterzimmer von Lausanne, in denen Coventrys politische Verbindungen lange bekannt sind, werden ihre Chancen sicher nicht schlechter.

Welche Chancen hat Sebastian Coe?

Ein Brief, den der Vorsitzende des IOC-Ethikrats, Ban Ki-moon, im September an die IOC-Mitglieder schickte, illustrierte den steinigen Weg, den andere Kandidaten im Falle einer Wahl vor sich hätten. Dazu zählen der bekannteste von ihnen, Sebastian Coe, und auch Juan Antonio Samaranch Junior. Beide würden in ihrer ersten Amtszeit an das Alterslimit von 70 Jahren stoßen, das in der Olympischen Charta für IOC-Mitglieder festgelegt ist. Ban Ki-moon stellte in seinem Brief nochmals klar, dass ab dem Zeitpunkt des Übertritts nur eine einmalige, per Abstimmung entschiedene vierjährige Verlängerung dieses Limits möglich sei.

Bei einem potentiellen Wahlsieg wäre eine solche Abstimmung wahrscheinlich Formsache, doch vor allem Coe hat sich im IOC nicht nur Freunde gemacht. Der Brite hatte sich immer wieder gegen die von Bach vertretene Linie gestellt. So zahlte der Leichtathletik-Verband Preisgelder an Olympiasieger aus und Coe sprach sich immer wieder gegen die Teilnahme von russischen Athleten aus. Er sieht sich als Reformkandidat, möchte den Mitgliedern im Vergleich zum aktuellen Fokus auf das Exekutivkomitee mehr Mitspracherechte geben.

Sollte an den Treuebekundungen der Mitglieder für Bach vor dessen Rückzug etwas dran sein, steht es um Coes Chancen eher schlecht. Doch aller Voraussicht nach ist die Wahl auch nach den Vorstellungen am Donnerstag noch genauso offen wie jetzt. Wie viel Gewicht Bachs Meinung bei den Mitgliedern tatsächlich noch hat - auch das wird vorerst im Verborgenen bleiben.