Nach verpasster Qualifikation "Trostpflaster" für Turnerin Elisabeth Seitz: Olympia als ARD-Expertin
Turnerin Elisabeth Seitz hat die Qualifikation für ihre vierten Olympischen Spiele verpasst. In Paris ist sie trotzdem dabei - als Expertin für die Sportschau.
Nicht einmal zwei Tage hat es gedauert, bis bei Elisabeth Seitz die letzte Träne getrocknet und der Rücken wieder gerade war. Die deutsche Rekordmeisterin im Turnen hat den Showdown um das letzte Olympia-Ticket gegen die 16 Jahre alte Aufsteigerin Helen Kevric verloren. In Paris dabei sein wird Seitz trotzdem. Die 30-Jährige gehört erstmals zum Expertinnen-Team der Sportschau bei den am 26. Juli beginnenden Olympischen Spielen.
Seitz: "Nominierung ist ein großes Trostplaster"
"Ich freue mich wahnsinnig darauf, dass ich trotz des sportlichen Ausgangs und der Tatsache, dass ich als Ersatzturnerin nominiert wurde, nun als ARD-Expertin auf jeden Fall ein Teil von Olympia sein werde. Ich bin dankbar, dass ich meine Expertise zur Verfügung stellen darf", sagt Seitz über diese etwas andere Qualifikation für die Weltspiele des Sports an der Seine. "Die Nominierung als ARD-Expertin ist für mich wirklich ein sehr großes Trostpflaster."
Seitz soll ihr Fachwissen bei allen Wettbewerben im Gerätturnen für die ARD einbringen – ob als Expertin bei Live-Übertragungen, im Blog und Instagram-Broadcast-Channel oder als Gast im TV-Studio und Olympia-Podcast.
Seitz ist Ersatzturnerin – Olympia-Einsatz hätte Priorität
Das Sportschau-Team freut sich über den prominenten Neuzugang. "Viele hätten sie gern an ihrem Parade-Gerät Stufenbarren gesehen. Aber wir sind stolz, dass Elisabeth Seitz als ARD-Expertin für Turnen an der Seite von Philipp Sohmer die Wettbewerbe im TV sowie im Livestream in der ARD Mediathek und auf sportschau.de kommentieren wird. Denn näher dran kann eine Expertin nicht sein", sagt Mirjam Bach, ARD-Programmchefin Olympische Spiele und Paralympics 2024. Sollte Seitz als Ersatzturnerin doch noch in die Mannschaft rutschen, "dann hat ein Olympia-Einsatz als Sportlerin natürlich Priorität".
Stress, Druck, Ängste – Comeback als Gratwanderung
Dass Elisabeth Seitz überhaupt so dicht dran war an ihrem vierten Olympia-Ticket, ist ihrer Disziplin und ihrem unbändigen Willen zu verdanken. Anfang September vergangenen Jahres riss sie sich beim Bodentraining die Achillessehne an ihrem rechten Bein. Es folgten harte Monate im Ringen um das Comeback. "Das war wie eine Gratwanderung zwischen Reha und Training, und das hat im Kopf ganz viel ausgelöst, gestresst, ganz viel Druck, auch Ängste, dass es nicht reicht. Das stand auch immer im Raum", erinnert sich Seitz zurück.
Ohne ihre verletzte Vor-Turnerin verpasste die deutsche Riege bei der WM im vergangenen Herbst die Qualifikation für den Team-Wettbewerb. Die bittere Folge: Statt der erhofften fünf gab es nur drei Paris-Startplätze für die deutschen Frauen. Und weil der Weltverband FIG zwei Olympia-Tickets fest an Pauline Schäfer-Betz (Schwebebalken) und Sarah Voss (Boden) vergab, saß Seitz neben dem Zeitdruck für ihre Genesung auch die Gewissheit im Nacken, dass sie sich in eine Ausscheidung um das einzige verbliebene Ticket würde begeben müssen.
Duell der Generationen – "Küken" Kevric hält dem Druck stand
An ihrem Spezialgerät meldete sich Seitz Anfang Juni eindrucksvoll zurück, gewann ihren 26. Meistertitel mit einer Punktzahl, mit der sie in Tokio Olympia-Dritte und zudem Europameisterin geworden wäre. Doch ihre beinahe nur halb so alte Stuttgarter Clubkollegin Kevric holte in Frankfurt/Main ihren ersten Meistertitel im Mehrkampf. "Helen ist in der Pole Position", stellte Bundestrainer Gerben Wiersma danach klar. Die 16-Jährige hielt dem Druck stand und übertrumpfte Seitz bei der letzten Olympia-Ausscheidung in Rüsselsheim schließlich nicht nur im Mehrkampf, sondern auch am Stufenbarren.
Turn-Rekordmeisterin Elisabeth Seitz (l.) wird bei Olympia von der 16-jährigen Helen Kevric beerbt.
Seitz' Rat an Kevric: Spaß haben und genießen
Seitz erwies sich als faire Verliererin, zollte der Jüngeren Respekt für ihre turnerische Klasse, die sie im entscheidenden Moment abrufen konnte. "Ich hoffe sehr, dass sie bei ihren ersten Olympischen Spielen ganz viel Spaß hat, dass sie Olympia genießen kann, auch wenn viel auf sie einprasseln wird. Gleichzeitig hoffe ich, dass sie es schafft, die Übungen so abzurufen, wie sie es in den Qualifikationswettbewerben getan hat", sagt Seitz, die mit Platz vier (2016 Rio) und Rang fünf (2021 Tokio) eine Olympia-Medaille am Stufenbarren jeweils knapp verpasste.
Allen drei Kolleginnen wünscht sie, dass sie fit und gesund bleiben. "Sarah Voss ist eine tolle Mehrkämpferin." Und bei Ex-Weltmeisterin Pauline Schäfer-Betz freut sie sich besonders "auf ihre wunderschöne Übung am Schwebebalken".
Daumendrücken für angeschlagenen Dauser
Bei den Männern hofft Seitz, dass Barren-Weltmeister Lukas Dauser seine in Rüsselsheim erlittene Muskelverletzung am rechten Oberarm rechtzeitig auskuriere, um nach einer Medaille greifen zu können. Die von Dauser und Andreas Toba angeführte Riege sei "ein supergutes Team", das bereits bei der WM in Antwerpen gezeigt habe, dass es extrem gut zusammenhalte. Und so lautet der erste Olympia-Tipp von Elisabeth Seitz für die Sportschau: "Die Männer können es ins Team-Finale schaffen."
Doku über Seitz in der ARD Mediathek
Elisabeth Seitz ist auch eine Protagonistin der ARD-Doku-Serie "Turnen – 60 Sekunden Perfektion", die ab dem 15. Juli exklusiv in der ARD Mediathek zu sehen sein wird. Die Mini-Serie zeigt in vier Folgen den Kampf der besten Turnerinnen und Turner um Perfektion, Anerkennung und Selbstbestimmung im schönsten, aber vielleicht auch härtesten Sport der Welt. Am 20. Juli gibt es die erste Folge außerdem ab 18.15 Uhr im Ersten.